Bergedorf. Bunte Lichtkunstwerke, Flohmärkte und mehr. Neue Stadtmanagerinnen haben in Workshops Anregungen gesammelt und daraus Ideen entwickelt.
Bergedorf an einem trüben Herbstabend im November 2025: Obwohl kalter Regen fällt, ist die Innenstadt nicht öde und leer. Im Gegenteil, Hunderte Menschen strömen in die Fußgängerzonen, um hier die bunten Lichtkunstwerke zu sehen, mit denen Videokünstler die alten Bergedorfer und Lohbrügger Gebäude ganz neu in Szene setzen. Überall im Sachsentor und in der Alten Holstenstraße funkelt und leuchtet es.
Eine Utopie, noch. Doch geht es nach Bergedorfs neuen Citymanagerinnen sind es Ideen wie diese, die Bergedorfs Wandel von einer reinen Einkaufsstadt hin zu einer „City für alle“ erreichen können. Im März haben die beiden Citymanagerinnen den Dienst aufgenommen, um über das von der Bezirkspolitik initiierte und mit Bundesfördermitteln finanzierte Projekt „Bergedorf now“ den Wandel in der hiesigen Innenstadt voranzutreiben. Nun präsentierten sie erste Ideen, entstanden in etlichen Workshops mit Akteuren aus Handel, Politik oder Kultur.
Bergedorf: Die City will sich mit Licht, Sport und Flohmarkt neu erfinden
Vielfältige Krisen wie Pandemien, Internetkonkurrenz oder Inflation erfordern in allen Innenstädten ein Umdenken, nicht nur in Bergedorf. Der stationäre Handel allein wird die Städte der Zukunft nicht mehr prägen, meinen die Expertinnen. Doch: „Bergedorf hat beste Voraussetzungen, diese Transformation zu schaffen“, ist Julia Staron („Stadtmanufaktur“) überzeugt. Sie hat gemeinsam mit Tanja Tribian (Immobilienfachwirtin der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft) die Aufgabe des Citymanagements übernommen, darf für einige Projekte wohl auch auf Rise-Mittel hoffen.
Im Kern gehe es darum, eine neue „Wahrnehmung“ der Stadt zu schaffen und leere Zeiten zu füllen, sagte Julia Staron jetzt im Wirtschaftsausschuss. Beispielsweise abends: „Es ist ja schon auffällig, dass Bergedorf ab 18/19 Uhr sehr, sehr ruhig wird“, stellte die Citymanagerin fest. Wie wäre es also mit einem Abendflohmarkt? Ein Markt, der sich wie ein Band „ganz langgestreckt“ von Bergedorf bis nach Lohbrügge zieht. Mit Themeninseln und Tauschbörsen mittendrin. Der Flohmarkt könnte unter dem Motto Nachhaltigkeit stehen – hochaktuell in Zeiten der Klimakrise.
Auch Sport soll in die Innenstadt geholt werden – ein Thema, das vor allem junge Menschen begeistert. Aber auch Ältere und Kinder sollen sich von einem Parcours angesprochen fühlen, der von Bergedorf bis nach Lohbrügge führen könnte, „mit unterschiedlichen Stufen und Levels“, so Julia Staron. Auf dem Parcours-Pfad könnte es auch noch die Möglichkeit geben, etwas über Bergedorf zu lernen, etwa beim Kultur- und Geschichtskontor. Oder es wird ein- oder zweimal im Jahr eine Parcours-Meisterschaft in Bergedorf ausgerufen. Das Projekt sei mobil, könne wachsen und sich weiterentwickeln, meinte die Expertin – die aber auch weiß, dass das womöglich „etwas mehr Geld“ kostet.
Für die dunkle Jahreszeit zwischen November und Januar könnten sich Ideen wie die Lichtspielwochen eignen. Videokünstler würden Bergedorfs „wunderschöne Ecken“ in den Fokus rücken und dabei auch die inzwischen arg in die Jahre gekommenen Installationen im Tunnel nach Lohbrügge einbinden. Weiterer positiver Effekt: Die „Bergedorfer Lichtspielwochen“ könnten namhafte Videokünstler in den Bezirk locken und Bergedorf zumindest zeitweise zu einem „Hotspot der Szene“ machen.
Die Zeit drängt, Mitte 2025 läuft Bergedorf now wieder aus
Zunächst sind all das aber nur Ideen. Bezirk und Stadt müssten die Projekte noch konkretisieren. „Unser Job wäre es dann, für Genehmigung und Finanzierung zur Verwaltung zu rennen“, erklärte Julia Staron. Nicht die einzige Aufgabe der beiden Citymanagerinnen: Weitere Workshops stehen an, bereits entstandene Konzepte der Vorjahre müssen verbunden werden. Zudem müssen neu entwickelte Ideen so etabliert werden, dass sie keine Eintagsfliegen bleiben. Denn Mitte 2025 läuft Bergedorf now wieder aus.
Ein erstes Projekt ist bereits geschafft: Das künftige Künstler- und Handwerkerhaus soll nach den Sommerferien im einstigen „Only“-Store im Sachsentor 23/Bergedorfer Markt eröffnen. Hier soll die Vielfalt der Bergedorfer Gewerke gezeigt werden. Doch der Ort ist auch Treff- und Anlaufpunkt. Mit Steffen Hertel wurde ein Mitarbeiter gefunden, der dort erster Ansprechpartner und Bindeglied zum Citymanagement ist.
Das Künstler- und Handwerkerhaus soll „Plietsch“ heißen
Auch ein Name für den Treffpunkt ist inzwischen gefunden: „Plietsch“ soll der Ort heißen, eine Abkürzung für „produktiv, lebendig, innovativ, eigen, traditionell, smart, charmant und herzlich“, wie die Managerinnen erklärten. Als „freundlicher, norddeutscher“ Name habe „Plietsch“ bei allen Beteiligten Gefallen gefunden, sagte Julia Staron.
Im „Plietsch“ sind schon bald auch wieder die Bergedorfer gefragt: Am Sonnabend, 24. Juni, ist von 11 bis 14 Uhr ein Stadtlabor geplant. Thema: „Wie soll unser Bergedorf von morgen aussehen?“ Jeder, der mag, kann vorbeikommen und seine Ideen vortragen. Die Teilnahme der Bergedorfer sei von „unschätzbarem Wert für die Gestaltung eines lebenswerten Bergedorfs“, betont Tanja Tribian.
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Gedankenverbote soll es zunächst nicht geben, stellte Baudezernent Lars Rosinski auch im Wirtschaftsausschuss fest. Dort vorgetragene Bedenken, dass manche Bergedorfer mit allzu modernen Ideen vielleicht „fremdeln“ könnten, konterte er: „Es geht auch ums Ausprobieren. Wir dürfen auch Fehler machen.“ Wichtig sei es für Bergedorf, „sichtbar zu werden“.