Bergedorf. Bergedorfer Oppositionspartei glaubt, einige Menschen könnten ausgeschlossen werden. Was sich der HVV von Prepaid-Karten verspricht.

Gegen die vom Hamburger Verkehrsverbund (HVV) angekündigte Abschaffung des Bezahlens mit Bargeld beim Kauf eines Bustickets regt sich Widerstand aus der Bergedorfer Politik. Die Linke kritisiert dieses Vorhaben massiv. Aus Sicht der Partei werde somit kein Anreiz für den Umstieg auf den Öffentlichen Nahverkehr erzeugt, sondern nur eine „zusätzliche“ Hürde, die bestimmte Gruppen ausschließe.

Seit Oktober 2022 testen 2000 Hamburger die neue Prepaid-Karte, mit der sich HVV-Kunden in allen Bussen sowie auch in S- und U-Bahnen in Zukunft bargeldlos bewegen sollen. Wer dabei sein möchte, muss sich die Prepaid-Karte an einer von etwa 1000 Vertriebsstellen zulegen. Auf diese Karte können Guthaben in Höhe von 5 bis 150 Euro geladen werden. Verkauft wird die aufladbare Karte in den Supermärkten von Rewe und Penny, im Toom-Baumarkt, an Tankstellen, neuen Fahrkartenautomaten sowie in Kiosken. An 1700 Stellen inklusive aller Haltestellen im HVV-Bereich sind die Karten aufladbar.

HVV: Bargeldlos Bus fahren – wo das ab Jahresende 2023 eingeführt wird

Seine jeweilige Fahrstrecke kann der Fahrgast an Lesegeräten in den Bussen auswählen, der Betrag wird von der Karte abgebucht. Prepaid funktioniert dann übrigens auch mit dem Vorhalten an Ticketautomaten an U- und S-Bahn-Stationen.

Angekündigt ist die Einstellung der Bargeldzahlung in allen Bussen für Ende 2023. Zunächst übrigens für die Tarifringe AB, womit neben dem innerstädtischen Bereich auch die Haltepunkte Billwerder-Moorfleet, Bergedorf, Reinbek und Glinde eingeschlossen sind. Beispielsweise Geesthacht und Wohltorf aus dem Hamburger Umland bleiben zunächst außen vor.

Was Links-Politikerin Westberg am Begriff Prepaid stört

Was sich der HVV davon verspricht, ist unnötig lange Standzeiten von Bussen an Stationen zu verhindern, also mehr Pünktlichkeit der Busse zu garantieren. Busfahrer entfliehen so aus der Rolle des Kassenwarts und können die angestrebten 20 Sekunden Standzeit an Haltestellen problemlos einhalten. Außerdem steige die „Aufenthaltsqualität“ bei den Fahrten. Weniger Kontakte bedeuten ferner mehr Sicherheit, Hygiene und Infektionsschutz von Fahrgästen und Personal. Zudem besteht ein weiterer Vorteil darin, dass für die Nutzung kein Internet, PC, Smartphone oder Tablet notwendig ist.

Aber kommen da auch wirklich alle mit? Bergedorfs Links-Partei hat daran Zweifel und stößt in der Bezirksversammlung eine Debatte an. „Angeblich soll diese Planungen zu einer größeren Entlastung aller Busfahrer führen, wenn sie nebenbei nicht noch Geld herausholen und andere Fahrgäste warten müssen“, sagt Linken-Vertreterin Maria Westberg. Sie stört sich massiv am Begriff Prepaid – denn das setze ja voraus, „dass ich Geld im Voraus zahlen muss“, stellt Westberg die soziale Komponente des Modells in Frage.

Bei einem wissenschaftlich nachweisbaren Armutslevel von rund 20 Prozent der Gesellschaft in Armut oder an der Schwelle dorthin seien Vorauszahlungen schwierig. Da helfe eher der konkrete Blick ins Portemonnaie, „ob ich mir die Fahrkarte überhaupt leisten kann“. Insofern bleibe die Bargeldzahlung wichtig für ärmere Menschen, plädiert Maria Westberg dafür, dass sich Bergedorfs Verwaltung aktiv beim HVV dafür einsetzen soll.

Hamburg hinkt beim Thema bargeldloses Bezahlen weit hinterher

Westberg benennt noch eine Gruppe, die durch das ausschließlich bargeldlose Zahlen außen vor bliebe: Sechs Prozent der Deutschen seien offline. Auch von diesem Standpunkt aus betrachtet müsse die „Vielfalt an Bezahlmethoden erhalten“ werden. Grundsätzlich mag Bergedorfs Linke nicht, dass durch die HVV-Idee Menschen ausgeschlossen werden.

Lutz Jobs (parteilos) versuchte noch auf einen anderem Umstand hinzuweisen: „Die Stadt Hamburg ist generell ganz weit weg von bargeldlosem Zahlungsverkehr“, zog der Mann, der für die Links-Partei Mandatsträger in der Bezirksversammlung ist, als Vergleich die Gepflogenheiten zu anderen Ländern und Städten heran. In Schweden etwa gehören E-Tickets zum Normalzustand, weil dort aber auch grundsätzlich kaum mehr Bargeld im Geschäftsverkehr im Umlauf ist. Auch Städte wie Berlin, Mainz, Lissabon oder Wien haben Bargeld aus Bussen verbannt.

Sind zwei Bezahlmethoden auf Dauer rentabel?

Support kommt von der CDU und deren Vertreter Carsten Engelbrecht. Der bemüht zunächst eine Statistik für sämtliche Ticketverkäufe im Bereich des HVV aus dem Jahr 2021, wonach sich bar bezahlte Tickets (inklusive Fahrkartenautomaten) im Vergleich zu digital erworbenen über Smartphone-Apps und dergleichen die Waage halten sollen. Engelbrecht würde ohnehin erst mal abwarten wollen, ob das neue Modell auch auf den Geschmack der Kundschaft trifft: „Wenn Prepaid gut ist und funktioniert, werden sich Barzahlungsmethoden selbst erledigen.“

Andere Parteien sehen allerdings keine Notwendigkeit, an den HVV-Zukunftsideen herumzumäkeln. „Digital ist die bessere Methode“, findet etwa FDP-Mann Karsten Schütt, der ebenfalls denkt: „Attraktiv und kostengünstig kann es auf Dauer doch nicht sein, wenn man zwei Methoden anbietet.“ Der HVV sei dringend in seinen Digitalisierungsbestrebungen zu unterstützen.

Wie der HVV demnächst auf Senioren zugehen wird

Grundsatzkritik am Tenor der Linken übt Heribert Krönker (Grüne). Die Darstellung sei zu sehr schwarz oder weiß: „Was nicht geht, ist zu sagen: Analog und arm ist das eine, digital und vermögend ist das andere. Das ist für mich der falsche Duktus und hat nichts mit Pluralität in unserer Gesellschaft zu tun.“ Die Parteien der Bergedorfer Koalition lehnten mehrheitlich den Antrag der Links-Partei ab.

Der HVV wollte mit der Prepaid-Variante eine niedrigschwelligere Alternative auf dem Weg zur Digitalisierung für die Kunden schaffen, die mit Smartphone-Apps beim Ticketkauf fremdeln. Damit sind insbesondere Senioren angesprochen, die aber nicht beunruhigt sein müssen: Der Verkehrsverbund will diese Gruppe gezielt durch Mobilitätsberatungen informieren und sie dazu animieren, Prepaid auszuprobieren. Fahrkartenautomaten werden übrigens auch nicht abgebaut.