Bergedorf. Ein Gewalttäter kehrt aus „genehmigter Lockerung“ nicht in die JVA Bergedorf zurück. Absurd: Dies fiel zunächst nicht auf.

Ein verurteilter Gewalttäterverschwindet aus dem Justizvollzug in Bergedorf. Dort fällt das offenbar erst am folgenden Tag auf. Nun ist der Mann weg, seit knapp vier Wochen fehlt von ihm jede Spur. Das bestätigt die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz auf Anfrage unserer Redaktion, der ein Hinweis aus der Bevölkerung vorausgegangen war. Eine Justizpanne?

„Der Gefangene ist am 25. Mai aus einer genehmigten Lockerung bisher nicht zurückgekehrt. Dokumentiert wurde dies am Morgen des 26. Mai. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen wurde die Anwesenheit des Gefangenen nicht korrekt überprüft“, so die stellvertretende Behördensprecherin Linda Luft in einer schriftlichen Stellungnahme. Der Mann war in der Sozialtherapeutischen Anstalt (Außenstelle Bergedorf) inhaftiert, die ihren Sitz in einem Anbau des Amtsgerichts an der Ernst-Mantius-Straße hat.

JVA Bergedorf: Gesuchter Häftling wegen Raub und Erpressung verurteilt

Dennis Sulzmann, Sprecher der Hamburger Justizbehörde erklärt, dass es sich hier nicht um eine Flucht oder einen Ausbruch, also eine „Entweichung“, sondern um eine „Nichtrückkehr aus einer Lockerung“ handele.

Der flüchtige Nichtrückkehrer sei ein unter anderem wegen Körperverletzung-, Raub- und Erpressungsdelikten zu einer Freiheitsstrafe verurteilter Mann. Weitere Details will Sulzmann aus „datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht erteilen.

Wer sitzt überhaupt in die JVA Bergedorf ein? Überwiegend handelt es sich dabei um männliche erwachsene Sexualstraftäter, die ihre Haft weitestgehend verbüßt haben und bereits unter Anleitung Dinge des täglichen Lebens „lernen“ – etwa den Einkauf im Supermarkt oder im Bekleidungsgeschäft oder Beschäftigungen wie Arbeiten in einer Werkstatt. 39 Haftplätze gibt es dort nahe dem Bergedorfer Bahnhof.

Ab wann es Lockerungen für Häftlinge gibt

Offenbar erfüllte der nun verschwundene Mann Kriterien, um von Lockerungen zu profitieren. „Für Lockerungen gelten gesetzliche Vorgaben“, sagt Dennis Sulzmann, „Lockerungen dienen der Klärung persönlicher Anliegen, der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit oder der Vorbereitung der Entlassung. Grundsätzlich gilt: Lockerungen dürfen gewährt werden, wenn diese Erprobung des Gefangenen verantwortet werden kann.“ Dies schließe auch die Begehung neuer Straftaten aus. Wie nah der Mann der Haftentlassung ist, lässt Sulzmann unbeantwortet.

Dass Häftlinge Lockerungen nutzen, um zu verschwinden, komme hin und wieder vor, sagt Sulzmann. Wie oft genau, lässt der Behördensprecher unbeantwortet. In einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage unserer Redaktion heißt es nur, es wären „Einzelfälle“.

Justizbehörde prüft, ob alle Regeln eingehalten wurden

Wie soll der verschwundene Häftling nun wieder zurück in die JVA Bergedorf gelangen? „Wie bei jeder Nichtrückkehr aus einer Lockerung wird polizeilich nach ihm gefahndet“, erklärt Sulzmann. Aber: Eine Öffentlichkeitsfahndung sei nur unter engen Voraussetzungen zulässig und werde bei einer Nichtrückkehr „in aller Regel“ nicht eingeleitet. Ob bei dem Mann, wenn er denn in die Haftanstalt an der Ernst-Mantius-Straße zurückkehren sollte, die Lockerungen ausgesetzt werden müssen, sei zu überprüfen.

Gewöhnlich werden „solche Vorkommnisse von der jeweiligen Justizvollzugsanstalt schriftlich und in einem IT-Programm dokumentiert“, erklärt Dennis Sulzmann das generelle Prozedere, eine Nichtrückkehr offiziell zu erfassen. Warum das in diesem Fall offenbar erst am nächsten Morgen geschehen ist, muss nun untersucht werden. Linda Luft: „Es wird nach jedem außerordentlichen Vorkommnis geprüft, was zu dem Vorfall geführt haben könnte und ob alle Regeln eingehalten wurde.“ Ein Ergebnis steht offenbar noch aus.