Wentorf. Briefe und Pakete abgeben? In den Shop von Familie Eroglu kommen auch viele Kunden aus Nachbarorten. Das hat seine Gründe.
Wer eine gut geführte Postfiliale in seiner Nähe hat, kann sich heutzutage glücklich schätzen. Die Bergedorfer zählen leider nicht dazu. Die Postbank am Sander Damm, die im Auftrag der Post auch Brief- und Paketdienstleistungen anbietet, gerät immer wieder in die Negativschlagzeilen. Zahlreiche Kundenbeschwerden führten jüngst dazu, dass die Post einen wichtigen Service einstellte und Pakete nicht mehr an den Sander Damm zur Abholung liefert.
Seitdem ist die Zahl der Kunden im Wentorfer Post-Shop in der Hauptstraße 9 noch einmal gestiegen. Beschwerden über zu lange Warteschlangen gibt es hier nicht. Im Gegenteil: „Hier läuft es richtig gut. Die Mitarbeiter sind kompetent und freundlich“, lobt der Bergedorfer Johann Stenzel die Post-Partnerfiliale schräg gegenüber dem Rathaus.
Stammkunden des Wentorfer Post-Shops loben Kompetenz und Freundlichkeit
Die Escheburgerin Jadwiga Simon pflichtet ihm bei: „In Bergedorf funktioniert es vorn und hinten nicht. Ich hatte öfter Unregelmäßigkeiten mit Sendungen, stand vor verschlossener Tür.“ In Wentorf sei ihr das noch nicht passiert. Der Post-Shop ist an fünf Tagen in der Woche von 8 bis 18 Uhr geöffnet, sonnabends schließt er um 13 Uhr.
„Ihr seid der einzige Laden, in dem es noch klappt“ und „Verlasst bloß Wentorf nicht“– solche Sätze hört Muzaffer Eroglu, Inhaber des Post-Shops, öfter von seinen Kunden. Viele davon kennt er seit Jahren. „Das haben wir auch gar nicht vor“, beruhigt der 56-Jährige. Mit „wir“ meint der Boberger seine gesamte Familie. Neben ihm arbeiten Ehefrau Filiz (57), seine beiden Söhne Mehmet Emre (32) und Can Ege (27) sowie Schwiegertochter Helin (25) in dem Post-Shop mit.
Auch die zweite Schwiegertochter steht bereits in den Startlöchern, wenn Helin im Februar ihr erstes Kind auf die Welt bringt. Schwiegervater Muzaffer kann es kaum erwarten, Opa zu werden. „Ich liebe Kinder“, gesteht der gebürtige Türke, der den jüngsten Kunden, die kaum über den Ladentisch reichen, regelmäßig kleine Tafeln Schokolade zusteckt.
Vor genau sieben Jahren haben die Eroglus per Zufall erfahren, dass der Post-Shop in Wentorf einen neuen Betreiber sucht, und zusammen quasi über Nacht entschieden, dass sie es gemeinsam wagen wollen. Ein mutiger Schritt, denn „mit Briefen und Paketen hatten wir vorher beruflich nichts zu tun“, erzählt Ehefrau Filiz. Selbstständigkeit und beruflich sein eigener Chef sein hingegen war ihnen vertraut. Sie hatten zuvor einen Kiosk in Mümmelmannsberg. Schreibwaren und Schulbedarf wie in Wentorf hatten sie da aber nicht, Lotto und Zeitschriften hingegen schon.
Vertrauen der Wentorfer Kunden mussten sie sich erst erarbeiten
Rückblickend war die Entscheidung genau richtig, sagt die 57-Jährige, auch wenn sich die Neuen das Vertrauen der Wentorfer erst erarbeiten mussten, insbesondere in Sachen Bankangelegenheiten. Im Wentorfer Post-Shop sind eingeschränkte Postbankdienstleistungen wie Ein- und Auszahlung sowie die Abgabe von Überweisungsträgern möglich. „Eine Banklehre braucht man dafür nicht. Da reicht eine einfache Schulung“, sagt Hartmut Schlegel, Sprecher der Postbank.
Die haben die Eroglus absolviert und haben ihren eigentlichen Lehrberufen den Rücken gekehrt: Vater Muzaffer ist Schlosser, seine Frau Filiz hat in der Türkei ein Jurastudium absolviert und wäre eigentlich gern Staatsanwältin geworden. Doch dann kam die Ausreise und die Geburt ihrer beiden Söhne dazwischen, von denen der ältere gelernter Feinmechaniker und der andere Altenpfleger ist.
Um Vertrauen bei ihren Kunden müssen sie nicht mehr buhlen, das haben sie sich längst verdient. Ist der Karton für einen älteren, mobilitätseingeschränkten Kunden zu schwer zum Tragen, fahren sie den Senior samt Paket schnell nach Hause, sehen bei Stammkunden nach dem Rechten, wenn die länger nicht im Geschäft waren, und bewahren vergessene 50-Euro-Scheine über Wochen bis zum nächsten Besuch des schusseligen Kunden auf. Es ist diese Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Menschlichkeit, die die Kunden an der Post-Shop-Familie so mögen und die sich die Eroglus bewahren, unabhängig davon, wie groß der Ansturm im Geschäft ist.
Auch Reinbeker geben Pakete gern in Wentorf ab
Jetzt vor Weihnachten ist er besonders groß. „In normalen Monaten werden bis zu 7000 Paketen abgegeben“, erzählt Sohn Mehmet Emre. Vor Weihnachten ist es ein Vielfaches mehr. Über Arbeit kann die Familie also nicht klagen und hat deshalb das Angebot, einen weiteren Post-Shop in Börnsen zu betreiben, abgelehnt. Der wurde im Mai 2022 geschlossen. Nach eineinhalb-jähriger Suche hat sich nun endlich ein Betreiber gefunden. Ab 14. Dezember können die Börnsener für drei Stunden am Tag (montags bis freitags von 14.30 bis 17.30 Uhr) Päckchen und Pakete am Sachsenwald 2a aufgeben. Sonnabends ist der Post-Shop von 10 bis 13 Uhr geöffnet.
Der Beliebtheit der Wentorfer Post wird das aber keinen Abbruch tun, denn die wird – nachdem die Reinbeker Postbank im historischen Postgebäude an der Sophienstraße im März geschlossen wurde – auch gern von Reinbekern angesteuert.
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Zwar könnten die Reinbeker mit ihren Paketen und Briefen auch in die neu eröffnete Partner-Filiale an der Bahnhofstraße ausweichen, allerdings ist die Parkplatzsituation dort alles andere als einfach, und die Stellplätze direkt vor der Tür sind rar.
In der Nachbargemeinde ist die Parkplatzsituation viel entspannter. Das könnte sich in Zukunft allerdings auch ändern. Im Rahmen der Erstellung eines neuen Ortskernkonzepts wird die Zahl der Parkplätze infrage gestellt. Ziel des Konzepts ist, die Attraktivität der Wentorfer Ortsmitte zu erhöhen und den Verkehr zu reduzieren. Letzteres geht mit dem Betreiben eines Postshops nicht zusammen, Wentorf ohne Post-Shop der Familie Eroglu mag sich in Wentorf und Umgebung aber niemand vorstellen.