Bergedorf. Die gedruckte Ausgabe hat Zuwachs bekommen. Heute arbeitet die Redaktion crossmedial – und sitzt wieder mitten in Bergedorf.
Die vergangenen zwei Jahrzehnte waren heftig für die Bergedorfer Zeitung: Kräftig durchgeschüttelt von den Turbulenzen, die den gesamten Journalismus erfasst haben und bis heute alle Bereiche der Medienwelt grundlegend verändern. „Aber überlebt“ ist da für eine Lokalzeitung schon ein Prädikat, das aufhorchen lässt angesichts zahlloser Schließungen gerade auch unter den kleineren Tageszeitungen – und aktuell beim Hamburger Traditionsverlag Gruner+Jahr.
Tatsächlich gestaltet sich die Perspektive für die bz sogar deutlich optimistischer: Zwar ist auch bei uns fast nichts so geblieben, wie es noch zur Jahrtausendwende war. Aber vielleicht liegt genau in dieser Bereitschaft zur Verwandlung samt erster Erfolge auf dem digitalen Markt die Zukunft für Hamburgs letzte Lokalzeitung, die ganz nebenbei jetzt auch die Älteste im Funke-Konzern ist, zu dem wir seit 2013 gehören.
Bergedorfer Zeitung: In guter Gesellschaft mit Abendblatt und „Hörzu“
Manchmal gehört wohl einfach Glück dazu, sich in der rasant wandelnden Medienwelt zu behaupten. Dazu zählt sicher der nun zehn Jahre zurückliegende Verkauf unseres Verlags „Bergedorfer Buchdruckerei von Ed. Wagner“, der damals von einer 100-prozentigen Tochter des Springer-Konzerns zu einer ebensolchen der Essener Funke Mediengruppe wurde.
Bei Funke gesellte sich die bz in einen Kreis von Lokalzeitungen, wie es ihn bei Springer schon seit 2009 nicht mehr gab, als sich der Verlag von zahlreichen kleineren Tageszeitungen in Norddeutschland getrennt hatte. Gleichzeitig profitierte unser Haus durch den Fortbestand der engen Kontakte zum Abendblatt, nun unter der Flagge des Essener Großverlags.
Druckerei schließt 2005, das Aus der Druckvorstufe folgt 2016
Was gut klingt, hatte allerdings auch Schattenseiten: Nachdem bereits 2005 die Druckerei der bz noch von Springer geschlossen worden war und die Zeitung seither bei den „Kieler Nachrichten“ gedruckt wurde, setzte auch Funke den Rotstift an: 2016 wurde die Druckvorstufe aufgelöst, ihre Arbeit verlagerte der Konzern nach Thüringen.
Neben allen diesen grundlegenden Entscheidungen, die den Verlag der Bergedorfer Zeitung buchstäblich „von oben“ trafen, änderte sich auch die Arbeit in unserer Redaktion seit der Jahrtausendwende erheblich. 1999 blickte die Beilage zu unserem 125-jährigen Bestehen auf den Redakteursalltag vor bald 25 Jahren. Unter der Überschrift „Ein Tag bei der ,bz’“ heißt es dort: „9.30 Uhr: Noch herrscht relative Ruhe im Großraumbüro im zweiten Stock des Verlagshauses am Curslacker Neuen Deich. Nach und nach treffen die Redakteure ein. Der erste Griff gilt meistens dem Kaffeebecher, der zweite den Hamburger Tageszeitungen: Haben die Kollegen etwas berichtet, was uns entgangen ist? Haben sie vielleicht manche Themen besser aufbereitet?“
Redaktionsalltag vor 25 Jahren: Das Telefon als wichtigstes Arbeitsgerät
Es folgte das Durchsehen der eingetroffenen Briefe und der Agenturmeldungen der vergangenen Nacht sowie erste Anrufe bei der örtlichen Polizei und Feuerwehr. „10.30 Uhr: Mit den Kollegen unserer Anzeigenabteilung wird geklärt, wie viel Platz auf den einzelnen Seiten der nächsten Ausgabe für die redaktionelle Berichterstattung zur Verfügung steht. Mittlerweile wird an vielen Arbeitsplätzen telefoniert, ein Gewirr von Stimmen: Redakteure rufen Kontaktleute in Vereinen, Parteien und der Verwaltung an, fragen nach Neuigkeiten und danach, wie sich bereits bekannte Dinge entwickeln.“
Zudem klingelten auch in der Redaktion ständig die Telefone: „Leser melden sich mit Neuigkeiten, Beschwerden und manchmal auch Lob. Viele wollen eine Auskunft, manche ihrem Alltagsärger Luft machen. Nicht selten ist das der Stoff, aus dem die Aufmacher entstehen.“
Vom Fokus auf den Redaktionsschluss um 20.30 Uhr zur crossmedialen Arbeit
Weiter ging es mit der Redaktionskonferenz um 12.30 Uhr: „Im täglichen Wettlauf gegen die Uhr wird es nun langsam ernst. Denn ab 13.30 Uhr werden die ersten Seiten layoutet. Reporter, die auf Terminen waren, ,hacken’ ihre Berichte in den Computer, die ersten Filme kommen aus der Foto-Entwicklung im Haus.“
Die Hektik hielt bis in den Abend hinein an, denn um 19.30 Uhr mussten die Seiten möglichst komplett fertig sein: „20.30 Uhr: An einer Schiene an der Wand der Redaktion hängen die Zeitungsseiten von morgen. Ein letzter Blick auf Überschriften und Fotos: Wo verstecken sich noch Schreibfehler? Gibt es eine Text-Bild-Schere, also einen Widerspruch zwischen Titelzeile und Foto? Kleinere Korrekturen sind an den Lokalseiten jetzt noch möglich, nur passieren darf in Bergedorf jetzt nach Möglichkeit nichts mehr – bis morgen ein neuer Wettlauf gegen die Uhr beginnt.“
Heute gibt es diesen zentralen Fokus auf den Andrucktermin kurz vor Mitternacht nicht mehr. Die Redaktion der Bergedorfer Zeitung arbeitet im Jahr 2023 crossmedial. Zwar gibt es weiterhin die gedruckte Zeitung, die natürlich vergleichbare Arbeitsabläufe wie vor 25 Jahren erfordert und längst noch nicht unwichtig geworden ist.
Außerdem erscheinen unsere Artikel heute sofort nach der Fertigstellung online auf unserer Homepage, werden über Facebook und andere Kanäle der Sozialen Medien ausgespielt und erscheinen schon am späten Abend als E-Paper – die papierlose Tageszeitung, die auf dem Computer oder dem Mobiltelefon aufgerufen werden kann.
Die Bergedorfer Zeitung von heute schläft nie
Die neuen Kanäle haben den großen Vorteil, dass wir die Neuigkeiten sofort und nicht erst mit einem Tag Verzögerung unseren Lesern präsentieren können. Das hat natürlich auch die Arbeitsabläufe in der Redaktion verändert: Die Bergedorfer Zeitung von heute schläft nie, weil jede News so schnell wie möglich auf die Homepage gelangen muss. Deshalb arbeiten wir seit mittlerweile fünf Monaten nun sogar nach dem Prinzip „online first“: Alle Redakteure schreiben ihre Texte zunächst als Version für die Homepage, bevor sie später als sogenannte „Print-Version“ für die Tageszeitung aufbereitet werden.
Damit das mit dem stets aktuellen Internet-Auftritt auch rund um die Uhr klappt, hilft uns die enge Kooperation mit den Kollegen des „Hamburger Abendblatts“, mit dem wir uns mittlerweile einen Online-Auftritt unter www.abendblatt.de/bergedorf teilen.
Lokale Kompetenz wird großgeschrieben – mit Sitz in Bergedorf
Gleichzeitig gilt aber weiter: Was Bergedorf betrifft, wird von der Bergedorfer Zeitung recherchiert, fotografiert, geschrieben und gern auch kommentiert. Schließlich soll bei uns auch in Zukunft die lokale Kompetenz großgeschrieben. Immerhin geht es darum, das zu erhalten, was die Leser von uns erwarten: Die Sensationen und Entwicklungen im Osten Hamburgs durch die Bergedorfer Brille zu betrachten – und das neben allen modernen digitalen Kommunikationsformen auch weiterhin in gedruckter Form, als „echte“ Tageszeitung vor Ort.
- 1943: Nazis beschließen das Aus der Bergedorfer Zeitung
- Vom Ein-Mann-Betrieb zur täglichen Bergedorfer Zeitung
- Wie Karl Mührl die linke APO und Axel Springer beschwichtigt
Klares Zeichen für diese Nähe zu unseren Lesern ist ganz nebenbei die Rückkehr der bz-Redaktion in die Bergedorfer City: Vom 3. auf den 4. November 2021 zogen Redaktion und Anzeigenabteilung, die heute Media-Service heißt, vom mittlerweile alten Verlagshaus am Curslacker Neuen Deich in unseren neuen Sitz im Neubau des Schüttfort-Hauses mit Adresse Chrysanderstraße 1, direkt an den Anfang der Fußgängerzone Sachsentor.
Es war eine Entscheidung der Funke-Konzernzentrale in Essen und ihrer Geschäftsführung in Hamburg: „Die ,Bergedorfer Zeitung’ gehört ins Herz von Bergedorf“, sagt bz-Verlagsleiter Ulf Kowitz über das Ende der gut fünf Jahrzehnte im Gewerbegebiet am Curslacker Neuen Deich nahe der A-25-Anschlussstelle Bergedorf. „Im Jahr 1967 war es eine kluge Entscheidung der damaligen bz-Verlegerfamilie Wagner, mit dem Stammsitz ihrer Buch- und Zeitungsdruckerei samt der 250 Mitarbeiter vom Bergedorfer Markt gut 500 Meter weiter an die Peripherie der Innenstadt zu ziehen. Heute gehört eine moderne und lebendige Tageszeitung aber wieder mitten in die City.“