Bergedorf. Leerstehende Lauben im Bergedorfer Grabeland sollen dem Innovationspark weichen. Doch Bauarbeiter sind nicht in Sicht. Was ist da los?
Wer durch die Kleingartenanlage am Neuen Weg läuft, der kommt sich vor wie in einer Kulisse der US-Serie „The Walking Dead“ über eine Zombie-Apokalypse und Überlebende auf der Flucht. In dem Bergedorfer Grabeland haben die Pächter der Parzellen ebenfalls das Weite suchen müssen, allerdings um dem geplanten Innovationspark Platz zu machen, in dem auch die neue Fabrik der Hauni (jetzt Körber Technologies) entstehen soll.
Doch obwohl die Abrissarbeiten im Januar gestartet sind, ist das Gebiet gruseliger denn je: Noch immer stehen etliche halb verwitterte Gartenhäuser herum und erzeugen eine schaurige Atmosphäre. Teile der Holzfassaden wurden herausgerissen, Fenster eingeschlagen, Dächer vom Gerüst geweht. Auf den zugewucherten Vorgärten liegen Gegenstände, die die Besitzer nicht mehr mitnahmen – Schuhe, Musikboxen, Sessel oder ganze Sofas.
Kleingärten Bergedorf: Im Grabeland herrscht noch immer Gruselstimmung
Ein halbes Jahr nach Beginn der Räumung scheinen die Abrissarbeiten in dem Gebiet zu stocken. Denn Bauarbeiter sind weit und breit nicht zu sehen. Stattdessen umgeworfene Bauzäune. Was ist da los? Schließlich drängt die Zeit: Die Hauni möchte hier schon 2024 mit Erschließungsarbeiten beginnen. Das gesamte Areal im Dreieck Curslacker Neuer Deich/A25/Neuer Weg soll ein Zentrum für Forschung und Gewerbe werden, aber auch Grünflächen, Sportanlagen und Gastronomie für alle Bergedorfer bieten.
Doch die zuständige Hamburg Invest beteuert: Alles läuft nach Plan. Das Unternehmen habe die Räumung der Parzellen auf dem zukünftigen Körber-Areal bereits abgeschlossen, teilt Sprecherin Ingrid Meyer-Bosse auf Anfrage mit. Die übrigen Lauben, die sich „auf einem darüber hinausgehenden Areal“ befinden, sollen bis Ende 2023 entfernt werden. Und: „Unser zuständiger Dienstleister ist darüber informiert und befindet sich bereits in der Umsetzung, den Bauzaun wieder ordnungsgemäß aufzustellen“, sagt sie.
Bald soll es also weitergehen mit dem Abriss auf dem Areal. Doch bis dahin sollte das Gebiet wohl besser gemieden werden: Es ist zu erkennen, dass sich hier noch immer ungebetene Gäste herumtreiben. Auf dem Gehweg schimmern Scherben von Glasflaschen, Zäune sind zum Durchgehen niedergerissen worden, an einigen Parzellen prangen Graffiti. Vor allem in den Wochen nach der Räumung habe hier echte Goldgräberstimmung geherrscht, erzählten einstige Grabeländer. Nachts sollen dunkle Gestalten durch die Anlage gestreift sein, um nach wertvollen Überbleibseln zu suchen.
Gartenkolonie: Brandstiftung und illegale Lauben
In der Gegend hat es in den vergangenen Jahren außerdem immer wieder gebrannt. Zuletzt musste die Feuerwehr in der Nacht zum 16. April anrücken, um einen Laubenbrand zu löschen. Eine etwa fünf mal zehn Meter große Laube brannte damals vollständig nieder. Seit 2020 soll es in dem Areal zu mehr als 20 Fällen von Brandstiftung gekommen sein. Auch dadurch hat das Gebiet, das den inoffiziellen Namen „Schwarzer Weg“ trägt, seit Längerem den Ruf als unheimlichste Kleingartenkolonie im Bezirk inne.
Das Areal geriet aber auch anderweitig in die Schlagzeilen. Im September 2022 etwa wurde von 30 Polizeikräften eine Razzia durchgeführt, da es für rund ein Viertel der – ohnehin nur geduldeten – Lauben gar keine Mietverträge gab und als Unterschlupf für dunkle Gestalten diente. Der Einsatz diente außerdem dazu, mögliche Schlupflöcher für die Drogen- oder Alkoholszene ausfindig zu machen.
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Das alles soll bald vorbei sein: „Das Bebauungsplanverfahren ist derzeit im Gange“, sagt Sprecherin Ingrid Meyer-Bosse. „Wir sind zuversichtlich, dass die Vorweggenehmigungsreife zeitplangemäß Ende 2023 erlangt wird.“ Längeres Bleiberecht als die Grabeländer haben übrigens die Kleingärtner am Curslacker Neuen Deich bei der Autobahn: Sie können erst gekündigt werden, wenn der B-Plan für Ersatzflächen steht.