Hamburg. Lütau-Juniorchefin, Isabel Velke, erzählt vom Klimawandel, wie das Obst in die Flasche kommt und wie sie aus Äpfeln Orangensaft macht.

Die Klimaerwärmung lässt Äpfel nicht nur früher reif werden, sie macht sie auch süßer. Davon kann die Lütauer Süßmosterei, die im Kreis Herzogtum Lauenburg jährlich mehrere 100.000 Liter Säfte presst, ein Lied singen. „Es wäre gut, die alten Sorten weiter zu kultivieren. Sie enthalten etwas mehr Säure“, sagt Juniorchefin Isabel Velke im Abendblatt-Podcast „Schmeckt’s?“, in dem es aktuell um flüssiges Obst – und Gemüse – geht. Isabel Velke spricht damit gleich einen zweiten Trend an, der aus ihrer Sicht negativ ist.

Früher wurde zwischen Tafelobst und Mostobst unterschieden. „Inzwischen bekommen wir leider fast ausschließlich Tafelobst geliefert, weil es aus dem Handel kommt. So etwas wie Boskop, der sich gut für Saft und zum Backen eignet, wird uns nicht mehr angeboten. Vieles schmeckt nur noch süß. Aber es wird nachgefragt. Wir haben Probleme, Sorten zu bekommen, aus denen sich gute, komplexe, interessante Säfte herstellen lassen. Vielen gängigen Sorten fehlt die Säure. Auch als Haltbarkeitsfaktor ist sie uns sehr wichtig.“

Lütauer Säfte: Norddeutsche Äpfel aus Bioanbau

In Deutschland wird prozentual am meisten Orangensaft gekauft. In Lütau ist der Apfelsaft naturtrüb der Bestseller. Auch klarer Apfelsaft gehört zu den Spitzenreitern ebenso wie Orangensaft und Multivitaminsaft. Das Herz der Saft­hersteller hängt am norddeutschen Apfel. Den bezieht die Mosterei auch aus dem Bioanbau, besonders gern aber aus Hausgärten oder von Streuobstwiesen. „Bio ist ein wachsender Bereich, und wir freuen uns darüber. Unsere Streuobstsäfte sind ebenso ökologisch, nur nicht zertifiziert“, sagt Velke.

„Wer im Garten Apfelbäume hat, wird sie nicht mit Pestiziden behandeln.“ In Norddeutschland gebe es keine großen Bestände an Streuobstwiesen, so wie in Süddeutschland. „Sie sind definitiv politisch förderwürdig.“ Der Anteil des Streuobsts in der Produktion liege bei höchstens zehn Prozent, bedauert Velke. Um mehr Garten- und Streuobst zu bekommen, haben die Lütauer ihren privaten Anlieferern zwei Jahre lang Apfelbäume gesponsert, damit sie sie in ihre Gärten pflanzen.

Lütauer macht auf Äpfeln Orangensaft

Wer sein Obst zur Mosterei bringt, wird in Lütau mit Saft bezahlt. Es ist nicht der Saft aus den eigenen Äpfeln, das lässt der Produktionsprozess nicht zu. Aber dadurch können die privaten Lieferanten aus dem gesamten Sortiment auswählen. „Wir können quasi aus Äpfeln Orangensaft machen“, grinst Velke.

Die Saftzubereitung ist nur zum Teil ein Saisongeschäft. „Wir pressen in Moment noch Rhabarber. Von September bis Dezember dominieren die Äpfel. Aber wir verarbeiten auch jetzt Äpfel. Denn wir bekommen Obst, das im Handel aussortiert wird, eben auch Lageräpfel aus Deutschland. Äpfel, die nicht mehr 100 Prozent in Ordnung sind, die vielleicht eine kleine Stelle haben, können wir noch sehr gut zu Saft verarbeiten – und leisten damit auch einen Beitrag gegen die Lebensmittelverschwendung.“

So kommt der Apfel in die Flasche

Am Tag werden im Lütauer Betrieb, der 17 Mitarbeiter beschäftigt, 40 bis 60 Tonnen Äpfel verarbeitet. „In der Erntezeit schwemmen wir sie aus unserem Silo in den Maischekeller. Dort kommen die gewaschenen Äpfel in eine Mühle und werden zerschlagen. Es entsteht die Maische, die wir auf eine Bandpresse pumpen. Dort wird sie zwischen zwei Tüchern etwa zehn Minuten lang unter steigendem Druck gepresst. Der Saft läuft unten in Wannen, an den Bändern haftet der Trester. Der geht an die Landwirte vor Ort“, erläutert Velke. 1,3 Kilo Äpfel seien nötig, um einen Liter Saft zu produzieren.

Der Saft wird zentrifugiert, um Trubstoffe herauszuholen. Das reduziert später den Bodensatz in der Flasche. Anschließend wird der Saft kurz auf 90 Grad erhitzt, sofort wieder heruntergekühlt, in Tanks eingelagert und nach und nach über das Jahr abgefüllt. Den werbewirksamen Begriff „kaltgepresst“ hält Velke für unsinnig: „Alle Säfte sind kaltgepresst. Die Erwärmung findet später statt.“

Auch Angaben wie „ohne Zuckerzusatz“ seien bei Fruchtsäften unangebracht: „Fruchtsaft besteht zu 100 Prozent aus der Frucht. Bei Bezeichnungen wie „Nektar“ oder „Trunk“ kann dagegen Wasser oder Zucker zugesetzt werden.“ Vor der Corona-Pandemie haben Fruchtschorlen die Hälfte des Umsatzes der Süßmosterei ausgemacht. Mit den Lockdowns in der Gastronomie, die die Lütauer über den Fachhandel beliefern, sei es weniger geworden. „Aber wir freuen uns, dass es jetzt zum Sommer wieder anläuft.“

Schorlen seien ideale Durstlöscher, sagt die Saftproduzentin, warnt aber davor, den reinen Saft gegen Durst zu trinken: „Säfte enthalten recht viel Zucker. Aber sie bringen auch wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine, Mineralstoffe. Zum Teil können durch den Pressvorgang Nährstoffe sogar besser vom Körper aufgenommen werden. Es gibt die Diskussion, ob Saft ein Getränk oder ein Lebensmittel ist. Wir plädieren dafür, dass das, was zu 100 Prozent aus einem Lebensmittel gemacht wurde, ein Lebensmittel bleibt. Und so auch gesehen werden muss. Den Saft mit Wasser zu verdünnen, also eine Schorle daraus zu machen, macht nicht nur geschmacklich, sondern auch ernährungstechnisch Sinn.“