Lohbrügge. Warum die Gastronomen die Auszeichnung des Lieferdienstes Lieferando erhalten haben und mit was eine Pizza Bergedorf belegt ist.
Schön knusprig soll sie sein – „jedenfalls nicht labberig“, meint Volkan (24), der am 290 Grad heißen Pizzaofen steht. „Wir geben uns die beste Mühe, aber bewerten nicht. Das sollen unsere Kunden machen“, unterbricht ihn höflich sein Vater Kemal Suyani. Der 52-Jährige sitzt am Harders Kamp 2 hinter der Kasse und analysiert die Computerzahlen: Ahmed aus Neuallermöhe hat in diesem Monat schon viermal den Pizza-Baukasten bestellt, sich individuell die Jalapenos, Gorgonzola und Knobi-Sauce liefern lassen.
Und sicherlich hat er auch einen guten Kommentar abgegeben, denn seit Kurzem hat die Pizza-Fabrik eine Trophäe auf dem Tresen stehen und darf sich „Newcomer des Jahres 2022“ nennen – eine Auszeichnung des Online-Lieferdienstes Lieferando.
Lieferando hat die Lohbrügger Pizzafabrik aufgefordert, sich zu bewerben
Der Award wurde von der niederländischen Firma Takeaway.com organisiert, „die Gewinner auf der Grundlage einer öffentlichen Abstimmung ermittelt“, heißt es. Kemal weiß es genauer: „Es waren in ganz Deutschland 56.000 nominiert. Und 200.000 Kunden haben für sechs Kategorien abgestimmt.“ Dabei habe der Lieferdienst Lieferando eigens die Lohbrügger angemailt mit der Aufforderung, sich offiziell zu bewerben: „Wir stechen eben mit einen überproportionalem Wachstum und guten Kundenbewertungen hervor“, freuen sich die stolzen Pizza-Bäcker, die ebenso Croques, Wraps, Pasta, Burger, Snacks und Salate anbieten.
Die Zahlen sind tatsächlich beeindruckend, denn 23.000 aktive Kunden führt die Liste auf, also Menschen, die in den jüngsten sechs Monaten bestellt haben. Die Stammkunden kommen aus Bergedorf und Reinbek, aus Dassendorf und Aumühle. Mit drei E-Bikes, einem Roller und sechs Autos sind die Ausfahrer unterwegs – sogar bis an die Elbe. „Da fährt Dominos gar nicht hin, die bleiben im Umkreis von drei Kilometern“, weiß Kemal Suyani, der indes bei weiten Fahrten – etwa bis nach Barsbüttel – eine Mindestbestellung von 30 Euro erwartet.
Werktags bis zu 70, an Wochenenden weit mehr als 100 Pizzen werden ausgefahren. Wer genau was bestellt und wie viel Trinkgeld gegeben hat, steht alles in den Tabellen – da gibt es sogar eine Umsatzstatistik für jede Straße. Monatlich kommen durchschnittlich 45.000 Euro Umsatz zusammen, im April war es mehr, zeigt der Firmenchef: Da gab es 2311 Bestellungen im Durchschnittswert von 24 Euro. Das brachte 56.000 Euro an Umsatz ein.
Das indes war längst nicht immer so, erinnert der Firmengründer, dessen Vater in der Türkei einen Kebab-Grill hatte. Kemal Suyani indes lernte den Beruf des Schiffsmechanikers und kam 1998 nach Deutschland, wo er zunächst in einer Autowerkstatt arbeitete: „Mein Chef war auch Türke, aber er bezahlte meinen Lohn nicht“, ärgert er sich noch heute – und wechselte für die nächsten 17 Jahre zu Smiley’s Pizza.
Die Pizza Bergedorf ist ein Renner im Sortiment
Bis ihn im Februar 2019 die Selbstständigkeit lockte – aber bitte nicht auf Amerikanisch: „Ich wollte einen deutschen Namen und ein Logo, das an das Hamburger Stadtwappen erinnert“, erzählt der 62-Jährige, der auf lokale Identität setzt, auch mit der Pizza Allermöhe oder der Pizza Lohbrügge. „Am besten aber läuft die Pizza Bergedorf mit Hähnchenbrust und Sauce Hollandaise. Aber auch Thunfisch und Salami gehören zu den Rennern.“
Statt heute 450 Kilogramm Teig waren es am Anfang höchsten fünf Kilo pro Tag. Es lief schleppend an: „Im ersten Halbjahr machte ich ein Minus von 70.000 Euro“, berichtet der Unternehmer, dem nicht zuletzt die Corona-Pandemie zusetzte: „Am Anfang haben wir die Online-Werbung nicht gut genutzt. Dann sind wir aufgewacht und entwickelten eine eigene App und einen Online-Shop.“ Das sieht in der Tat sehr modern aus. „Die Grafiken mache ich selbst. Und alles auf Facebook und Instagram“, ergänzt Sohn Volkan, der nach seinem Schulabschluss am Gymnasium Bornbrook zunächst Bauingenieurswesen studierte, sich dann aber doch für die Gastronomie entschied.
„Wir haben nie den Glauben an den Erfolg verloren. Wir sind halt ein gutes Familienunternehmen“, hört auch sein 14-jähriger Bruder oft. Aber viel häufiger noch die insgesamt 23 Mitarbeiter, die vom Chef lieber Arbeitskollegen genannt werden: „Es ist wichtig, dass alle glücklich sind, nicht schlimm gestresst und gern hier arbeiten“, ist Kemal Suyani überzeugt. Schließlich muss er auch Vertrauen haben: Niemand darf eine halbe Stunde im Auto chillen und anschließend behaupten, die Straße sei gesperrt gewesen.
Zwölf Euro pro Stunde plus Trinkgeld verdienen die 14 Pizzaboten, die meist noch einen Hauptjob haben: „Wir hatten schon eine Krankenschwester als Aushilfe, einen von der Flughafen-Security und sogar einen Airbus-Ingenieur. Manche jobben stundenweise bei uns, für den Inflationsausgleich“, erzählt der in Boberg wohnende Firmenchef, dessen Frau seit 20 Jahren als Altenpflegerin arbeitet.
Bei der Pizzafabrik gibt es jetzt auch Champagner im Angebot
Den Mittagstisch lässt die Pizza-Fabrik aus: „Das schafft man kaum pünktlich genau in der Mittagspause.“ Erst um 16 Uhr ist geöffnet – dafür aber eine Stunde länger als andere Restaurants in Bergedorf: „In der letzten Stunde bis Mitternacht machen wir oft den meisten Umsatz, 300 bis 400 Euro“, besagt die Statistik, die Vergleiche zulässt: „Heiligabend ist das Geschäft nicht gut, aber wir können nachschauen, wie es zuletzt beim Hafengeburtstag war oder am 1. Mai vor einem Jahr.“
Das Erfolgsrezept für Pizza und Co. lautet also Marketing: So kann etwa jeder Kunde vor der Geschäftstür in Lohbrügge kostenlos sein Handy aufladen. Außerdem besuchen die Gastronomen Messen wie die Internorga, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.
Das Ziel: jährliche Umsatzsteigerung um zehn Prozent
Da besagt die Speisenkarte, welches Gericht halal ist – also nach islamischem Recht zulässig (ohne Schweinefleisch). Demnächst gibt es auch vegane Nuggets und Burger. „Wir kaufen in der Metro und lassen die Fleischwaren von der Firma Stockhausen liefern“, sagen die Pizza-Bäcker, die für jedem Geschmack etwas Treffendes haben – sogar einen Champagner von Moët & Chandon anbieten, für spontane Feste.
Ein solches könnte die Familie jetzt selber feiern, auf den Lieferando-Award. Als Gewinn lockt nun Werbung in diversen Gastro-Katalogen, zudem eine Woche im Top-Ranking, und nicht zuletzt „ist unser größter Nutzen die Anerkennung unserer Arbeit“, freut sich Volkan Suyani.
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Um mindestens zehn Prozent wollen sie ihren jährlichen Umsatz steigern – und das Geschäft ausbauen: „Wir suchen einen Franchisepartner, der vielleicht eine Filiale in Billstedt eröffnen möchte“, sagt Kemal Suyani – und nennt stolz zwei letzte Zahlen: „Im vergangenen Jahr konnten wir 540.000 Euro Umsatz machen. Aber für Lieferando, das uns die meisten Kunden bringt, zahlen wir auch jährlich 80.000 Euro.“