Hamburg. 24 völlig erschöpfte Flüchtlinge hat Skipper Ingo Werth im Mittelmeer an Bord genommen. Darunter war auch eine Schwangere.

Er ist wieder auf dem Mittelmeer, wie schon oft, der Lohbrügger Skipper Ingo Werth. An Bord des 19 Meter langen Motorseglers „Nadirs“ leitet der 63-Jährige einen dreiwöchigen Einsatz für Menschen in Not. Die Mission der Crew des privaten Vereins ResQship: schiffbrüchige Flüchtlinge retten. Am Ostersonntag waren es 24 Menschen, zwei konnten nur tot geborgen werden. Unserer Redaktion schildert Werth seine ganz persönlichen Eindrücke.

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In der Regel in Begleitung eines tunesischen Fischerbootes verlassen die Migranten das Festland, neuerdings in diesen zusammengeschweißten Booten aus Stahl. Sie haben keinen einzigen Auftriebskörper: Wenn sie kippen oder eine Welle einsteigt, gehen sie unter wie Steine. Die Menschen, auf See getragen durch Schläuche von Autoreifen, sind völlig am Ende. Keiner spricht, viele sind zu erschöpft, um mitzuhelfen, wenn wir sie über die Leiter an Bord ziehen. Sie können es nicht fassen, überlebt zu haben.

Sie versperren die Gänge, die wir dringend für weitere Gerettete brauchen. Eine Leiche liegt im Gang, über diesen Weg geht nichts mehr. Um 4.30 Uhr waren wir an der Unglücksstelle, acht Minuten später war unser Beiboot im Wasser. Um 7 Uhr meldet sich das Flugzeug der Organisation Pilot Volunteer über Funk auch das Frontex Flugzeug Osperey: Beide bestätigen, dass wir niemanden übersehen haben.

Wir bringen alle heil nach Lampedusa, speziell für eine schwangere Frau habe ich ein Schnellboot der Küstenwache angefragt, um ihr die mehrstündige Fahrt zu ersparen, aber alle Schiffe waren im Einsatz. Der Empfang auf der Insel ist sehr freundlich, alle Geretteten bekommen eine Erstversorgung und werden ins Krankenhaus gebracht. Später erfahre ich, dass die Schwangere und ihr Baby wohlauf sind, alle anderen haben sich auch erholt und sind im Hotspot Camp: Das wurde für 350 Menschen gebaut und ist jetzt mit 1850 Personen völlig überfüllt.

Ein noch ungläubiger Blick, aber einfach nur froh darüber, überlebt zu haben.
Ein noch ungläubiger Blick, aber einfach nur froh darüber, überlebt zu haben. © BGZ | werth

Täglich werden Gruppen mit der Fähre nach Sizilien gebracht. Wir alle wissen, dass Europa Italien mit der Situation weitestgehend alleine lässt. Wie lange noch wird das funktionieren? Wir erhalten die Anordnung, das Schiff durch eine staatlich zertifizierte Stelle desinfizieren zu lassen, vorher dürfen wir nicht auslaufen.

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Erneut geht es ins Einsatzgebiet. Wir kennen nicht alle Parameter, die dazu führen, dass Boote ablegen oder nicht. Ganz sicher ist das Wetter ein wichtiger Aspekt, aber eben nicht der einzige, und so gibt es in den nächsten zwei Tagen keine Abfahrten und damit auch keine Menschen in Not.

Starke Winde aus Nord und Nordwest bauen sich auf, wir segeln nach Lampedusa zurück, über 2,5 Meter hohe Wellen und Windstärke 8 lassen sich im Hafen besser abwarten. Wir werden von anderen Hilfsorganisationen empfangen. Die Solidarität untereinander trägt uns genauso, wie das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.