Hamburg. 65-Jähriger ist der erfolgreichste Züchter des Vereins Vierlandria. Wie der mehrfache Deutsche und Europa-Meister zu seinem Hobby kam.
Joachim Wittmann war 17 Jahre jung, als er 1975 seine Leidenschaft für edles Geflügel entdeckte – nicht für zartes Fleisch auf dem Teller, sondern für Rasse-Hühner, die auf Ausstellungen präsentiert werden. Seitdem ist der heute 65-Jährige von Zwergniederrheinern fasziniert, verbringt er viel Zeit mit ihnen. Wittmann packt seine Tiere in Transportkisten, klappt die Rückbank seines Toyota um und präsentiert sie auf Ausstellungen im In- und Ausland. Der Züchter hat schon etliche Preise mit ihnen abgeräumt, wurde sechsmal Deutscher Meister und zweimal Europameister. Seine Zwerghühner heimsten das Blaue Band, den höchsten Preis der hannoverschen Geflügelausstellung, ein, einige wurden zu „Europachampions“ gekürt. Aufgrund seiner vielen Medaillen ist Wittmann das erfolgreichste Mitglied des Geflügelzuchtvereins (GZV) Vierlandria.
Bei Vierlandria (52 Mitglieder) mischt Wittmann seit elf Jahren mit. Der Glinder wechselte, als der GZV Bergedorf-Billstedt, dem er seit 1978 angehörte, sich aufgrund zu weniger Mitglieder auflöste. Der gelernte Fleischermeister, der vor vier Jahren in den Vorruhestand ging, hat derzeit 35 Zwergniederrheiner (20 Hennen, 15 Hähne) – und dadurch genug Eier zum Frühstück: „Im ersten Lebensjahr legt ein Huhn dieser Rasse bis zu 180 Eier. Später lässt die Legeleistung nach“, sagt der Züchter. Die Hühner können bis zu zehn Jahre alt werden. Viele Eier werden von Wittmann im Freundeskreis verschenkt oder für ein Taschengeld verkauft. Bruteier, also Eier, in denen sich der Nachwuchs erfolgreicher Zuchttiere befindet, kosten deutlich mehr, ebenso Hühner, die bei Schauen Preise eingeheimst haben. Für sie würden rund 35 Euro verlangt.
Joachim Wittmanns große Leidenschaft sind kleine Hühner
Jedes Frühjahr sammelt Wittmann von seinen dem Erscheinungsbild nach besten Hennen die Eier und packt die Eier in eine Brutmaschine: „Nach 21 Tagen schlüpfen die Küken. Sie werden nach sechs bis acht Wochen beringt. Dann sind sie schon befiedert.“ Im Herbst werden die Hühner dann kritisch begutachtet: Die makellosen Tiere eignen sich für Ausstellungen und die weitere Zucht, die anderen, die etwa einen Fehler im Kamm oder in der Farbe haben, bekommen andere Züchter, die ihre Tiere nicht ausstellen. Überzählige Hähne gibt der Glinder zum Geflügelschlachter.
Früher züchtete Wittmann auch weiße Zwerg-New-Hampshire-Hühner, „aber das wurde mir irgendwann zu aufwendig“: Vor Ausstellungen mussten die Tiere gewaschen (mit Babyshampoo) und geföhnt werden, war danach darauf zu achten, sie nachts in einem warmen Raum abzustellen. Die Zwerghühner seien pflegeleichter: „Ich reibe nur ihre Beine sauber und ihre Kämme mit Vaseline ein.“
Der rote Kamm muss einwandfrei sein
Der 65-Jährige hat für die Zucht ein gutes Händchen: Bei der Ausstellung des Landesverbands der Rassegeflügelzüchter Groß-Hamburg vor wenigen Wochen in Curslack heimsten Wittmanns Hühner mehrere „V“-Bewertungen ein – die bestmögliche Einstufung. Relevant sind bei Ausstellungen Form, Haltung und Farben der Tiere, etwa der Verlauf der Rückenlinie und ein einwandfreier roter Kamm. Die Tiere müssen dem Standard für Rassegeflügel möglichst nahekommen. Auch die Augenfarbe ist relevant: Wittmanns schwarz-silbfarbene Hühnerrasse muss orangefarbene Augen haben, „bei den Hähnen sollte die Farbe besonders kräftig sein“.
Früher hielt Wittmann seine Hühner in Volieren auf dem Grundstück seiner Mutter in Schönningstedt, wo er aufwuchs. Inzwischen sind sie bei dem Vierlandria-Vorsitzenden Bernd Eggers in Neuengamme untergebracht. „Ich lebe in einer Wohnung mit Balkon, habe selbst keinen Platz“, sagt Wittmann. Eggers hat selbst rund 60 Hühner. Bei ihm haben die Tiere richtig viel Platz auf etwa 700 Quadratmetern Freifläche, Volieren und Stallungen. In den vergangenen Jahren mussten die Tiere immer wieder über Monate in die Ställe, damit sie von Wildvögeln nicht mit Vogelgrippe infiziert werden, zuletzt vom Herbst 2022 bis April 2023. „Da sind sie bei Bernd Eggers sehr gut aufgehoben“, sagt Wittmann. Er ist fast jeden Abend für zwei Stunden in Neuengamme, um seine Hühner zu füttern, „sie zu sehen und mich zu kümmern“. Hähne und Hennen kommen nur während der Zuchtphase im Frühjahr zusammen, natürlich streng nach Rassen sortiert.
Außenstehende belächeln das tierische Hobby
„Wegen der Vogelgrippe gab es in den vergangenen drei Jahren weniger Ausstellungen. So fiel etwa die jährliche Schau unseres Vereins hier im Landgebiet mehrfach aus“, sagt Wittmann. Andere Vereine hätten deshalb Mitglieder verloren.
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Wittmanns Lebensgefährtin teilt die Leidenschaft für Rassegeflügel nicht. „Sie kommt nur gelegentlich zu kleinen Ausstellungen mit. Bei den großen Schauen sind es ihr zu viele Tiere.“ Dass er von Außenstehenden aufgrund seines tierischen Hobbys manchmal belächelt wird, ist dem 65-Jährigen egal: „Für uns Züchter ist das alles normal. Es geht uns halt darum, bei Ausstellungen Erfolge zu erzielen.“
Mit einem Zuchtstamm begonnen
„Schon als Kind gab es bei uns zu Hause immer Tiere, etwa Hühner und Kaninchen“, sagt der Rentner. Was bei den Modelleisenbahnfreunden das Starterset ist, nennen die Hühnerfreunde Zuchtstamm – einen Hahn und drei Hennen: „Meinen ersten Zuchtstamm kaufte ich mir als Jugendlicher kurz vor Weihnachten 1977 bei einer Ausstellung. Im Jahr darauf habe ich bereits selbst Zwergniederrheiner ausgestellt.“ Noch heute fasziniere es ihn, die Tiere in ihrer Entwicklung zu beobachten.