Bergedorf. Zum Jubiläum lädt die Institution zu einer Feier ein. Warum die gemeinnützige Arbeit in Bergedorf so erfolgreich ist.
In der Küche des Gemeindehauses an der Kirche St. Christophorus stapeln sich Tüten mit Vierländer Erdbeertorte. Die Tafel Bergedorf bekam die Backwaren spontan gespendet. Ansonsten wären sie weggeworfen worden. Nun gehen die süßen Leckereien an Bedürftige. „Das zeigt die Sinnhaftigkeit unserer Aufgabe“, sagt Susanne Diem, Leiterin der Ausgabestelle an der Riehlstraße.
Acht Ehrenamtliche packen an diesem Montag an, um die verschiedenen Lebensmittel unter die etwa 100 Wartenden zu bringen. „Muss es wieder so viel sein?“, sagt eine Helferin beim Tragen der Kisten. „Ja, muss es“, entgegnet eine andere. „Die Leute sollen sich gesund ernähren und nicht nur Kuchen essen.“
Tafel Bergedorf lädt zum 25. Jubiläum ein
Es ist ein Satz, der beispielhaft für die Hingabe steht, die die Bergedorfer Tafel zugunsten bedürftiger Menschen verkörpert – und durch die sich die gemeinnützige Institution im Bezirk einen festen Namen gemacht hat. Am Sonnabend, 24. Juni, feiert die Tafel ihren 25. Geburtstag und blickt damit auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück.
Anlässlich des Jubiläums lädt das Team von 11 bis 16 Uhr zu – wie sollte es anders sein – einer langen Tafel vor der Kirche St. Petri und Pauli ein. An der rund 20 Meter langen Tischreihe kann jeder Platz nehmen, der Lust hat. Vor Ort gibt es warme Suppe, Obst und alkoholfreie Getränke. Der Chor Schall und Rauch sowie das Duo Mike und Wolle sorgen zudem für musikalische Unterhaltung.
Tafel bittet darum, haltbare Lebensmittel zu spenden
„Wir wollen mit dieser Veranstaltung auf unsere Arbeit aufmerksam machen und zugleich einen Dank an alle Beteiligten aussprechen“, sagt Peter Kuczora, Vorsitzender der Tafel Bergedorf. Am Sonnabend sammelt die Tafel außerdem haltbare Lebensmittel. Für jede Spende gibt es als Dank eine Rose.
„Wir sind seit 25 Jahren ein sehr eingespieltes Team. Es ist ein Ehrenamt. Da ist Zusammenhalt und Engagement ungemein wichtig“, erzählt Kuczora. Der 68-Jährige sitzt in seinem Büro am Ladenbeker Furtweg 37. An der Wand hängt noch ein Plakat vom 20-jährigen Bestehen, daneben angelehnt ist ein Bilderrahmen mit ausgeschnittenen Zeitungsartikeln. Auf den Fotos sind meistens Kuczora und sein Team mit Kisten voller Lebensmittel zu sehen.
Hoher Zuspruch von Helfern und Spendern in Bergedorf
„Die größte Freude ist für mich, mit den Menschen zusammenzuarbeiten“, sagt der Vorsitzende, der seit 2016 im Amt ist. Eine seiner bisher größten Herausforderungen war die Corona-Pandemie: „Das hat uns sehr, sehr viel Kraft und Mühe abverlangt. In der Rückbetrachtung haben wir das aber mit Bravour gemeistert.“ Zählen kann die Tafel auf den traditionell hohen Zuspruch von Helfern und Spendern. „Wir kennen viele Lieferanten schon seit Anbeginn. Die Bergedorfer sind echte Lokalpatrioten – das merkt man auch an dieser Unterstützung“, sagt Susanne Diem.
Die hauptberufliche Stewardess zählt vor dem Gemeindehaus im Minutentakt die Nummern der Wartenden auf. Einzeln kommen die Bedürftigen in den Raum und stecken die Lebensmittel in ihre Tüten. In den vergangenen Jahren sind es immer mehr Menschen geworden, insbesondere nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. „Es kamen auf einmal 40, 50 Leute mehr. Das war zunächst schwer zu bewerkstelligen“, berichtet die 59-Jährige. „Hier mitzumachen, ist auch eine schwere körperliche Arbeit. Wir sind alle nicht mehr die Jüngsten.“
600 bis 650 Tonnen an Lebensmitteln verteilt die Tafel pro Jahr
Peter Kuczora weiß um den Eifer seiner rund 170 Mitarbeitenden: „Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft. Wir haben einen sehr kollegialen Umgang“, sagt er. Im Vergleich zum vergangenen Winter ist die Lage wieder etwas entspannter. Das hängt vor allem damit zusammen, dass im Frühjahr ein Aufnahmestopp verhängt wurde. „Dadurch haben wir eine klare Linie“, betont Diem.
600 bis 650 Tonnen an Lebensmitteln verteilt das Team jährlich an die Bedürftigen, die bei der Tafel aus Respekt „Kunden“ genannt werden. In Bergedorf, wo es drei Ausgabestellen und das Lager gibt, erreicht die Tafel mit Einbezug von Familienmitgliedern wöchentlich 2000 bis 2500 Menschen. Die Betriebskosten sind in diesem Jahr auf 80.000 Euro gestiegen.
Tafel Bergedorf geht es gut: „Sind froh und dankbar“
Dass die Institution diesen Anforderungen standhalten kann, ist nicht selbstverständlich. „Viele Tafeln haben entweder zu wenig Lebensmittel, zu wenig Ehrenamtliche oder zu wenig Spender. Wenn nur eine dieser Säulen fehlt, funktioniert das Geschäftsmodell nicht“, erklärt Kuczora und fügt an: „Wir sind froh und dankbar, dass wir nicht in dieser Not sind und mit Lust und Freude unseren Job machen können.“
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Ein Bestreben ist, die Arbeit künftig komplett papierlos zu gestalten. Ab dem kommenden Sommer sollen Tablet-Computer den herkömmlichen Lieferschein komplett ersetzen. „Keiner unserer Mitarbeitenden ist dadurch überflüssig“, macht Kuczora deutlich. „Wir müssen uns aber auch danach ausrichten, wie wir morgen und übermorgen unsere Arbeit verrichten wollen. Die Tafel der Zukunft wird ohne Digitalisierung nicht mehr auskommen.“
„25 Jahre Tafel stehen auch für 25 Jahre Armut“
Die Arbeit der Tafel – so viel steht fest – wird weiter relevant bleiben. „25 Jahre Tafel stehen auch für 25 Jahre Armut im Bezirk“, betont der Vorsitzende: „Mein Appell an die Politik ist, die Armut zu bekämpfen und nicht wegzusehen. Die Bedeutung der Tafel wird nicht abnehmen. Im Gegenteil: Sie wird zunehmen.“