Hamburg. Der Bergedorfer Formel-3-Pilot Tim Tramnitz krachte in die Streckenbegrenzung und überlebte. Ein Niederländer hatte nicht so viel Glück
Der Bergedorfer Formel-3-Pilot Tim Tramnitz schwimmt auf einer Erfolgswelle. In der Formula Regional European Championship by Alpine, kurz: FRECA, schaffte es der 18-Jährige in zehn Rennen bereits fünf Mal auf das Podium. Zwei Siegen in Barcelona und zwei zweiten Plätzen in Spa-Francorchamps (Belgien) ließ er nun in Mugello (Italien) einen dritten Platz folgen. In der Fahrer-Gesamtwertung liegt Tramnitz damit zur Hälfte der Saison auf Rang drei unter 35 Piloten.
Und doch ist das Sportliche in diesen Tagen kaum mehr als eine Randnotiz, denn die Rennserie wird von einem tragischen Unfall überschattet. Auf der „Dünen-Achterbahn“ in Spa-Francorchamps geriet der 18-jährige Niederländer Dilano van’t Hoff auf regennasser Strecke ins Schleudern und starb, als der Wagen eines von hinten kommenden Konkurrenten ungebremst auf sein Auto prallte.
Tim Tramnitz: Sekundenbruchteile entscheiden über Leben und Tod
Eine Chance zu reagieren hatte der Fahrer nicht, denn die Unfallstelle liegt hinter einer Kurve, und die Wasserschwaden in der Luft nahmen den Piloten fast jede Sicht. Es war bereits die Schlussrunde des Rennens. „Der Unfall passierte ungefähr 100 Meter vor mir“, schilderte Tramnitz, der zu diesem Zeitpunkt mit seinem Fahrzeug in einer Ausbuchtung am Streckenrand stand, nachdem er Sekundenbruchteile zuvor selbst einen bösen Unfall erlitten hatte.
„Ich war in der Eau Rouge [einer Kurve in einer Senke, die Red.] außen aufs Nasse gekommen und dann links in die Streckenbegrenzung eingeschlagen“, schilderte Tramnitz. „Der Wagen war total zerstört und prallte zurück auf die Strecke. Doch zu meinem großen Glück war die vordere Radaufhängung noch intakt. So konnte ich es wieder von der Strecke herunter schaffen.“ Sekundenbruchteile, die über Leben und Tod entschieden.
Plötzlich stand der Wagen des Niederländers van’t Hoff quer auf der Strecke
In dem Pulk der vorbeirasenden Fahrzeuge gerieten nun andere Autos ins Schleudern, darunter auch der Wagen des Niederländers, der plötzlich quer zur Fahrtrichtung auf der Strecke stand. Van’t Hoff hatte nicht das Glück des Bergedorfers, es rechtzeitig an den Rand zu schaffen. Während der erste ankommende Konkurrent noch ausweichen konnte, raste der zweite ungebremst in ihn hinein.
„Ich bin später an dem Unfallauto vorbeigefahren“, schildert Tramnitz. „Das sah wirklich schlimm aus. Ich kam dann ins Medical Center, weil ich nach dem Einschlag starke Nackenschmerzen hatte. Erst dort habe ich dann später erfahren, dass er es nicht überlebt hat. Da waren wir natürlich alle geschockt.“
„Wieder in einen Rennwagen steigen zu müssen, war hart“
Das Rennen wurde später so gewertet, wie es eingangs der Schlussrunde gestanden hatte. So kam Tramnitz trotz des Unfalls zu seinem zweiten Platz. „Aber die Tage nach Spa-Francorchamps waren natürlich sehr schwer“, betont der Bergedorfer, der sich wie seine Konkurrenten auf die hohen Sicherheitsstandards in seinem Sport verlässt.
„Plötzlich feststellen zu müssen, dass solche Unfälle trotzdem noch immer passieren können und dann vier Tage später in Mugello wieder in einen Rennwagen steigen zu müssen, war hart“, gibt er zu. „Aber wir gehen in solchen Rennen alle ans Limit. Er hat seinen Traum verfolgt und das gemacht, was er liebt. Im Endeffekt ist es das, was wir alle wollen und was wir bereit sind, für den Sport zu riskieren.“
Keine Zeit zum Atemholen: Von Belgien über Italien und die Schweiz nach Frankreich
Von Italien aus ging es für Tim Tramnitz („Ich war schon seit sechs Wochen nicht mehr zu Hause“) über die Schweiz nach Frankreich, wo er sich nun auf die kommenden Rennen am 22. und 23. Juli auf dem Circuit Paul Ricard in Le Castellet vorbereitet. Eine Strecke, die dem Bergedorfer ganz besonders liegt. Hier hat er schon in seiner Formel-4-Zeit Rennen gewonnen.
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Doch schon sein augenblicklicher dritter Platz in der Gesamtwertung hinter dem Norweger Martinius Stenshorne und dem italienischen Supertalent Andrea Kimi Antonelli aus dem Mercedes-Nachwuchsteam hat für Interesse in den höheren Rennklassen wie der Formel 2 gesorgt. „Es gibt sogar sehr viel Interesse, sogar von Top-Teams“, verrät Tramnitz. „Doch letztlich ist das auch immer eine Frage der Finanzierung. Wir brauchen auf jeden Fall Unterstützung. Mal sehen, was passiert.“
Nun gastiert die Formel 1 auf dem Unglückskurs von Spa-Francorchamps
Der Niederländer Dilano van’t Hoff ist mittlerweile in der Nähe von Rotterdam beerdigt worden. Sein Tod hat hohe Wellen in der Rennsport-Szene geschlagen, bis hinauf in die Formel 1. Denn die wird vom 28. bis 30. Juli in Spa-Francorchamps zu Gast sein. Ausgangs der tückischen Raidillon-Kurve, wo der Unfall geschah, war 2019 in der Formel 2 bereits der 22-jährige Franzose Anthoine Hubert auf ganz ähnliche Weise tödlich verunglückt.
„Das ist eine blinde Kurve“, beklagte der kanadische Aston-Martin-Pilot Lance Stroll gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Wenn du in die Barriere krachst, zurück auf die Strecke schlitterst, und dann kommt jemand und trifft dich mit Tempo 300: Dann war’s das. Dann bist du erledigt.“
„Es ist einfach, den Unfall der Strecke zuzuschreiben“, hielt Max Verstappen dagegen. Der belgische Weltmeister kritisierte in der FAZ, dass das Rennen nach einer Safety-Car-Phase überhaupt noch einmal freigegeben worden war: „Man weiß doch, dass man bei einem Neustart mit so viel Wasser und Gischt überhaupt nichts sieht.“