Bergedorf. Die Grünen schlagen eine Verkehrsberuhigung rund um den Bahnhofsvorplatz vor. Warum davon Betroffene nicht begeistert sind.

Die mögliche Umgestaltung des Weidenbaumswegs zur verkehrsberuhigten Fußgängerzone wird vielfach diskutiert. Bislang ist es ein Vorschlag der Bergedorfer Grünen. Dazu gibt es Daten zum Verdrängungsverkehr bei einer Sperrung sowie erste deutliche Kritik. Jetzt äußern sich diejenigen dazu, die direkt von einer Fußgängerzone vom City-Kreisel bis zum Bahnhof betroffen wären. Die Ansichten der Anlieger gehen von Unverständnis bis hin zur generellen Ablehnung.

Überrascht reagierte Ira Köchling, als sie zuletzt häufiger von der Idee einer Fußgängerzone hörte. Kunden berichteten der Akustikexpertin aus dem Fachgeschäft Hörgeräte Köchling (Weidenbaumsweg 5) davon. Die Fußgängerzone würde direkt an ihrem Schaufenster vorbeiführen. Das gefällt der Unternehmerin nicht – weil eine bestimmte Kundenklientel wegfallen könnte: „Das ist nicht so eine schöne Idee, weil gerade ältere, mobil eingeschränkte Kunden große Schwierigkeiten hätten, uns zu erreichen.“ Wie beim Ärztehaus am Weidenbaumsweg schräg gegenüber werden teilweise auch beim Hörgerätefachgeschäft Kunden direkt vor die Ladentür gefahren und steigen schnellstmöglich aus. In einer Fußgängerzone ginge das nicht mehr.

Fußgängerzone Weidenbaumsweg: Durchstich und Parkplätze würden wegfallen

Auch Lutz Müller hält nicht viel von der politischen Idee. Er empfiehlt Planern und Politikern den „Helikopterblick“ über Bergedorfs geschäftige Mitte. Der Centermanager des CCB Bergedorf gibt zu bedenken, dass der Weidenbaumsweg „nur eine von zwei Möglichkeiten ist, die Bergedorfer Innenstadt mit dem Pkw zu durchqueren“. Wenn dieser Durchstich wegfalle, bleibe nur noch die Route vom Mohnhof bis zur B 5. „Was passiert dann mit Lieferanten und Bussen, die wir hier dringend brauchen“, fragt Müller, den auch die wenigen, dann wegfallenden, Kurzzeitparkplätze und die Taxi-Wartestände sorgen.

Er spreche auch nicht nur mit seinen Mietern, sondern mit weiteren Anliegern des Weidenbaumswegs – und daraus gewinnt Lutz Müller den Eindruck, dass eine dritte offizielle Fußgängerzone unerwünscht ist. „Wir haben viel Ein- und Aussteigeverkehr“, erklärt der CCB-Verantwortliche seine Abneigung, „und im Grunde kommt die Realität fast einer Fußgängerzone gleich, weil die Pkw hier eh langsam durch die Gegend tuckern“. Hörakustikerin Ira Köchling erachtet gar das Vorbeifahren von Autos als „geschäftsträchtig, weil man uns und andere Geschäfte dadurch wahrnimmt“. Durch die Fußgängerzone würde das wegfallen.

Der Bahnhofsvorplatz wurde in seiner heutigen Form im Jahr 2011 eröffnet.
Der Bahnhofsvorplatz wurde in seiner heutigen Form im Jahr 2011 eröffnet. © BGDZ | Jan Schubert

Noch eine Straße, die für den Autoverkehr tabu werden soll? Der Lohbrügger Stephan Trienekens, der kurz in einer der seitlichen Parktaschen an der Straße Am Bahnhof anhält, um in der Apotheke Zur alten Post Augentropfen abzuholen, ist entsetzt: „Die Innenstadt ist doch schon auf die sogenannten schwächeren Verkehrsteilnehmer ausgerichtet. Wie stellen die sich das bloß vor?“ Trienekens glaubt auch wie zum Beispiel die Bergedorfer CDU, dass eine Sperrung größere Veränderungen der Straßen-Infrastruktur in seinem Stadtteil nach sich ziehen würde – und damit neue Baustellen, Staus, Frust.

Das haben die Grünen nach eigener Aussage schon im Blick: „Wir müssen die ganze Stadt mitdenken“, sagt Joachim Schöfer und betont, dass der Grünen-Vorschlag noch ganz am Anfang stehe, es noch gar keine konkreten Planungen gebe, die Meinung der Koalitionspartner FDP und SPD noch zu formulieren sei. Gleichzeitig liefert der Fraktionsgeschäftsführer der Bergedorfer Grünen damit die Begründung, warum seine Partei vorerst Weidenbaumsweg-Anwohner noch nicht einbezieht. Der diskutierte Ort sei „zu zentral, um darüber nur aus Sicht der Anlieger zu entscheiden“. Die sollen dazu kommen, wenn es erste konkrete Planungen gebe.

Grüne könnten auch mit einer kleinen Lösung leben

Schöfer könnte auch gut mit der kleinen Lösung leben, also einem Szenario wie sechs Monate im vergangenen Jahr, als der Bahnhofsvorplatz während der ZOB-Sanierung für Autofahrer gesperrt war. Das habe der Autofahrer auch nach kürzester Zeit adaptiert, den beschrankten Bereich gemieden, weiß der Grüne. Er sagt aber auch: „Es gibt gute Gründe dafür, dass die Arztpraxen am Weidenbaumsweg erreichbar sein müssen.“

Den Frust der Praxen kann Gert Kekstadt nachvollziehen – wenn es denn so kommen sollte. Kekstadt, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft für die SPD, aber hier gefragt als Geschäftsführer der Complete Dienstleistung GmbH, die verantwortlich für die Radstation Bergedorf (Am Bahnhof 1) ist, hat von den Fußgängerzonen-Plänen gelesen. Vorstellbar für den Radstation-Betreiber, wenn auch zunächst mögliche Folgen abgeschätzt worden sind. Da baut Kekstadt als Unternehmer auf die lokale Politik: „Da setze ich schon auf gute Lösungen der Koalition, um Mobilitätseingeschränkten wichtige Arztbesuche möglich zu machen. Ich glaube, dass unsere Radstation weniger Beeinträchtigungen hätte.“