Bergedorf. Bei der Sterbehilfe ist vieles noch im rechtlichen Graubereich. Immer öfter werden Mediziner angesprochen. Ein Experte klärt jetzt auf.

Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod war hierzulande lange ein . Doch heute braucht darüber nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen werden – auch weil das Verfassungsgericht der Politik schon 2020 den Auftrag erteilt hat, für das Thema Sterbehilfe nicht nur ethisch, sondern auch gesetzlich einen verlässlichen Rahmen zu schaffen. Immerhin sind Länder wie die USA und vor allem die Niederlande schon viel weiter. Bei unseren Nachbarn wird aktuell sogar über aktive Sterbehilfe diskutiert.

So weit ist Deutschland noch nicht – und vielleicht ist das auch gut so, meint jedenfalls Prof. Dr. Reinhard Lindner. Der führende Suizid-Forscher, Facharzt für Neurologie und Psychotherapie, sieht den Wunsch aus dem Leben zu scheiden vor allem als Hilferuf, oftmals formuliert von alten und vereinsamten Menschen. Für Freitag, 31. März, konnte ihn Bergedorfs Agaplesion Bethesda Krankenhaus zu einem öffentlichen Vortrag über das Thema „assistierter Suizid“ gewinnen.

Sterbehilfe: „Die Rechtslage auf diesem Feld ist voller Graubereiche“

Reinhard Lindner hat 18 Jahre als Psychotherapeut am Therapiezentrum für Suizidgefährdete am Uniklinikum Eppendorf gearbeitet und weitere zehn Jahre als Gerontopsychosomatiker an der Medizinisch-Geriatrischen Klinik im Albertinen-Krankenhaus in Schnelsen. Heute ist der vielseitig versierte Altersmediziner Professor für soziale Therapie am Institut Sozialwesen der Universität Kassel.

„Tatsächlich ist der Wunsch, aus dem Leben zu scheiden auch im Bethesda Krankenhaus ein Thema, mit dem unser Personal immer mal wieder konfrontiert wird. Vielleicht sogar häufiger als früher“, sagt Dr. Alexander Rösler, Chefarzt der Klinik für Geriatrie im Bethesda. „Die Rechtslage auf diesem Feld ist aber voller Graubereiche. Das gilt auch für schwerst kranke Patienten, die ohnehin starke Medikamente gegen Schmerzen, Luftnot oder Angstzustände bekommen.“

Nach dem Vortrag steht eine Diskussion mit dem Publikum an

Außer Rösler laden auch die Bethesda-Chefärzte Dr. Frank Trostdorf, Klinik für Neurologie, und Dr. Claas Happach, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, für Freitag um 16.30 Uhr zum Vortrag von Prof. Lindner ein. Der Titel beschreibt, wie der Experte mit dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensende umgeht: „Eine existenzielle Frage: Den Wunsch nach assistiertem Suizid verstehen“. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung unter 040/725 54 12 41 oder maass@bkb.info aber Pflicht: Die Kapazität des Konferenzraums 1 des Bergedorfer Krankenhauses am Glindersweg 80 reicht nur für knapp 100 Zuhörer.

Nach dem Auftritt stellt sich Reinhard Lindner mit seinen Thesen der Diskussion mit dem Publikum. Die Moderation übernimmt Claas Happach, während Alexander Rösler den Nachmittag um 16.30 Uhr mit einer Einführung in das Thema eröffnet. Für ihn ist klar: „Was wir heute unter dem Begriff Sterbehilfe zusammenfassen, ist ein riesiges Feld, das auch wir Mediziner bisher kaum überschauen.“

Und die Frage, was möglich und sinnvoll sei in jedem dieser letztlich immer sehr individuellen Fällen, decke sich viel zu oft nicht mit dem geltenden Recht. „Die Übergänge von der bloßen Hochdosierung bereits eingesetzter Medikamente sind fließend und reichen bis hin zum Hinterlassen eines tödlichen Mittels im Zimmer des Patienten, das der Betroffene dann selbst einnimmt. So etwas gibt es bei uns in der Klinik nicht. Aber Patienten mit Todeswunsch manchmal eben schon.“