Bergedorf. CDU-Vorstoß scheitert erneut, obwohl Bahnhof und ZOB in Bergedorf als heißes Pflaster gelten. SPD-Anwalt mit Gegenrede.
Er gehört in die Top 5 der gefährlichsten Bahnhöfe Hamburgs: Der Bergedorfer Bahnhof mit S-Bahnstation und ZOB zählte nach Angaben aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik und des Hamburger Senats zu einer Anfrage der CDU-Bürgerschaftraktion zu den Bahnhöfen mit den meisten Polizeieinsätzen seit dem Jahr 2020. Die Bergedorfer Christdemokraten nehmen auf Basis dieser Information einen neuen Anlauf, Videoüberwachung im Bahnhofsgebäude, an den Bahnsteigen sowie gegebenenfalls auch auf den Vorplätzen einzuführen, um das „subjektive Sicherheitsempfinden“ der Bürger zu erhöhen.
Für diese Kameratechnik sollte sich Bergedorfs Verwaltung einsetzen – jedoch bleiben wie vor fast neun Jahren bei der letzten Debatte in der Bezirksversammlung die Gegner der Kameratechnik in der Überzahl.
Videoüberwachung am Bergedorfer Bahnhof fällt politisch erneut durch
Warum bildet der Bergedorfer Bahnhof als ein statistisch ausgemachter Kriminalitätsschwerpunkt eigentlich eine Lücke bei der Videoüberwachung? Diese Frage treibt abermals die Bergedorfer CDU um. Sie sieht zweierlei als faktisch belegt an: Zum einen gehört der gesamte Bahnhofsbereich in Bergedorf „kontinuierlich“ zu den Bahnhöfen mit den meisten Polizeieinsätzen im Jahr. Zum anderen wurden im Ortsteil Bergedorf (mit den S-Bahnhaltestellen Bergedorf und Nettelnburg) im vergangenen Jahr 122 Straftaten im Bahnhof, auf dem Bahnsteig und den dazugehörenden Anlagen polizeilich festgehalten.
„Es ist leicht vorstellbar, dass ein Großteil dieser Straftaten im Bereich des Bergedorfer Bahnhofs erfolgte“, schlussfolgert Julian Emrich (Fraktionschef CDU Bergedorf), „hinzu kommen ja noch Straftaten in unmittelbarer Umgebung“. Vor diesem Angst-Szenario erwarte der Bürger Maßnahmen, schlüpft Emrich in die Rolle des Wählers und sagt: „Sicherheit durch Videotechnik ist wichtiger als die Bedenken davor.“
Sind die Kameras am Bergedorfer Bahnhof wirklich echt?
Auch die Hamburger Bundespolizei soll sich befürwortend zur Kamerakontrolle geäußert haben, konkretisiert Julian Emrich. Die Aspekte Sicherheit, Abschreckung von möglichen Straftätern, die Möglichkeit der Beweissicherung und die Identifizierung der Täter seien von den Beamten genannt worden.
Emrichs Parteikollege Bernd Capeletti springt der Fraktionsspitze zur Seite und verweist darauf, dass die schon eingeführte Videoaufzeichnung in S-Bahnen oder Bussen des Öfteren bei Verfolgung von Straftaten geholfen habe. „Wie passt es in den Hamburger Gesamtkontext, wenn der Bergedorfer Bahnhof auf diese Sicherheitsoption verzichtet?“, spricht Capeletti insbesondere SPD und Grüne an, die den Hamburger Senat mit Innensenator Andy Grote (SPD) stellen.
Koalition fragt: Wo ist die Statistik mit Videoüberwachung?
Am Bergedorfer Bahnhof gibt es zwar Kameras an den Bahnsteigen, die den Wartebereich filmen, wie auch in den S-Bahnzügen und in den auf dem ZOB ein- und abfahrenden Bussen. Zudem überwachen zwei weitere Kameras die Aufgänge vom Bahnhof zur S-Bahn. Eine Kameratechnik, die das Gesamtgebäude des Bahnhofs abbildet, ist hingegen nicht vorhanden. Es ginge ihm vornehmlich um „lückenlosen Videoschutz“, bekräftigt Julian Emrich seine Position.
Reichen diese Defizite und auch die statistisch erwiesene Gefahrenlage, um Kritiker zu überzeugen? Er sei gespannt nach der Anmeldung des Themas im Hauptausschuss gewesen, berichtet Heinz Jarchow, der Jurist aus den Reihen der Bergedorfer SPD, ob die Opposition in all den Jahren eine eher nachvollziehbare Argumentation pro Videotechnik formuliert hätte – das sei aber leider nicht der Fall.
Justizexperte bezweifelt Verbesserung des Sicherheitsgefühls
Aus Sicht der Regierungskoalition aus SPD, Grüne und FDP, für die Jarchow spricht, fehlen immer noch harte Fakten, wissenschaftlich nachweisbare Studien, dass eine Videoüberwachung „Kriminalität im oder um den Bahnhof herum bekämpfen oder gar verhindern“ könne. Die Befürworter stützen sich nach Ansicht von Jarchow nur auf Vermutungen und Spekulationen, dass Kameras tatsächlich eine abschreckende Auswirkung auf Kriminelle haben könnten. „Liegt denn auch mal eine Kriminalitätsstatistik unter Berücksichtigung des Einsatzes der Videotechnik vor?“, fragt Jarchow.
Der Video-Skeptiker, der auch auf die Problematik des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte hinweist, schlussfolgert: „Ich bezweifele eine nachhaltige Verbesserung des Sicherheitsgefühls. Wir sollten es bei klassischer Polizeiarbeit belassen.“
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Während sich Bergedorfs Linke durch den Fraktionsvorsitzenden Michael Mirbach ebenfalls klar gegen Kameratechnik ausspricht („Ein subjektives Sicherheitsgefühl verhindert keine Straftaten.“), kann sich die AfD durchaus dafür erwärmen: „Wir sind für jeden Vorschlag zu haben, der die innere Sicherheit erhöht“, sagt deren Fraktionschef Reinhard Krohn, der dem Gegenredner Jarchow vorhält, seine „ablehnende Rede einmal einem Kriminalitätsopfer vorzutragen.“
CDU und AfD scheiterten aber – zum wiederholten Mal – mit ihrem Vorstoß, weil SPD, Grüne und FDP gemeinsam mit der Linken keine Kameraüberwachung wollen.