Hamburg. Olha Rusinova und ihr Sohn wohnen bei einem Bergedorfer Ehepaar. Sie verstehen sich gut. Dennoch ist die Situation belastend.

„Ich fühle mich verloren, aber ich verliere nicht die Hoffnung.“ Diesen Satz spricht Olha Rusinova zögerlich auf Ukrainisch in ihr Handy, bevor Google Translate ihr die deutsche Übersetzung auf dem kleinen Display anzeigt. Die Ukrainerin war an der Universität in Kiew Dozentin für Management. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine änderte sich für sie alles. Gemeinsam mit ihrem jetzt siebenjährigen Sohn Bohdan musste sie ihr bisheriges Leben aufgeben, flüchtete im März 2022 nach Deutschland.

Doch hier steht die 45-Jährige vor neuen Problem. Seit einem Jahr findet die kleine Familie keine eigene Wohnung. Stattdessen leben Mutter und Sohn noch immer im Haus eines Bergedorfer Ehepaars. Zwei Wochen waren Olha Rusinova und Bohdan in den Hamburger Messehallen untergebracht, bis sie an die Martins weitervermittelt wurde. Regina und Heinrich Martin bewohnen eine schöne Doppelhaushälfte in Bergedorf. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, war für beide sofort klar, dass sie helfen wollen.

Ukrainische Geflüchtete in Bergedorf: Bohdan lernte schnell Deutsch

Es ist ein harmonisches Zusammenleben: Olha und ihr Sohn bewohnen zwei Zimmer und nutzen ein Bad. Die kleine Küche und den Waschraum teilen sie sich mit den Martins. Das Verhältnis sei sehr gut, berichtet Regina Martin. Bohdan besucht nun seit fast einem Jahr die Schule in Deutschland und beherrscht die Sprache zum großen Teil – obwohl er bei seiner Ankunft noch kein einziges Wort Deutsch sprechen konnte.

In seiner Klasse gibt es auch andere ukrainische Kinder, mit denen er sich gut versteht. Zu den Martins habe er ein großelterliches Verhältnis. „Er kommt hier nach der Schule erstmal ins Wohnzimmer und fragt sofort nach, wo alle sind“, erzählt Regina Martin lächelnd. Bohdan habe keinerlei Probleme damit, sich in der Schule zu öffnen und zu integrieren. Er sei ein aufgewecktes und kontaktfreudiges Kind. Olha hingegen hat noch Probleme mit der deutschen Sprache. Seit Mai 2022 besucht sie einen Deutschkursus. Lesen und Schreiben fielen ihr relativ leicht, doch beim Sprechen hapere es noch.

Wohnsituation für alle Beteiligten belastend

Mit den Martins verständigt sie sich oft mit Hilfe der Übersetzungsapp auf dem Handy. Für die Jobsuche müsse sie dringend noch besser Deutsch lernen, sagt Olha. Zurzeit halte sie aber immer noch Vorlesungen für Studierende in der Ukraine – über Zoom. Weder die Martins noch Olha und ihr Sohn sind anfangs davon ausgegangen, dass sich die Notlösung bei der Wohnsituation ein ganzes Jahr lang hinziehen würde. „Jeder will ja auch irgendwann mal für sich sein“, so Regina Martin. Die Situation sei mittlerweile für alle belastend. „Unsere Kinder und Enkelkinder aus München konnten uns seit einem Jahr nicht besuchen, weil wir keine Schlafplätze für sie haben“, berichtet sie weiter.

Enttäuscht seien sie vom Staat, der Stadt und den Genossenschaften. Alle Wohnungsbewerbungen und Anfragen seien bisher immer ins Leere gelaufen, führt Regina Martin weiter aus. Lediglich ein einziges Mal seien sie zu einer Besichtigung in Bergedorf eingeladen worden, hätten danach aber nie wieder etwas gehört. Allen sei wichtig, dass Bohdan sein gewohntes Schulumfeld nicht verlassen muss, sondern weiter in Bergedorf zur Schule gehen kann. 656 Euro stehen der Ukrainerin für die Kaltmiete einer Zweizimmerwohnung zur Verfügung. Auch ein Wohnberechtigungsschein ist ihr ausgestellt worden.

Miete und Nebenkosten werden übernommen

Die Nebenkosten werden bis zu einer bestimmten Höhe übernommen, sagt Olha Rusinova. Doch das bringe nichts, solange sie keinerlei Antworten auf ihre zahlreichen Bewerbungen bekäme. Hinweise aus der Öffentlichkeit seien jetzt „die letzte Hoffnung, an eine Wohnung zu kommen“, appelliert das Ehepaar Martin. Wer eine Wohnung in Bergedorf zu vergeben habe, könne eine E-Mail an reginagm@gmx.de schreiben.

Mit ihrem Problem sind die Familien nicht allein. Laut dem städtischen Sozialunternehmen Fördern & Wohnen sind in seinen Unterkünften in ganz Hamburg aktuell immer noch rund 17.800 Schutzsuchende aus der Ukraine untergebracht. Ein Lichtblick: Erst im Januar kaufte Fördern & Wohnen einen der Mundsburg Tower in Barmbek-Süd und plant dort die Entstehung von bezahlbarem Wohnraum.

Geflüchtete in Bergedorf: 1056 Ukrainer wohnen in Unterkünften

Laut dem Bezirksamt sind in Bergedorf derzeit rund 2242 schutzsuchende Personen aus der Ukraine registriert. Davon wohnen 1056 Personen in offiziellen Unterkünften. 1186 ukrainische Geflüchtete würden demnach privaten Wohnraum nutzen, wobei keine Angaben darüber vorliegen, wie viele Personen davon bei Privatpersonen wohnen und wie viele Geflüchtete eine eigene Wohnung beziehen konnten.

Olha Rusinova möchte jetzt für immer in Deutschland bleiben. In Kiew habe sie keine Familie mehr, ihr einziger Bruder sei mit seinen Kindern und seiner Frau nach Sasel gezogen. Auch Olha Rusinova hofft nun, sich hier in Bergedorf ein neues Leben aufbauen zu können.