Bergedorf. Das 18-jährige Motorsport-Talent aus Bergedorf übernimmt damit die Spitze der Gesamtwertung. Was das für seine Zukunft bedeutet.
Eingerahmt von zwei Hauptverkehrsstraßen, der E15 nach Montpellier und der C17 nach Andorra, liegt der Circuit de Catalunya im Norden von Barcelona. Der Geruch von Benzin ist hier an der Rennstrecke allgegenwärtig, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt wie die Sagrada Familia oder der Olympiaberg Montjuic sind hingegen noch über 20 Kilometer weit entfernt. In zwei Wochen wird die Formel 1 auf dem 4,6 Kilometer langen Rundkurs zu Gast sein, auf dem der siebenmalige Weltmeister Michael Schumacher einst seinen Ruf als „Regengott“ zementierte, als er hier 1996 bei strömendem Regen seinen allerersten Sieg für Ferrari feierte.
Gewissermaßen als Generalprobe für die Veranstalter war nun die Formel 3 zu Gast in der katalonischen Metropole, genauer gesagt die Formula Regional European Championship by Alpine, kurz: FRECA, eine von verschiedenen Formel-3-Rennserien. Wer hier fährt, will sich für die großen Rennställe empfehlen so wie der FRECA-Vorjahres-Gesamtsieger Dino Beganovic, ein Schwede mit bosnischen Wurzeln, der mittlerweile für die Ferrari Driver Academy fährt, den Nachwuchsstall der berühmten „Roten“ aus Maranello. Seit Anfang 2022 ist der Bergedorfer Tim Tramnitz der einzige deutsche Pilot in der FRECA, aufs Podium hatte er es gegen die Konkurrenz aus aller Welt noch nie geschafft. Bis jetzt.
Nach dem Ausfall in Imola stand Tim Tramnitz unter Erfolgsdruck
Denn was sich nun in Barcelona ereignete, kommt einem Erdrutsch gleich und könnte der Fahrerkarriere des 18-Jährigen einen gewaltigen Schub verleihen. Tramnitz gewann für das französische Team R-ACE GP beide Rennen in Barcelona und übernahm damit auch die Führung in der Gesamtwertung. „Das ist so unglaublich. Ich kann es noch gar nicht ganz fassen.“, freute sich der Förderpilot der ADAC-Stiftung Sport. „Wir haben das ganze Wochenende sehr hart und konzentriert gearbeitet und für mich persönlich war das hier jetzt, insbesondere nach dem unglücklichen Ausscheiden in Imola, extrem wichtig.“
Zum Saisonstart in Imola hatte Tramnitz einen sechsten Platz belegt und war im zweiten Rennen ausgefallen. Doch nur wenn er um den Sieg in der Gesamtwertung mitfährt, wird es sich für den Bergedorfer gelohnt haben, nach dem unglücklichen ersten FRECA-Jahr (Platz 15) ein zweites dranzuhängen. Denn die Gesetze des Rennsports sind unerbittlich: Nur wer ganz vorne fährt, fällt auf. Doch dieses Jahr scheint der Bergedorfer bedeutend besser aufgestellt zu sein. Zum einen ist das R-ACE-GP-Team, das jetzt auch die Konstrukteurswertung anführt, bedeutend stärker als das italienische Trident-Team, für das Tramnitz in der vergangenen Saison unterwegs war. Zum anderen verfügt er natürlich über die Erfahrungen aus der vergangenen Saison, kennt die Rennserie in- und auswendig. In der FRECA sind die Motoren von Renault-Alpine identisch und auf 272 PS limitiert, zudem fahren sämtliche Teams die gleichen Pirelli-Reifen, sodass es vor allem auf das Können der Fahrer ankommt.
„Mega“ Start, tolles Rennen, unangefochtener Sieg
Gänzlich unerwartet kam der Erfolg von Barcelona ohnehin nicht. Denn schon bei den Pre-Season-Tests im März in Barcelona hatte Tim Tramnitz die schnellste Zeit hingelegt. So war es keine Überraschung, dass er nun auch in den Rennen ganz vorn dabei war. Von Startplatz zwei aus sicherte sich im ersten Rennen schon nach wenigen Metern die Führung und gab sie nicht wieder ab, obwohl das Rennen zwischenzeitlich einmal unterbrochen und neu gestartet werden musste. „Der Start war mega, und ich konnte meinen ärgsten Konkurrenten, den Italiener Andrea Antonelli, danach gut auf Distanz halten“, analysierte der Bergedorfer. „Diese Sieg bedeutet mir unheimlich viel.“ Im zweiten Rennen fuhr Tramnitz dann von der Pole Position aus unangefochten zum Start-Ziel-Sieg.
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25 Punkte gibt es für einen solchen Erfolg. Mit nun insgesamt 58 Zählern hat Tramnitz nach vier von 20 Rennen die Führung in der Gesamtwertung übernommen, hauchdünn vor Antonelli (54) und dem Niederländer Kas Haverkost (50). Die nächste Station ist am 18. Juni der Hungaroring in Ungarn. Wie der Kurs in Barcelona ist auch der Hungaroring eine eigentlich für Motorräder gedachte Strecke mit vielen schwierigen Kurven und wenig Überholmöglichkeiten. Im Gegensatz zu Hochgeschwindigkeitsstrecken wie Monza oder dem Hockenheimring, die im weiteren Saisonverlauf ebenfalls noch folgen, ist hier vor allem präzises Fahren statt Tempobolzerei gefragt. Das scheint Tramnitz zu liegen: In der vergangenen Saison fuhr er auf dem Hungaroring mit einem vierten Platz sein bestes Saisonergebnis ein. „Ich werde alles geben, um dort an die Ergebnisse von Barcelona anzuknüpfen“, versprach der Bergedorfer, der nun erst so richtig in der Formel 3 angekommen zu sein scheint.
Selbst für die Besten ist der Weg in die Formel 1 noch sehr weit
Es wie einst Michael Schumacher irgendwann in die Formel 1 zu schaffen, ist für Tramnitz trotzdem noch ein sehr weiter Weg. Schon der Sprung in die Formel 2, wo die Fahrzeuge mit über 600 PS ganz andere Kaliber sind, wäre gewaltig. Und nur die Besten dort dürfen darauf hoffen, dann irgendwann, vielleicht über ein Engagement als Testfahrer, in die Formel 1 zu rutschen.