Bergedorf. Christoph Marquard Ed, Redakteur mit spitzer Feder, gilt als der Urvater unserer Zeitung. Warum er Bergedorf jedoch wieder verließ.
Der Urvater unserer Zeitung ist mit dem allerersten Personenzug geflohen, der jemals von Hamburg nach Bergedorf gefahren ist: Anfang Mai 1842 kam der Drucker, Verleger und Redakteur Christoph Marquard Ed samt Familie hierher, weil ihre Wohnung vom großen Hamburger Brand zerstört worden war. Mit vielen Hundert anderen Obdachlosen nutzten die Eds die nicht einmal offiziell eingeweihte, 16 Kilometer kurze erste Eisenbahnstrecke Norddeutschlands bis zu deren Endbahnhof auf dem Frascatiplatz.
Der Mann sollte sich in den folgenden zwei Jahrzehnten durch seine spitze Feder nicht nur Freunde machen. Dank seines großen Engagements für den Bürger- und den Schützenverein, das Schulwesen und die Sparkasse des kaum 2000 Einwohner kleinen „Städtchens“ Bergedorf erarbeitete er sich aber auch großes Ansehen. Schon kurz nach seiner überstürzten Ankunft übernahm Ed, damals 33 Jahre jung, das „Bergedorfer Wochenblatt“ – und führte die bis dahin kaum gewinnträchtige winzige Zeitung zu ihren ersten großen Erfolgen.
Bergedorfs erste Zeitung erschien im Januar 1814
Wer sich angesichts dieser Jahreszahlen und unseres 2024 anstehenden Jubiläums zum 150. Geburtstag die Augen reibt: Wir blicken in diesem Teil unserer Serie zurück auf die Ursprünge der Bergedorfer Zeitungsgeschichte bis zur Ära von Christoph Marquard Ed. Die liegt weit vor dem Jahr 1874, auf das Axel Springer später den Start der „Bergedorfer Zeitung“ als Tageszeitung datierte – was auch der Anlass für unsere Jubiläumsfeierlichkeiten im kommenden Jahr ist.
Tatsächlich ist die vermutlich erste Zeitung Bergedorfs schon im Januar des Jahres 1814 erschienen. Unter dem Titel „Der Hanseatische Merkur“ kam das „kleine Blatt“ einmal wöchentlich heraus, wie unsere Zeitung vor 89 Jahren recherchierte: „Den Inhalt bildeten kurz gefasste Tagesbegebenheiten, geschichtliche Erzählungen und Gedichte.“
Die Nachwirkungen der Jahre 1811 bis 1813, als Bergedorf zu Frankreich gehörte
Einer der Herausgeber soll der spätere Bürgermeister Nicolaus Daniel Hinsche gewesen sein. Er könnte mit der Gründung des Blattes einem neuen bürgerlichen Selbstbewusstsein entsprochen haben. Denn Bergedorf war gerade erst von der napoleonischen Besatzung befreit worden, die den Menschen in den feudalistisch geprägten deutschen Staaten viele neue Freiheiten aus der Französischen Revolution bescherte. Vielleicht überwog aber auch die Freude über die „Befreiung“. Bergedorf war von 1811 bis zum Frühjahr 1813 Teil des Französischen Reichs gewesen.
Die Geschichte des „Hanseatischen Merkur“ scheint aber kurz gewesen zu sein, er überlebte vermutlich kaum mehr als zwei Jahre. Kontinuierlicher ging es auf dem Bergedorfer Zeitungsmarkt ab 1824 zu. Jetzt erhielt der Tischlersohn und gelernte Buchdrucker Christian Andreas Meldau „die Erlaubnis zur Herausgabe einer wöchentlichen Zeitung“.
„Die Sonntagszeitung“ – ein Unterhaltungsblatt von 1824
Sie erschien unter dem Titel „Die Sonntagszeitung“ und findet auch in den Jugenderinnerungen des Bergedorf-Chronisten Friedrich Stoffert (1817-1910) Erwähnungen: „Sie wurde jeden Sonnabend ausgegeben“ und sei 16 Seiten stark gewesen. Sie „beschränkte sich darauf, vornehmlich Unterhaltungsblatt zu sein, brachte manches und dies in Kürze, viel Vermischtes, das allgemeines Interesse hatte, dazu Silbenrätsel, amtliche Erlasse und Geschäfts- und andere Anzeigen“.
Stoffert zeigt sich in seinen zwischen 2006 und 2021 vom Kultur- & Geschichtskontors herausgegeben Erinnerungen beeindruckt vom kraft- und zeitraubenden Druckvorgang: „Jede Seite erforderte eine Pressung durch das (handbetriebene) Hebelwerk.“ Diese Eisenstange mit Holzgriff musste „mit beiden Händen und der ganzen Manneskraft in Tätigkeit gesetzt werden“. Anschließend musste Christian Andreas Meldau die Seite herausnehmen und eine neue einspannen. „Und dieses alles besorgte gewöhnlich der eine Mann.“
Wirtschaftlicher Aufschwung durch Bergedorfs Eisenbahnanschluss
Die Zeitung wurde 1830 in „Bergedorfer Bote“ und 1831 in „Bergedorfer Wochenblatt“ umbenannt, scheint seinen Verleger samt Familie aber nur mit großer Not ernährt zu haben. „Es erweckte mir oft ein wehmütiges Gefühl, wenn ich den intelligenten Mann mit so viel Resignation seinen beschwerlichen Lebensweg gehe sah“, schreibt Stoffert.
Mit dem Verkauf an Christoph Marquard Ed im Mai 1842 sollten sich die Einnahmen schnell ändern. Schon im selben Sommer erschien das Blatt „in neuem und vergrößertem Format“, vermerkt Friedrich Stoffert, der die Eröffnung der Eisenbahnlinie 1842 von Hamburg bis zum Frascatiplatz und Ende 1846 auf der heutigen Trasse bis nach Berlin als wichtigen wirtschaftlichen Aufschwung für das kleine Bergedorf und seine Zeitung beschreibt: „Ed war der richtige Mann, ein solches Geschäft unter den obwaltenden Verhältnissen emporzugringen. So war es kein Wunder, wenn aus der kleinen Sonntagszeitung bald ein mehrere Male erscheinendes Blatt ward, das wiederholt Form und Namen wechselte, bis es sich zu einem großstädtischen Organ herausgebildet.“
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Die „Eisenbahnzeitung“ hatte Leser bis nach Lübeck und Mecklenburg
Unter dem Namen „Bergedorfer Wochenblatt“ und später „Eisenbahnzeitung“ steigerte Ed das Erscheinen ab Januar 1860 schließlich sogar auf sechs Ausgaben pro Woche. Damit machte er es zur ersten Tageszeitung Bergedorfs. Mehr noch: Er erschloss auch die Nachbarstädte, fand Leser bis nach Lübeck und Mecklenburg. Von 1848 bis 1851 gab er mit dem „Lauenburger Grenzboten“ sogar eine zusätzliche Wochenzeitung als Beiblatt heraus.
Durch seine dezidiert liberalen Positionen riefen Eds Artikel häufig die staatlichen Zensurbehörden auf den Plan. Zudem gab es etliche Klagen von Bürgern, die sich in seinen Artikeln beleidigt oder verleumdet fühlten. Viele Prozesse verlor Christoph Marquard Ed, was die Zeitung trotz des großen Erfolgs durch hohe Strafgelder immer mal wieder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ließ.
Bergedorfer Zeitung erschien unter der Leitung von Eduard Wagner täglich
1865 verließ Ed schließlich Bergedorf in Richtung Lübeck und nahm auch seine „Eisenbahnzeitung“ mit. So waren Bergedorfer plötzlich wieder ohne eigene Zeitung, was vielen gar nicht gefiel. Nachdem Anfang 1866 eine Buchdrucker-Genossenschaft mit ihrem Blatt gescheitert war, gründeten sie eine Aktiengesellschaft, die vom 1. Oktober 1866 an laut Genehmigungsurkunde der Oberpostdirektion Schleswig-Holstein „in Bergdorf ein politisches Tageblatt“ herausbrachte, das zumindest als Untertitel unseren heutigen Namen trug: „Nordischer Courier – Bergedorfer Zeitung“.
Nach einigen Jahren voller wirtschaftlicher Turbulenzen und einem erneuten Abwandern der Druckerei, jetzt nach Wandsbek, übernahm ein Geschäftsführer die in Bergedorf verbliebene Filiale des Verlags. Er sollte die Zukunft der Zeitung über die kommenden Jahrzehnte prägen: Eduard Wagner. Unter seiner Leitung erschien die Zeitung ab Januar 1874 täglich. Am 15. September 1883 übernahm er dann das ganze Unternehmen. Mit dieser Ausgabe erschien die „Bergedorfer Zeitung“ im Verlag „Bergedorfer Buchdruckerei von Ed. Wagner.“