Bergedorf. Für den Bergedorfer Christian Sauer ist das Gehen eine Passion. Auch und gerade wenn‘s draußen nass ist. Das sind seine Tipps
Wenn er aus seinem Bürofenster guckt, schaut er auf die Bergedorfer Mühle – wohl sehr inspirierend, um an das Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ zu denken. Jedenfalls geht Christian Sauer immer, wenn er sich am Computer nicht mehr konzentrieren kann, vor die Tür. Und zwar bei jedem Wetter. Das Gehen (er nennt es nicht Spazieren) ist ihm so eine Art Berufung geworden. Oder Leidenschaft. Jedenfalls ist es Hobby genug, um darüber sogar Bücher zu schreiben.
„Draußen gehen. Inspiration und Gelassenheit im Dialog mit der Natur“, stand auf dem ersten Titel. Das zweite Buch heißt nun „Regen. Eine Liebeserklärung an das Wetter, wie es ist.“ Aus diesen immerhin 153 Seiten will er vortragen bei seiner Lesung am Sonntag, 8. Oktober, im Kulturhaus SerrahnEins – egal, wie hoch die Regenwahrscheinlichkeit an diesem Tag prognostiziert wird. Dazu bringt der Reinbeker Musiker Wolfgang Buck seine Country-Gitarre mit.
Bergedorfer liest aus seiner Liebeserklärung an das Wetter
Ob es die Abruzzen sind oder das Mittelgebirge, Südtirol, die Lüneburger Heide oder der nordhessische Edersee – der 60-Jährige liebt jede artenreiche Landschaft mit Schotterwegen, die ein wenig Relief bietet, ein bisschen Laubwald, alte Buchen und zur Abwechslung mal ein Rapsfeld. „Das erfreut die Seele, man muss bloß ein bis zwei Stunden weitergehen und kann jeden Stress hinter sich lassen“, so der Wahl-Bergedorfer, der den Reinbeker Sachsenwald indes langweilig findet, wegen seiner „langweiligen, schnurgeraden Forstwege“.
Manchmal bloß 30 Minuten, oft aber auch 25 Kilometer schafft er am Tag, ohne Schrittzähler. Mal mit Freunden, gern aber auch „wunderbar einsam“ als meditativer Einzelgänger, der halt jedes Wetter genießt und den Niederschlag schätzt: „Regen schwingt, glänzt, fließt und gluckst. Er bringt Landschaften zum Schillern und Leuchten“, meint der Mann, der oft an die Auswirkungen des Klimawandels denkt: „Wir sollten den Regen viel mehr wertschätzen, ihm nicht ausweichen. Jeder Tropfen erzählt vom Geheimnis des Lebens.“
Und darüber lässt sich ein Buch schreiben? Ja, befand der Historiker und Journalist, der heute als selbständiger Coach für Chefredakteure und Geschäftsführer unterwegs ist, ihnen die Führung von Teams näherbringen will – gern auch mal auf Waldwegen oder Bergpfaden.
Regengespräche mit dem Postboten
„Kapuze auf und raus!“, heißt es es im Kapitel über Gummistiefel-Wetter. Weiter lässt sich über romantische Filmküsse bei Regen lesen (Erinnerung an Hugh Grant und Andie MacDowell) und über Regenmusik (die „grauen Wolken“ von Franz Liszt oder Chopins „Regentropfen-Prélude“). Andere Kapitel widmen sich den Regengesprächen (etwa mit dem Postboten) und der Regenkunde: Hier nieselt es, sprüht, platzt, stürzt das Wasser, werden Schirm und Regenanzug bei Bindfädenregen empfohlen.
Dass Regen sogar über Wahlen entscheiden kann, hätten Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung herausgefunden: Es zeige sich, dass die linksliberale SPD von einer höheren Wahlbeteiligung profitiere. „Entsprechend nützt Regen der konservativen CDU“, schreibt Christian Sauer.
Von „Depri- oder Scheißwetter“ hält er jedenfalls nichts. Anders als Ferdinand von Schirach, der seinen neuesten Roman „Regen. Eine Liebeserklärung“ nannte und einen Menschen beschreibt, der sich in Depressionen und Trauer verfängt.
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Für Christian Sauer indes gibt es kein schlechtes Wetter: „Ich entdecke Farben, Gerüche und Gefühle“, schreibt er. Das Thema scheint ihm unerschöpflich, das flotte Gehen (langsamer als Wandern) sei wunderbar entspannend, so er nicht frieren müsse und sich anschließend auf einen warmen Kakao freuen könne. Wer ihm zuhören und Lieder mitsingen will, kommt also am 8. Oktober um 17 Uhr an die Serrahnstraße 1, bezahlt 15 Eintritt und kann natürlich auch ein Buch für 32 Euro kaufen.
Tipps für die fünf schönsten Gehwege in und um Bergedorf:
- Bergedorfer Gehölz: Vom Bergedorfer Schloss durch den Schlosspark zum Reinbeker Weg. Hinter dem Luisengymnasium durchs Gehölz, am Talboden links halten bis über die Pionierbrücke, durch den Stiftungswald, unter der Bahnlinie durch und zurück zur Bille, die zurück zum Bergedorfer Schillerufer führt. Gehzeit etwa zwei Stunden. Unbedingt auf die gute Regenluft im Wald achten und auf Tropfenmuster auf der Bille.
- Reitbrook: Von der Allermöher Kirche über Vorderdeich und Reitdeich zur Dove-Elbe (Regattastrecke). Immer am Ufer entlang bis zum Reitdeich-Steg, dort geradeaus dem Reitdeich folgen bis zum Reitbrooker Westerdeich – und zurück zur Kirche. Gehzeit, ca. 1:25 Stunden. Auf die dampfenden Uferauen an der Gose-Elbe achten!
- Schorrhöhe: Von der Ecke Hermann-Löns-Weg/An der Sternwarte dem Weg Schorrhöhe in Richtung Börnsen folgen – mit einigen Abzweigungen bis zum Waldkindergarten Börnsen. Dann durchs Wohngebiet zum Neuen Weg, dort links Richtung Bergedorfer Friedhof gehen. Über den Friedhof zurück zum Ausgangspunkt. Gehzeit etwa 1,5 Stunden. Tolle Aussicht auf die heranziehenden Schauerwolken über Curslack.
- Wentorfer Lohe: Eine Runde durch die Lohe, Start- und Zielpunkt: Parkplatz Panzerwaschanlage, Richtung egal. Etwa eine Stunde Gehzeit bei hinreißenden Herbstfarben im Laubwald, die im Regen noch schöner glänzen.
- Billtal: Vom S-Bahnhof Aumühle über die Schönningstedter Straße zur Bille gehen, direkt nach der Straßenbrücke links einbiegen und den schmalen Wegen am Flussufer folgen bis in die Nähe des S-Bahnhofs Wohltorf. Weiter entlang der Hauptstraße Richtung Reinbek. Am Ortsrand in die Straße An der Wolfsschlucht einbiegen und wieder dem Billtal bis zum S-Bahnhof Reinbek folgen. Von dort über die Obere Bahnstraße und die Reinhardstraße nach Bergedorf. Gehzeit etwa 2,5 Stunden. Es lohnt sich, bei Regen die Strömungslinien auf dem Fluss zu beobachten.