Hamburg. Bergedorfer Schifffahrtslinie startet Törn über die Oberweser nach Kassel und plant Route in die Nähe der Elbe-Quelle.

Die Bergedorfer Schifffahrtslinie bereitet derzeit Deutschlands ungewöhnlichste Flussreise vor. Sie führt von Bergedorf 532 Kilometer weit bis nach Kassel. Bahnreisenden ist die hessische Stadt mit dem ICE-Bahnhof Wilhelmshöhe namentlich gut bekannt. Doch Sehnsuchtsziel für flussverliebte Passagiere war sie bislang nicht.

Das ändert sich am 6. April. Dann geht Kapitän Heiko Buhr, Chef der Bergedorfer Schifffahrtslinie, mit 50 Passagieren an Bord der „Serrahn Queen“ auf große Fahrt. Der Sieben-Tage-Törn führt von der Elbe über den 115 Kilometer langen Elbe-Seitenkanal in den Mittellandkanal, danach in die Oberweser bis in die Fulda. „Noch nie ist ein fremdes Fahrgastschiff oder Flusskreuzfahrtschiff in dieser Gegend gewesen“, sagt Heiko Buhr. „In Kassel ist schon ordentlich Vorfreude zu spüren. Die Sportbootvereine wollen Konvoi-Fahrten organisieren, Politik und Bürgermeister haben Interesse bekundet, das Schifffahrtsmuseum möchte Führungen für die Gäste anbieten.“ Die Region freue sich auf die Hamburger Besucher.

Sieben-Tage-Törn: Deutschlands ungewöhnlichste Flussreise

Übernachtet wird in gehobenen Hotels an Land (Lüneburg, Hannover, Minden, Hameln, Holzminden, Bad Karlshafen und Kassel). In Kassel schlummern die Gäste im Schweizer Hof (Bad Wilhelmshöhe), und der Hessische Hof in Bad Karlshafen will die Reisenden sogar direkt auf dem Schiff bewirten. Rübezahl-Schnitzel mit Champignons sowie Zanderfilet gehören zu den Spezialitäten.

Die Rückreise der 2000 Euro teuren, inzwischen ausgebuchten Premierenfahrt erfolgt per Bus. In Kassel gibt es einen Gästewechsel mit der Fahrt zurück nach Hamburg.

Die 33 Meter lange „Serrahn Queen“ muss mehr als zehn Schleusen passieren. Den größten Höhenunterschied gilt es im Schiffshebewerk Scharnebeck bei Lüneburg zu überwinden. Jährlich werden in einem der höchsten Schiffsfahrstühle der Welt rund 21.000 Schiffe 38 Meter von der flachen Elbmarsch nach oben auf den Geest­rücken der Lüneburger Heide gehoben.

Revier an der Oberweser wird zur navigatorischen Herausforderung

Doch zur größten navigatorischen Herausforderung dürfte das Revier der Oberweser werden - vor allem jener Abschnitt zwischen Hannoversch Münden, Hameln und Minden. Zu hohe oder zu niedrige Wasserstände sowie der felsige Untergrund verlangen besondere Wachsamkeit und regionale Kenntnis. Außerdem ist die Oberweser der zweitströmungsstärkste Fluss in Deutschland.

Aus diesen Gründen kommt extra ein Oberweser-Lotse an Bord und steht am Ruder. Es ist Kapitän Jan Kruse. Der Berufsschullehrer ist Sohn eines Weserkapitäns und einer der wenigen, die noch über ein Oberweser-Patent verfügen. Im vergangenen Jahr hatte er auch den Lauenburger Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ sicher durch den Fluss gelotst. Der in den Jahren 1899 und 1900 in Dresden gebaute Schaufelraddampfer war im Mai 2022 zu einer längeren Stippvisite auf die Oberweser zurückgekehrt, wo er bis 1970 im Einsatz war. „Die Bergedorfer Schifffahrtslinie freut sich, die Dienste des Lotsen Jan Kruse bekommen zu können, um die sehr anspruchsvolle Flussstrecke zu meistern“, so Heiko Buhr.

Dass die Flussreise der „Serrahn Queen“ bereits Anfang April stattfindet, liegt an den tendenziell sinkenden Wasserständen. Die Schifffahrt auf der ehemals gut befahrenen Oberweser sei durch die schlechten Wasserstände so gut wie zum Erliegen gekommen, sagt Heiko Buhr. Im Gegensatz zu den mehrtägigen Fahrten auf der Elbe gebe es für die Weser ein relativ enges Zeitfenster. Nur im frühen Frühjahr sei der Wasserstand so, dass man mit einem größeren Schiff bis nach Hannoversch Münden und weiter fahren könne. So musste die „Flotte Weser“ im vergangenen Jahr bereits Anfang August ihre Arbeit einstellen.

Die nächste Fahrt nach Kassel ist Ende März 2024 geplant

So wenig Wasser wie heute führte die Weser vor 100 Jahren allerdings noch nicht. Die Anfänge der Vergnügungsfahrten auf der Oberweser gehen auf das Jahr 1854 zurück. Damals legte der Raddampfer „Blücher“ zum ersten Mal die Fahrt von Hameln nach Hann. Münden zurück. Das Schiff gehörte zur Aktiengesellschaft Vereinte Weser-Dampfschiffahrt, der danach weitere kapitalstarke Reedereien folgten. „Eine davon war der Norddeutsche Lloyd, der sich für den Auswandererverkehr auf der Oberweser interessierte“, sagt Jürgen Noll vom Binnenschiffermuseum Gieselwerder. Noch heute sind die Menschen an der Oberweser trotz gesunkener Pegelstände schifffahrtsaffin.

Die Bergedorfer Reederei plant 2024 die zweite Fahrt nach Kassel, dann bereits Ende März. Außerdem steht eine Reise elbaufwärts auf dem Programm - so weit wie das Schiff fahren kann. Es geht nach Pardubitz ins Riesengebirge. „Wer weiß, wie lange man noch solche Ecken befahren kann“, sagt Kapitän Buhr. Man sehe aktuell in Italien, wie schnell Flüsse austrocknen können.

Weitere Ziele der kleinen Reederei, die in diesem Jahr 25 Jahre alt wird, sind demnächst Dresden (21. März 2023) und Berlin mit der Spree.

Mehr darüber: www.barkassenfahrt.de