Bergedorf. Anbieter Vay startet europaweit erste Testphase für autonomes Fahren. Fahrer der weißen Kia sitzen anderenorts am Computer.

Sie nennen es einen „historischen Moment für die Mobilität der Zukunft“: In Nettelnburg sind ab sofort Mietautos ohne Fahrer unterwegs. Das Berliner Start-up-Unternehmen Vay hat von Hamburgs Behörde für Verkehr und Mobilitätswende die europaweit erste Ausnahmegenehmigung erhalten, um drei elektrische Kia Niro ohne Mensch am Steuer auf eine öffentliche Straße zu bringen – vorerst allerdings noch ohne Fahrgäste.

Das Nettelnburger Projekt ist laut Vay-Chef und -Mitgründer Thomas von der Ohe der entscheidende Schritt zur fahrerlosen Personenbeförderung: „Wir sind schon seit mehr als drei Jahren mit ferngesteuerten Elektro-Autos auf öffentlichen Straßen in Berlin und Hamburg unterwegs.“ Dabei war aber noch ein sogenannter Sicherheitsfahrer Pflicht, also eine Person auf dem Fahrersitz, die allerdings nicht eingreifen soll. Mit der nun vorliegenden Ausnahmegenehmigung dürfe der Platz hinter dem Steuer erstmals leer bleiben.

Fahrerlos unterwegs: Vay schafft eine europäische Alternative zur künstlichen Intelligenz am Steuer

Trotzdem verzichtet Vay nicht ganz auf den Menschen, schafft quasi eine europäische Alternative zur künstlichen Intelligenz, die in den USA schon bei einigen Projekten das Lenkrad übernommen hat. Gesteuert werden die weißen Kia mit dem blauen „Vay“-Schriftzug von der sogenannten Telefahrstation aus, die sich in der HafenCity befindet. Dort sind die Cockpits der Autos nachgebaut und bei jedem Einsatz mit dem tatsächlichen Fahrer besetzt, der auch per Kopfhörer mit dem Innenraum des Fahrzeugs verbunden ist. Er steuert das Auto dann per Online-Verbindung aus knapp 20 Kilometer Entfernung durch Nettelnburgs teils enge, von vielen geparkten Autos gesäumte Straßen.

Blick in die Telefahrstation in der Hafencity: Von hier aus werden die Autos durch Nettelnburg gelenkt.
Blick in die Telefahrstation in der Hafencity: Von hier aus werden die Autos durch Nettelnburg gelenkt. © Vay | Maximilian Probst

Die Geschwindigkeit gibt Vay-Sprecherin Anja Rechtsteiner auf Nachfrage unserer Zeitung mit etwa 30 Kilometer pro Stunde an. Eine Bummel-Tour wie im Herbst 2021 ist damit nicht zu befürchten. Damals brachten die „E-Moin“-Shuttlebusse der VHH es im Villengebiet auf kaum mehr als Schrittgeschwindigkeit. „Wir fahren im Stadtverkehr und daher im Stadtverkehrstempo“, schreibt Rechtsteiner.

Autos werden per App direkt vor die Haustür bestellt

Offen lässt sie dagegen alle Fragen nach dem Zeitpunkt, wann tatsächlich auch Fahrgäste zugelassen sind und den Service erstmals per App bis vor ihre Haustür ordern können: „Dazu können wir leider noch keine genau Auskunft geben“, verweist sie auf noch ausstehende Genehmigungen. Ziel sei es aber, alles so schnell wie möglich zu realisieren: „Wir werden im nächsten Schritt gemeinsam mit den Behörden an den notwendigen Genehmigungen für den Launch des Services arbeiten. Auf lange Sicht wollen wir in ganz Hamburg unterwegs sein.“

Die Kosten für die Nutzer sollen sich dann im Bereich von Carsharing-Angeboten bewegen – mit einem entscheidenden Vorteil: Wer mit Vay fährt, braucht keinen Parkplatz zu suchen. Die Telefahrzentrale bietet einen sogenannten Tür-zu-Tür-Service, lenkt das Fahrzeug direkt zum Kunden und nach der bestellten Fahrt auch gleich wieder weg – entweder zur nächsten Bestellung oder in festgelegte Wartebereiche. Während der gebuchten Tour fährt der Fahrgast selbst.

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) ist begeistert: „Hamburg ist Vorreiter im Bereich digitaler und innovativer Mobilitätsangebote. Wir wollen sie bedarfsgerecht genau dort einsetzen, wo sie eine echten Mehrwert für die Menschen in ihrer täglichen Mobilität bringen.“