Hamburg. Der Skipper Ingo Werth ist mit dem Motorsegler „Nadir“ unterwegs. Die Crew versucht, Menschen zu helfen. Eine schwierige Mission.

Er ist wieder auf dem Mittelmeer, wie schon oft, der Lohbrügger Skipper Ingo Werth. An Bord des 19 Meter langen Motorseglers „Nadir“ leitet der 63-Jährige einen dreiwöchigen Einsatz für Menschen in Not. Die Mission der Crew des privaten Vereins ResQship: schiffbrüchige Flüchtlinge retten. Am Ostersonntag waren es 24 Menschen, zwei konnten nur tot geborgen werden. Unserer Redaktion schildert Werth seine ganz persönlichen Eindrücke.

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Am Mittwochmorgen traf die Crew des Motorseglers „Nadir“ von ResQship e.V. auf ein manövrierunfähiges Stahlboot mit 41 Menschen an Bord. Nach einem zweistündigen Rettungseinsatz konnten alle Personen erfolgreich gerettet und im Anschluss nach Lampedusa gebracht werden. Unter den Geretteten befanden sich unter anderem eine schwangere Frau und ein Kind.

Rettungsaktion Mittelmeer: „Die Lage war sehr kritisch“

Durch einen Hinweis des Frontex-Flugzeugs „Osprey 2“ wurde die „Nadir“ auf den Seenotfall aufmerksam. Etwa eine halbe Stunde später fand die Crew das überfüllte und kentergefährdete Boot in der maltesischen SAR-Zone. Die Menschen, die bereits seit zwei Tagen unterwegs waren, trieben aufgrund des defekten Motors manövrierunfähig auf offener See. Nachdem die Crew den Notfall gemeldet und die Menschen mit Rettungswesten versorgt hatte, wurde sie von den italienischen Behörden dazu aufgefordert, die Menschen an Bord zu nehmen und nach Lampedusa zu bringen.

41 Menschen, darunter auch eine Schwangere und ein Kleinkind, trieben manövrierunfähig in einem Stahlboot zwischen Tunesien und Lampedusa.
41 Menschen, darunter auch eine Schwangere und ein Kleinkind, trieben manövrierunfähig in einem Stahlboot zwischen Tunesien und Lampedusa. © Leon Falk Salner | Leon Falk Salner

Am späten Mittag beendete die Crew die Evakuierung und machte sich mit den Geretteten an Bord auf den Weg nach Lampedusa. Unter den 41 Geretteten befinden sich neben der schwangeren Frau und einem vierjährigen Kind sechs weitere Frauen und zahlreiche Minderjährige.„Die Lage war sehr kritisch. Das Stahlboot war komplett überladen. Diese Art von Booten hat keinen eigenen Schwimmkörper und kann nach Wassereintritt binnen schnellster Zeit sinken. Wir waren auf alles vorbereitet“, beschreibt Cat Spangehl, Kommunikationskoordinatorin auf der „Nadir“.

Lage auf dem Mittelmeer spitzt sich zu

Diese Art von Booten taucht seit letztem Jahr vermehrt auf und ist höchstgefährlich. Seit Wochen spitzt sich die Lage auf dem Mittelmeer immer weiter zu. Allein in den vergangenen Wochen kamen mehrere Tausend Personen auf der Insel Lampedusa an. Seit Ankunft im Einsatzgebiet empfing die „Nadir“ kontinuierlich Funksprüche über Boote in Seenot.

„Wir hätten uns gefreut, wenn wir die Überlebenden nicht selbst nach Lampedusa hätten bringen müssen, um weitere Boote in Not unterstützen zu können. Aber wir sind froh, dass wir helfen und die zur Zeit völlig überlasteten italienischen Rettungskräfte entlasten konnten“, sagt Friedhold Ulonska, Kapitän der „Nadir“. Die „Nadir“ ist kein Rettungsschiff. Sie ist zwar gut zur Erstversorgung geeignet, aber nicht dafür ausgelegt, eine große Personenzahl zu transportieren.

Die 41 aus Seenot Geretteten an Bord der „Nadir“ auf dem Weg nach Lampedusa.
Die 41 aus Seenot Geretteten an Bord der „Nadir“ auf dem Weg nach Lampedusa. © Leon Falk Salner | Leon Falk Salner

Flüchtlinge: 23 Menschen starben an Ostern

Seit Sonntagnacht sind mindestens vier Boote im zentralen Mittelmeer verunglückt, viele Menschen werden vermisst. Laut IOM (Internationale Organisation für Migration) ist 2023 das bisher tödlichste Jahr seit 2017. Erst während des vergangenen Einsatzes der „Nadir“ am Osterwochenende musste die Crew den Tod von 23 Menschen bezeugen.