Hamburg. CDU kritisiert Senat: Soll wegen der Verkehrswende nur jede dritte Wohnung einen Pkw-Stellplatz erhalten? Die Antwort ist unklar.
Es klingt nach einer ganz einfachen Rechenaufgabe: Wie lässt sich die Zahl der geplanten Pkw-Stellplätze in Oberbillwerder von derzeit 0,6 je Wohnung so schrumpfen, dass am Ende nur 20 Prozent der Haushalte im Zukunftsstadtteil ein Auto besitzen?
Darüber brüten offenbar schon seit Monaten die Experten der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende des grünen Senators Anjes Tjarks und des Oberbillwerder-Entwicklers IBA Hamburg. Das belegt das Protokoll der Januar-Sitzung vom Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft. Dabei ist die Lösung der Aufgabe kinderleicht: Der Stellplatzschlüssel muss runter auf 0,35. Schließlich sind darin neben den Bewohnern selbst auch noch die Autos ihrer Gäste sowie die der sonstigen Besucher und Arbeitskräfte im Stadtteil enthalten.
Vekehrswende: Stellplatzschlüssel soll von 0,6 pro Wohnung reduziert werden
Doch was rechnerisch logisch klingt, ist außerhalb der Mathematik nicht leicht durchzusetzen. Denn eigentlich haben sich Hamburgs Senat, Bergedorfs Bezirksversammlung und die IBA im Masterplan für Oberbillwerder bereits 2019 ganz offiziell auf 0,6 Stellplätze je Wohnung geeinigt. Wer das Papier genau liest, entdeckt aber, dass dort an anderer Stelle auch schon von einem „Ziel“ die Rede ist, den motorisierten Individualverkehr auf 20 Prozent zu drücken.
„Was gilt denn nun?“, wollte Bergedorfs CDU-Fraktion in einem Auskunftsersuchen wissen – und erfährt in der Antwort nun: „Eine Reduzierung des Stellplatzschlüssels zur Erreichung des Ziels eines autoarmen Stadtteils ist momentan noch in der fachlichen Diskussion.“ Das Ergebnis werde im Mobilitätskonzept vorgestellt – voraussichtlich nach der Sommerpause.
Herausstechende Angebote an Alternativen zum Pkw
Das schlug in der jüngsten Bezirksversammlung hohe Wellen. Zwar versuchte Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann (SPD) die Wogen zu glätten, indem sie unterstrich: „Die Behörden halten am Masterplan fest, also am Schlüssel von 0,6“, was jeder zweiten Wohnung einen Stellplatz garantiere. „Aber wieso wird dann bereits über 0,35 diskutiert?“, hielt CDU-Fraktionschef Julian Emrich dagegen.
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Auf Nachfrage unserer Zeitung heißt es von der IBA, dass das Mobilitätskonzept eine ganze Reihe „herausstechender Angebote“ an Alternativen zum privaten Pkw schaffe. Also sei „damit zu rechnen, dass der tatsächliche Stellplatzbedarf niedriger ausfällt“, als die im Masterplan genannten 0,6.
Schlüssel schon gesenkt?
Die Verkehrsbehörde geht sogar noch weiter: Der Schlüssel sei bereits gesenkt worden, gaben ihre Experten im Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft im Januar zu Protokoll. Denn: „Man muss mutiger sein bei der Festsetzung des Schlüssels und nicht erst abwarten, bis sich ein entsprechender Prozess durchsetzt.“
Für Bergedorfs CDU klingt das logisch. „Alles Gerede vom Festhalten am Schlüssel von 0,6 ist nur Hinhaltetaktik. In Wirklichkeit wurde die Reduzierung von der Behörde längst angewiesen“, sagt ihr Verkehrsexperte Jörg Froh.
FDP pocht auf Masterplan
Für ihn ist das ein weiteres Indiz dafür, dass sich der umstrittene, von der CDU grundsätzlich abgelehnte Stadtteil Oberbillwerder bei seiner Realisierung über alle mit Bergedorfs Koalition abgestimmte Vorgaben hinweg setzen werde.
FDP-Fraktionschefin Sonja Jacobsen hält dagegen: „Mit uns wird es keine Korrektur der Stellplatzquote nach unten geben. Der Masterplan mit seinen Vorgaben ist Teil unseres Koalitionsvertrages mit SPD und Grünen in der Bezirksversammlung.“ Sie halte nichts von der Logik des grünen Verkehrssenators, dass Stellplätze Autos anziehen. „Es sind die Menschen in Oberbillwerder, die auf Autos angewiesen sind, etwa wenn sie beruflich im Außendienst arbeiten.“