Bergedorf. 49-Jährige war auf der Polizeiwache in Bergedorf kollabiert. Und es gibt noch ein weiteres internes Ermittlungsverfahren.
Eine Frau stirbt, ein Mann erleidet Verletzungen – und beide Ereignisse stehen in einem zeitlichen Zusammenhang mit Einsätzen der Polizei in Bergedorf. Beamte des Polizeikommissariats 43 stehen deshalb nun im Fokus interner Ermittlungen. Was ist geschehen? Das möchte auch der Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Deniz Celik wissen, der deshalb eine Anfrage an den Senat gestellt hat.
Am 5. Februar spielen sich dramatische Szenen in der Wache an der Wentorfer Straße ab, als eine psychisch verhaltensauffällige Frau (49) nur mit allergrößter Mühe von den Beamten davon abgehalten werden kann, sich selbst zu verletzen. Dabei verliert sie zwischenzeitlich das Bewusstsein, muss reanimiert und ins Krankenhaus gebracht werden. Neun Tage später meldet die Polizei, die 49-Jährige sei dort gestorben.
Polizei Bergedorf: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Beamte
Wie Celik nun erfahren hat, ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen insgesamt vier Polizeibeamte wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge. Außerdem läuft ein Todesermittlungsverfahren, das ebenfalls noch andauert.
Außerdem hat Celik konkrete Aussagen zum Anlass des Einsatzes und zur „Eigengefährdung“ der 49-Jährigen erhalten: Demnach habe die Frau, die sich am Abend des 5. Februar mitten auf der Straße in der Nähe ihrer Wohnung in Neuallermöhe aufhielt, gegenüber Passanten „Absichten“ erklärt, sich umzubringen.
49-Jährige war in psychischer Ausnahmesituation
Zudem wird in der Senatsantwort die psychische Ausnahmesituation präzisiert, als die Polizei eintraf: „Sie hatte sich leicht bekleidet und barfuß auf der Fahrbahn befunden und Passanten gebeten, einen straff um ihren Hals geschnürten Schal fester zu ziehen.“ Der Besatzung eines Streifenwagens gegenüber äußerte ein Bruder der Frau, dass sie „endlich einzusperren“ sei.
Wie es auf der Wache weiterging? Auch dazu liefert die Senatsantwort Konkreteres: Damit sich die 49-Jährige nicht weiter selbst verletzte, sollten ihr Handfesseln angelegt werden. Doch dagegen habe sie sich massiv gewehrt: „Sie versuchte, sich den Griffen der Polizeibeamten zu entziehen, drehte ihren Körper, sperrte ihre Arme und trat mit den Füßen, sodass sie festgehalten und mit Handfesseln fixiert wurde.“
Plötzlich gesundheitliche Probleme – „dynamische Entwicklung der Ereignisse“
Doch: „Nach Anlegen der Handfesseln wurden bei der Frau gesundheitliche Probleme festgestellt und die Handfesseln wurden unverzüglich wieder gelöst“, heißt es weiter in der Antwort. Ein Amtsarzt sollte die Frau untersuchen. Dazu sei es aber aufgrund „der dynamischen Entwicklung der Ereignisse“ nicht mehr gekommen.
Die Dramatik dieses Sonntagabends im Februar lässt sich auch im Hamburger Einsatzleitsystem der Polizei nachlesen, das der Senat preisgibt. Um 22.33 Uhr wurde demnach dokumentiert, „dass die Frau umgefallen und nicht steuerbar sei“, um 22.36 Uhr sei sie reanimiert worden und der Notarzt eingetroffen, um 23.44 Uhr sei die 49-Jährige „im kritischen Gesundheitszustand“ im Krankenhaus St. Georg angekommen.
Heftigkeit der Auseinandersetzung in der Wache bleibt unklar
Es bleiben aber auch viele Fragen von Deniz Celik offen, oftmals mit dem Verweis auf laufende Ermittlungen. So etwa Details zur Auseinandersetzung der Beamten mit der 49-Jährigen: Celik möchte zum Beispiel wissen, wie viele Polizisten wie auf die Frau eingewirkt haben, ob einer der Uniformierten so weit ging, „auf dem Rücken- und Nackenbereich der Frau gekniet“ zu haben, bis sie blau angelaufen sei und das Bewusstsein verlor. Dabei bezieht sich der Linken-Politiker auf die Berichterstattung einiger Medien, die vom Senat weder bestätigt noch dementiert wird. Ebenfalls vorerst unbeantwortet bleibt die Frage, wie sich die Neuallermöherin körperlich zur Wehr setzte.
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Auch zum generellen Gesundheitszustand der 49-Jährigen nach dem Transport nach St. Georg, ob etwa innere oder äußere Verletzungen infolge von möglicher Polizeigewalt oder Vorerkrankungen vorlagen, sowie zur Todesursache gibt es keine belastbaren Informationen, weil die Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen geschützt werden sollen. Der Senat erwähnt zumindest, dass es eine Sektion des Körpers der 49-Jährigen am 22. Februar 2023 gegeben habe.
Polizei Bergedorf: Weitere Ermittlungen – wegen Körperverletzung im Amt
Zudem geht das Dezernat Interne Ermittlungen der Behörde für Inneres und Sport in einer Angelegenheit dem Verdacht der Körperverletzung im Amt nach. In der Neujahrsnacht lösten vier männliche Einsatzkräfte eine Party an der Holtenklinker Straße auf, angeblich wegen wiederholter Ruhestörung. Dabei wurde ein 21 Jahre alter Gast, der zuvor unter anderem einen Polizisten geschlagen haben soll, nach einer Rangelei schwer verletzt, als zwei Beamten ihn zu Boden brachten. Zuvor war der Gastgeber (23) nach ebenfalls aggressivem Verhalten in Gewahrsam genommen worden. Über die Verhältnismäßigkeit dieser Methoden bestehen aber ganz offensichtlich Unklarheiten.
„Es ist beabsichtigt, das Verfahren zeitnah an die Hamburger Staatsanwaltschaft abzugeben, welcher die Sachleitungsbefugnis obliegt und die über den Fortgang oder den Abschluss der Ermittlungen entscheidet“, beschreibt Daniel Schaefer, Pressesprecher der Behörde für Inneres und Sport, die weitere Prozedur in diesem Fall. Die Partygäste aus jener Nacht hatten in einigen E-Mails gegenüber unserer Redaktion der polizeilichen Darstellung vehement widersprochen und von einer friedlichen Neujahrsparty gesprochen.