Boberg. 40 Ärzte hospitieren in den Verbrennungszentren der BG Kliniken, um Kriegsopfern in ihrer Heimat zu helfen.

So sehr können die Lebenswelten auseinanderklaffen. Im Schwerbrandverletztenzentrum des BG Klinikums Hamburg-Boberg haben es die Ärzte aktuell mit vielen Brandwunden als Folge der Corona-Pandemie zu tun: heiße Getränke, die im Homeoffice vom Schreibtisch auf die Beine kippten oder Feuerverletzungen nach Alkoholexzessen und depressiven Phasen in der Isolation.

Doch die Arztkollegen, die derzeit an der Boberger Unfallklinik zu Gast sind, sehen in ihrer Heimat ganz andere Fälle: schwerste Brandwunden nach Raketeneinschlägen und Gefechten, oft in Verbindung mit zahlreichen anderen Kriegsverletzungen wie etwa Brüchen. Seit Anfang November hospitieren auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit, organisiert durch das Moldova-Institut Leipzig, deshalb nach und nach etwa 40 Ärztinnen und Ärzte aus der Ukraine in Verbrennungszentren der BG Kliniken. So auch in Boberg mit seinem hoch spezialisierten Schwerbrandverletztenzentrum.

Im UK Boberg arbeiten Spezialisten für Brandverletztentherapie

Es gibt viel aufzuholen für die ukrainischen Ärzte, denn „in der Brandverletztentherapie sind sie sicher etwa 30 bis 40 Jahre zurück“, sagt Mikalai Bohdan, Spezialist für Verbrennungsmedizin im BG Klinikum. So werde in der Ukraine noch immer tote Haut oder auch die Haut von Tieren verpflanzt, „was wir hier schon seit Jahrzehnten nicht mehr tun“. Auch Ananas-Extrakt, das zwar teuer ist, aber auch hervorragend bei tieferen Verbrennungen eingesetzt werden kann, kannten die Ukrainer nicht, sagt Bohdan, der sich als gebürtiger Weißrusse mit den Ukrainern verständigen kann.

Um das Leid der Menschen und der Soldaten in der Ukraine zu minimieren und ihre Brandverletzungen besser zu behandeln, geht es deshalb ganz klassisch ums richtige Wundmanagement. Denn damit könne inzwischen so manche Operation vermieden werden, sagt Mikalai Bohdan. Verband, Salbe, bestimmte Antiseptika, das alles richtig ausgeführt könne erstaunlich viel bewirken.

„Wir haben aktuell einen jungen Mann aus der Ukraine bei uns, der große Defekte hatte“, sagt der Boberger Arzt. Dennoch sei der Ukrainer dank richtigem Wundmanagement um eine Operation herumgekommen. Hilfreiche Einblicke, meint Anton Kovalenko, Chirurg aus Kiew: Der fachliche Austausch über Verfahren und Materialien sei „intensiv“ gewesen, lobte er. Er sei den deutschen Kollegen „dankbar für die Zeit, die sie sich hier für uns genommen haben“.

Die ukrainischen Ärzte bleiben jeweils für zehn Tage in Boberg

Das Zentrum für Schwerbrandverletzte verfügt neben einer Brandverletztenintensivstation mit sechs Betten auch über eine Akutstation – jeweils mit speziell geschultem Pflegepersonal. Brandverletzungen sind aufwendig: „Viele Patienten liegen hier ein halbes Jahr“, sagt Bohdan. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen Dr. Kathleen Hennecke und Karina Baier begleitet Mikalai Bohdan die ukrainischen Ärzte, die jeweils zehn Tage bleiben und dann von anderen abgelöst werden.

Die ukrainischen Ärzte gewinnen Einblicke auf beiden Stationen sowie im OP, aber auch in administrative Abläufe. Das Know-how wollen die Ukrainer – aktuell ein Anästhesist und ein Rehamediziner – in die Heimat tragen, weiß Bohdan: Einer der Ärzte plane den Aufbau eines solchen Brandverletztenzentrums wie Boberg in Kiew.

Neben Hamburg beteiligen sich auch die Standorte Berlin, Bochum, Duisburg, Halle, Ludwigshafen und Murnau an den Hospitationsaufenthalten in den BG Kliniken. Auch Anästhesisten hospitieren an den deutschen Kliniken. Das BG Klinikum Hamburg erwartet in den kommenden Wochen vier weitere ukrainische Ärzte zur Hospitation im Zentrum für Schwerbrandverletzte.