Bergedorf/Reinbek. In der Vierländer Obstmanufaktur wird jetzt tonnenweise Obst gepresst. Wer Früchte bringt, bekommt ein Geschmackserlebnis zurück.
Im Garten von Michael Reuland und seiner Familie im Bergedorfer Villengebiet stapeln sich in diesen Tagen große Obstkisten. Vor allem Äpfel verschiedener Größen und Farben sind darin zu finden, aber auch mal Birnen oder Quitten. In der „Vierländer Obstmanufaktur“ werden die Früchte nun zu naturtrübem Saft gepresst. „Wir sind nun in der Hochphase der Ernte und Verarbeitung“, sagt Michael Reuland, der im wahrsten Sinne des Wortes nun alle Hände voll zu tun hat.
Denn in seiner kleinen Manufaktur ist alles handgemacht: Angefangen vom Pflücken der Früchte. Michael Reuland wird dann häufig zum Obstretter, wenn Baumbesitzer, die die Früchte nicht selber abernten können oder wollen, sich bei ihm melden und zum Ernten einladen. Dann klettert er hinein in die Äste und fängt an zu pflücken: „Beidhändig, damit beide Gehirnhälften trainiert werden“, verrät der 51-Jährige, der den Ausflug in die Baumkronen stets genießt: „Von dort oben hat man einen ganz anderen Blick, es macht den Kopf frei“, sagt der Bergedorfer.
Äpfel werden in der Vierländer Obstmanufaktur zu Saft gepresst
Im heimischen Garten werden die Früchte dann weiter verarbeitet. Dabei wird Michael Reuland tatkräftig von Ehefrau Viola unterstützt, ebenso packt Schwiegermutter Maggi Gottschick gern mit an. In einer großen Wanne voll Wasser werden die Früchte von den beiden Frauen erstmal gründlich gewaschen und begutachtet, ob sie auch wirklich keine Wurmlöcher oder faulen Stellen haben. Danach werden die Früchte erneut in eine Kiste gepackt und die einige Kilo schwere Fracht zur Saftpresse getragen.
Früher, als er noch regelmäßig Anzug und Schlips trug, hätten zu dieser Jahreszeit seine Hemden an Kreuz und Oberarmen schon mal angefangen zu spannen, weil seine Muskeln vom ganzen Tragen ganz schön beansprucht würden, erinnert sich Michael Reuland, der einst als Architekt im gehobenen Management tätig war. Heute arbeitet er nur noch an zwei halben Tagen in der Woche in dem Beruf und kümmert sich sonst voller Passion seiner „Vierländer Obstmanufaktur“, deren Geschichte vor acht Jahren mit 20 Litern Saft von Äpfeln aus dem eigenen Vorgarten ihren Anfang nahm.
Saft ist vakuumverpackt im Karton mindestens ein Jahr haltbar
Mittlerweile hat sich Michael Reuland hinter dem Haus eine kleine Produktionsküche eingerichtet, wo Marmeladen und Kompott gekocht und eben auch Saft gepresst wird. Nachdem die Früchte in den Trichter gefüllt und in einer rotierenden Walze aus Edelstahl fein geschreddert wurden, werden etwa fünf Kilo Maische in Presstücher gewickelt und zwischen sogenannte Pressroste gelegt. Sechs Lagen befinden sich dann übereinander, auf die beim eigentlichen Pressvorgang letztlich ein Druck von 200 bar wirkt.
So quillt Saft heraus, der von einer Auffangwanne aus Edelstahl durch ein Sieb läuft, um grob gefiltert zu werden. Gesammelt in einem Eimer geht es dann zum Erhitzen auf 80 Grad. So wird der Saft haltbar gemacht: Luftdicht verpackt im Drei-Liter-Karton garantiert für ein Jahr, geöffnet, aber ungekühlt halte er etwa einen Monat, erklärt Viola Reuland. Etwa 40 Liter Saft würden pro Pressdurchgang abgefüllt, schätzt Michael Reuland. Übrig bleibt als Pressrückstand, der sogenannte Trester, der als Dünger oder auch Hühnerfutter verwendet werden kann. „Wer Interesse daran hat, kann sich gern melden“, sagt Michael Reuland.
Saft der „Vierländer Obstmanufaktur“ entsteht nicht nur aus einer Sorte
Saft, den Michael Reuland unter seinem Laber frei verkauft, entsteht bei der „Vierländer Obstmanufaktur“ nie aus nur einer Sorte: Entweder wird Apfel mit Rhabarber, Birne oder Quitte gemischt – oder eben verschiedene Apfelsorten. Schon beim Pflücken probiert Michael Reuland die Früchte und überlegt je nach Süße oder Säure, mit welchem anderen Apfel sie gut harmonieren könnten und welche Menge er gebrauchen kann. Der „Kaiser Wilhelm“, der von einem Baum in Kirchwerder stammt, sei ein „hervorragender Saftapfel“, der sich aus seiner Sicht sehr gut für den Apfelpunsch eigne. Dafür sei viel intensiver Geschmack nötig, um neben weihnachtlichen Gewürzen wie Zimt, Kardamom und Piment, zu bestehen, erklärt Michael Reuland.
Der Moment, wenn dann der erste Saft direkt nach der Pressung zum Probieren ins Glas abgefüllt werden kann, ist immer wieder besonders: Bernsteinfarben ist er an diesem Tag, hat einen kräftigen Geschmack mit einer angenehmen Süße und wenig Säure. „Der eignet sich bestens für den Punsch“, ist Michael Reuland zufrieden. Er wird in diesem Jahr auch öffentlich ausgeschenkt: An allen vier Adventssonnabenden wird es ab mittags einen Stand vor der Weinkellerei von Have im Sachsentor geben, wo der Apfelpunsch als alkoholfreie Alternative zum Glühwein probiert werden kann.
Etwa fünf Tonnen Obst werden zu Saft verarbeitet
Michael Reuland schätzt noch bis Ende Oktober, Anfang November mit dem Saftpressen beschäftigt zu sein. Etwa drei Tonnen selbst gepflücktes Obst sowie weitere zwei Tonnen in der Lohnmostung werden in der „Vierländer Obstmanufaktur“ verarbeitet. Dabei können Interessierte ihr Obst, das sie nicht verwerten können, vorbeibringen, um daraus Saft pressen zu lassen. Etwa fünf Kilo Äpfel stecken in einem drei Liter Saftkarton, der 4,20 Euro (inklusive Verarbeitung und Verpackung) kostet. In den nächsten Wochen gibt es durchaus noch die Möglichkeit, Obst vorbeizubringen. Infos und Kontakt gibt es im Internet: www.vierländer-obstmanufaktur.de.
Die Nachfrage nach Lohnmostung habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, weiß Viola Reuland. Kein Wunder, findet ihr Mann, schließlich schmecke der Saft aus dem eigenen Obst immer am besten, ist er überzeugt. Michael Reuland erkennt aber auch einen Effekt der Pandemie, in der viele Menschen plötzlich Zeit hatten, um in ihren Gärten zu arbeiten, Obst zu ernten und ein Teil der Bevölkerung auch mehr Bewusstsein für regionale Erzeugnisse entwickelt habe, meint der 51-Jährige.
Nachfrage nach Lohnmostung hat deutlich zugenommen
Gerade bei großen Mengen biete es sich an, die Äpfel zu versaften, weiß auch Christina Mittmann, die im vergangenen Jahr mit ihrem Mann und Söhnchen Ove in das ehemalige Haus ihrer Großeltern in Reinbek gezogen ist. Einst standen dort zahlreiche Obstbäume im Garten, von denen aber heute nur noch zwei stattliche Apfelbäume geblieben sind. Allein vom „Ontario“ kann ein einziger Apfel bis zu 200 Gramm auf die Waage bringen, weshalb er zu den Schwergewichten der Äpfel zählt. Und auch wenn selbst schon der kleine Ove gern mal in einen rohen Apfel beißt und seine Mutter Christina in diesem Jahr auch Kompott aus Ontario und Boskop kochen möchte, bleibe noch immer eine reiche Ernte, die die dreiköpfige Familie allein nicht verputzen könne
Daher wurden im vergangenen Jahr das erste Mal die Äpfel aus dem heimischen Garten zur Vierländer Obstmanufaktur gebracht. Denn es ist nicht nur die einzige stationäre Lohnmosterei in der näheren Umgebung, sondern bei Michael Reuland ist auch garantiert, dass der Saft, der am Ende in den Saftkartons landet, ausschließlich aus den eigenen Äpfeln stammt. „Im vergangenen Jahr war er richtig süß. Wir sind schon ganz gespannt, wie er in diesem Jahr schmecken wird“, sagt Christina Mittmann. Von den 200 Litern wurde nicht nur der eigene Haushalt, sondern auch die Familie ihrer Schwester und Vater Gerhard Gröbner versorgt, der auch gern beim Pflücken der Äpfel hilft. „Der Saft ist auch ein tolles Mitbringsel, weshalb wir ein paar Kartons auch verschenkt haben“, berichtet die Zahnärztin in Elternzeit.
In Curslack stoppt am 23. Oktober eine mobile Mosterei
Mit seinem „Saftmobile“, einer mobilen Mosterei, ist Ulrich Kubina bis Ende Oktober in und um Hamburg unterwegs. Am Montag, 23. Oktober, bietet er einen Termin in Curslack an: Von 10 bis 15 Uhr ist er auf dem Hof vom Gartenbaubetrieb Ronald Licht am Kurfürstendeich 30 zu finden. Eine Mindestmenge von 50 Kilo Obst sollte es pro Pressung sein. Äpfel, Birnen und Quitten können verpresst werden.
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Der Saft kann sowohl kaltgepresst als auch pasteurisiert (erhitzt) und abgefüllt in einer Bag-in-Box (Beutel in einem Karton) mitgenommen werden. Bei bis zu 100 Liter Saft kostet der 5 Liter Karton 7 Euro (gepresst, pasteurisiert, abgefüllt, mit Karton), bei Mischsäften 8 Euro. Bei größeren Mengen sinkt der Preis pro Karton. Weitere Infos und Kontakt im Internet: www.saft-mobile.de.