Hamburg. Verbandspräsident Gunther Bonz fühlt sich von der Stadt im Stich gelassen. Was er fordert, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben.
Gunther Bonz führt seit elf Jahren als Präsident den Unternehmensverband Hafen Hamburg. Zudem ist der ehemalige Staatsrat der Wirtschaftsbehörde seit 2010 Präsident der europäischen Vereinigung der Hafenbetriebe, Feport in Brüssel. Im Abendblatt-Gespräch wirft er dem Senat vor, den Hafen zu vernachlässigen und keine einheitliche Politik zu verfolgen. Zudem fordert er mehr Geld.
Hamburger Abendblatt: Vor einem Jahr haben Sie wegen der Pandemie ein düsteres Bild für die Zukunft der Hafenwirtschaft gezeichnet. Wie ist die Situation heute?
Gunther Bonz: Nach den zwei Jahren Pandemie geht es einigen Firmen wieder gut, andere haben noch mit den Verzögerungen der Logistikketten zu kämpfen. Sie haben aber alle in der schweren Zeit eine hohe Leistungsfähigkeit bewiesen.
Der Halbjahresbericht hat gezeigt, dass der Hamburger Hafen sogar Marktanteile zurückgewonnen hat. Ist das ein Trend?
Es ist eine Momentaufnahme, aber eine die sich verstetigen könnte, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit des Hafens weiter verbessern. Große Sorgen machen uns allerdings die internationalen Rahmenbedingungen und die hohen Energiekosten.
Bäcker können die Backzeiten reduzieren, Dienstleister die Heizung in Büros runterdrehen. Kann man im Hafen Container einfach nicht verladen, um Energie zu sparen?
Eben nicht. Wir versuchen natürlich auch Energie zu sparen, aber wenn Waren, Container oder Massengut bewegt werden soll, müssen wir Energie einsetzen. Es sei denn, wir wollen weniger Verkehr. Und dann haben wir wieder die Schwierigkeiten, die wir noch vor einigen Monaten hatten, als es darum ging, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Das macht uns große Sorgen. Jetzt rächt sich, dass in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren eine verfehlte Energiepolitik betrieben wurde.
Meinen Sie, dass man zu sehr auf Russland als Versorgungspartner gesetzt hat?
Es zeigt sich, dass wir nicht gleichzeitig aus Atomkraft und Kohle aussteigen können, ohne das eine Grundlastversorgung sichergestellt ist. Davor haben wir immer gewarnt. Und zu Russland ist Folgendes zu sagen: Als Hamburg damals vor der Entscheidung stand, ein neues Kraftwerk in Moorburg zu bauen, hatte sich der damalige Bürgermeister Ole von Beust bewusst für ein Kohlekraftwerk entschieden, weil er die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren wollte. Und ausgerechnet dieses modernste Kohlekraftwerk Europas hat man aus politisch-ideologischen Gründen im vergangenen Jahr stillgelegt. Eine klare Fehlentscheidung. Diese Energie fehlt uns jetzt.
Sie haben die gestörten Logistikketten angesprochen. Eine Auswirkung ist der Platzmangel im Hafen, die Lager sind voll, was zu weiteren Verzögerungen bei der Schiffsabfertigung führt. Müsste man nicht dringend neue Lagerflächen schaffen?
Die Terminals unternehmen alles um die Stauungen zu bewältigen. Aber die Flächen auf den Terminals sind begrenzt. Auch das ist politisch so gewollt. Vonseiten der Grünen wird uns ab und zu vorgeworfen, dass der Hafen zu viele Flächen verbrauche. Jetzt zeigt sich, dass man bestimmte Areale einfach vorhalten muss, um flexibel auf die Lage zu reagieren. Die fehlen im Hafen. Das kann uns noch böse auf die Füße fallen, weil wir schon die Vorboten einer Rezession in der Wirtschaft sehen. Kommt diese und die Kaufkraft sinkt, kann es passieren, dass Kunden die Abnahme von Waren verweigern. Das wird die Lager noch mehr belasten. Wir müssen die Flächenversorgung im Hamburger Hafen grundlegend überdenken.
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Wie passt dazu, dass die Hafenbehörde Hamburg Port Authority derzeit die Mieten und Pachten für zahlreiche Firmen im Hafen deutlich erhöht?
Das passt überhaupt nicht zusammen, und wir sehen diese Entwicklung mit großer Sorge. Unser Verband registriert zunehmend Beschwerden von Unternehmen, die ihre Investitionen in den Standort zurückstellen, aufgrund neuer Pachtverträge.
Von welcher Größenordnung bei den Mieterhöhungen sprechen wir?
In der Regel geht es um mindestens eine Verdreifachung der bisherigen Mietsumme. Wir haben aber auch Unternehmen, bei denen die Mietforderungen das bisherige Maß um mehr als 1000 Prozent übersteigen. Das ist in der derzeitigen Situation nicht leistbar, zumal wir in Hamburg im Vergleich mit den Wettbewerbshäfen die höchsten Miet- und Pachtsätze haben. Hintergrund dieses Anstiegs ist, dass die HPA vom Senat vernachlässigt wird.
Inwiefern?
Sie bekommt nicht genug finanzielle Mittel, um ihre Aufgaben zu erfüllen. In ihrer Not versucht die HPA jetzt, sich das notwendige Geld für die öffentliche Infrastruktur von den Unternehmen zu holen.
Die HPA erhält doch jährlich zusammen mit den Bundesmitteln mehr als 100 Millionen Euro von der Stadt. Reicht das nicht?
Nein. Zehn Prozent der Hamburger Staatsfläche sind Hafen. Und die HPA muss diese zehn Prozent Staatsfläche mit gut 150 Millionen Euro im Jahr unterhalten, also Straßen Brücken, Tunnel, Gleise Kaimauern. Das ist viel zu wenig. Vergleichen wir das mit anderen Ressorts. Die Wirtschaftsbehörde wird ab Januar 2023 den kleinsten Etat von allen Hamburger Behörden haben. Und mit diesem Mini-Etat kann man nicht einen großen internationalen Hafen und zehn Prozent der Hamburger Staatsfläche unterhalten.
Wie viel Geld benötigt der Hafen im Jahr?
Es wurde schon vor einigen Jahren errechnet, dass er 250 Millionen Euro jährlich benötigt – plus zusätzliche Mittel für die Unterhaltung der notwendigen Wassertiefen und große Infrastrukturvorhaben, wie die Köhlbrandquerung. Gleiches gilt für die Hafenbahn. Es wird immer von der Politik gelobt, dass Hamburgs Hafen in Europa derjenige mit dem höchsten Bahnanteil im Transport ist. Das ist richtig, aber wenn wir weiter CO2 einsparen wollen, muss auch die Hafenbahn mehr Geld bekommen. Das Problem drängt. Die HPA hat unserer Kenntnis nach den Senat gebeten, mehr Geld für die Hafenbahn zu erhalten und wurde abgebügelt.
Sie sagen hier salopp, der Hafen benötigt jährlich mindestens 250 Millionen Euro Betriebsmittel im Jahr. Wie ist denn das in anderen Häfen?
Das ist überhaupt nicht salopp gesagt, sondern fußt auf Berechnungen auch aus der Zeit, als die HPA noch unmittelbar der Stadt unterstellt war. Und im Verhältnis zu anderen Häfen ist das noch wenig. In Rotterdam werden jährlich etwa eine Milliarde Euro zur Unterhaltung des Hafens ausgegeben, in Antwerpen vergleichbare Summen. Hamburgs Hafen ist weit unterfinanziert.
Es gibt doch aus Hamburg die politische Forderung, dass der Bund mehr Mittel zur Verfügung stellt. Geht da nichts?
Das ist richtig. Aber wenn der Bund sieht, dass Hamburg mehr Mittel fordert, aber seine eigene Unterstützung kürzt, dann kommt das nicht gut an.
Hat der Hamburger Hafen für den Senat nur einen geringen Stellenwert?
Leider ja. Er wird von der Politik vernachlässigt. Ein aktuelles Beispiel: Vor wenigen Tagen demonstrierten Umweltschützer gegen den geplanten Bau der Autobahnverbindung A 26-Ost. CDU und Grüne hatten sich schon vor Jahren nach langem Hin und Her darauf verständigt, dass diese gebaut werden soll. Der Bund will die Trasse dankenswerterweise planen und finanzieren. Nun wurde die Wirtschaftsbehörde gefragt, was sie von den Protesten hält. Wir hätten erwartet, dass sie sich massiv für das Projekt starkmacht, stattdessen verlautete aus dem Haus, die
A 26-Ost sei reine Sache des Bundes. Nein, ist sie nicht. Sie ist auch für Hamburgs Hafenwirtschaft unverzichtbar! So muss doch beim Bund der Eindruck entstehen, dass Hamburg kein großes Interesse an der A 26-Ost hat. Der Senat betreibt keine einheitliche Hafenpolitik.
Und wieso nicht?
Weil in der Koalition alles politisch umstritten ist. Und wie einige Grüne zum Hafen stehen, wissen wir ja: jedenfalls nicht positiv.