Hamburg. Zeitweilig war der Weidenbaumsweg bereits gesperrt - ohne gravierende Folgen für den Verkehr. Was die Politiker jetzt diskutieren.

Zwischen Juni und Dezember 2022 wurde der Straßenbelag auf dem Bergedorfer ZOB erneuert. Dafür wurde der Weidenbaumsweg in Höhe des Bahnhofs für den Autoverkehr gesperrt, nur Linienbusse, Taxen und Lieferverkehr kamen durch den beschrankten Bereich hindurch. Was es nun bedeuten könnte, wenn der motorisierte Verkehr aus dem Bergedorfer Bahnhofsvorplatz dauerhaft herausgenommen wird, wird derzeit in der Politik diskutiert.

So wollen die Grünen zur Attraktivitätssteigerung der City gern eine dritte Fußgängerzone einrichten, die sich im Idealfall vom Citykreisel bis zum CCB-Parkhaus erstrecken könnte. Nach Meinung von Frauke Rüssau, Vorsitzende des Verkehrsausschusses aus den Reihen der Grünen, biete das „erhebliche Vorteile für den Fuß- und Radverkehr“. Gefährliche Begegnungen zwischen Autofahrern und schwächeren Verkehrsteilnehmern könnten so vermieden werden. Mindestens mal der Bahnhofsvorplatz sei autofrei gut vorstellbar. Insgesamt eine Idee, die von politischer Seite zwiespältig beäugt wird – auch nach den nun veröffentlichen Verkehrszählungen während der 2022er-Sperrung.

Bahnhofsvorplatz: Sperrung ließ Verkehr in Bergedorf nicht kollabieren

Die Bergedorfer Lokalpolitik hatte die Verwaltung damit beauftragt, „Verdrängungsverkehre“ auf die Umgebung durch die letztjährige Sperrung quantitativ zu erfassen. Das erledigten die Stadtplaner von Argus im vergangenen November und stellten dem Verkehrsausschuss jetzt ihre Resultate für fünf Knotenpunkte vor.

Ergebnis: Das Verkehrssystem in Bergedorf bricht durch so eine zentrale Sperrung nicht zusammen, wie Argus-Referent Lasse Petersen erklärt: „In Hamburg nehmen wir seit dem Jahr 2019 wahr, dass die Verkehrsmengen abnehmen. Das ist auch in Bergedorf der Fall.“ Auf der Achse Sander Damm – Lohbrügger Markt – Am Beckerkamp ging laut Zählung die Anzahl der Pkw innerhalb 24 Stunden um bis 5600 Fahrzeuge im Vergleich zur letzten Zählung im Jahr 2017 zurück, ebenso auf den ausgewerteten Stellen auf der Bergedorfer Straße (7000 bis 7600 Pkw pro Tag).

Stadtplaner: Bergedorfs Straßen können Verlagerungsverkehre aushalten

Hingegen gab es leichte Zunahmen des Verkehrs im Ludwig-Rosenberg-Ring, der Alten Holstenstraße und der Chrysanderstraße um 300 bis 1700 Autos. Daraus erkennt Petersen: „Dies weist auf Verdrängungseffekte hin, die im Zuge der Sperrung des Weidenbaumsweg dazu führen, dass der Bahnhof und die Innenstadt über Alte Holstenstraße und die südliche Chrysanderstraße umfahren werden.“ Jedoch könne insgesamt aufgrund der generell sinkenden Verkehrsmenge im Bergedorfer Straßennetz der Verlagerungsverkehr aus Sicht der Argus „abgewickelt“ werden.

Die Grünen dürften diese Erkenntnisse durchaus als Verstärkung ihrer Idee werten, die auch die Zustimmung ihrer Koalitionspartner FDP und SPD haben dürfte. Petra Petersen-Griem (SPD) meint zwar, dass eine endgültige Festlegung „viel zu früh“ sei, doch die generellen Zielsetzungen will sie nicht aus den Augen verlieren. „Wir wollen ja den Bahnhofsvorplatz attraktiver machen und die Wildparkerei dort weghaben.“

Ein „laufendes System“ im Weidenbaumsweg ohne Not zerstören?

Dieser Wunsch eint alle Fraktionen – doch die Idee, den Weidenbaumsweg in einem Teil verkehrsberuhigt zu gestalten, wird von einigen auch vehement abgelehnt. So sieht es CDU-Verkehrsfachmann Jörg Froh kritisch, dass der Weidenbaumsweg als zentrumsnaher „Durchstich“ dicht gemacht werden soll: „Mit uns wird es eine Sperrung nicht geben. Wir haben im Weidenbaumsweg weder Beschwerdelage noch Verkehrsunfälle.“ Er befürchte, dass eine Sperrung eine generelle Umplanung der gesamten Lohbrügger Verkehrsstruktur erfordere, „ein laufendes System“ ohne Not zerstöre. Auch die Erreichbarkeit von Fahrradstation und der Abfahrtspunkt der Taxen am Bahnhof müsse völlig neu überdacht werden.

Froh betrachtet auch die Verkehrszählung kritisch. Zu bedenken sei, dass vielfach wegen Corona-Angst noch Homeoffice an der Tagesordnung war und somit weniger Leute auf der Straße unterwegs waren. Froh moniert weiter: „Die Zählung wurde erst am Ende der Sperrung durchgeführt, als sich der Umleitungsverkehr schon eingespielt hatte.“

Beschlossen ist noch nichts, weitere Planungen notwendig

Den Blick auf die älteren Menschen hat Karin Rogalski-Beeck. „Im diskutierten Bereich sind sehr viele Ärzte angesiedelt. Wie sollen die Menschen, vor allem die Senioren, dort hinkommen, wenn man die wenigen Parkplätze rund um den Bahnhof noch wegnimmt oder nicht mehr mit dem Taxi mal eben vorfahren und rausspringen kann?“, äußert die Vertreterin des Seniorenbeirats Bedenken.

Linken-Verkehrssprecher Robert Gruber pflichtet bei, weiß von vielen „Fachärzten gerade für Ältere“, die dann von Patienten nur mit viel Mühe erreicht werden könnten. „Es braucht dann schon kreative Ansätze, dass dieser zentrale Punkt für Gehbehinderte erreichbar bleibt“, sagt Gruber. Rogalski-Beeck jedenfalls vertritt eine klare Meinung: „Wir würden uns wünschen, den Weidenbaumsweg nicht zu schließen.“

Wie kann die Debatte weiter gehen? Robert Gruber hat da eine klare Vorstellung. „Diese Stelle ist doch ein Rohdiamant, der jetzt geschliffen werden muss. Lassen Sie uns ein Schmuckstück für alle machen.“ Dies wäre dann aus Grubers Sicht ein gemeinsamer Auftrag für Politik und Verwaltung. Allerdings setzt das auch einen gemeinsamen politischen Willen voraus – und die Bergedorfer Koalition aus SPD, Grünen und FDP wird sich möglicherweise mehrheitlich für die Ausgangsidee der Grünen aussprechen – oder das Thema schlicht vertagen.