Hamburg. Opposition aus Linken und CDU sieht „Skandal“ und „Desaster“ im Rathaus Bergedorf. Schwarzenbek bewertet die Pläne anders.

Die Nachricht vom Wegzug der Hauni, ein Unternehmen des Körber-Konzerns, im Jahr 2025 löst in Bergedorf Schockwellen aus – am zweiten Standort Schwarzenbek gibt man sich dagegen gelassen: Für Bürgermeister Norbert Lütjens war die Nachricht keine Überraschung: „Wir haben eine sehr faire und transparente Kommunikation mit dem Unternehmen.“ Als die Fusionspläne beider Standorte 2021 bekannt wurden, sei schnell klar gewesen, dass es in Schwarzenbek und Umgebung die erforderlichen zehn Hektar große Gewerbefläche für die „Fabrik der Zukunft“ nicht gebe. Auch wenn die Stadt das Unternehmen gern gehalten hätte.

Tatsächlich gab es in den vergangenen Monaten intensive Gespräche, um das wichtigste Unternehmen des weltweit tätigen Körber-Konzerns zu halten. Norbert Lütjens schaltete die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises (WFL) ein und holte auch Landrat Christoph Mager ins Boot. „Wir haben uns bemüht. Doch eine Fläche in dieser Größenordnung haben wir nicht im Angebot und werden sie auch künftig nicht realisieren können“, so WFL-Geschäftsführerin Michaela Bierschwall.

Körber-Konzern braucht zehn Hektar Fläche

100.000 Quadratmeter seien so groß wie das gesamte Gewerbegebiet der Gemeinde Grabau, das gerade an der B 207 entwickelt werde. Wenn sich eine Gemeinde so monostrukturell auf eine „Fabrik der Zukunft“ ausrichten wolle, begrüße sie dies natürlich. Es sei aber eben auch ein Risiko, so Bierschwall: „Der Vorteil unseres Kreises ist, dass wir nicht geclustert sind, sondern eine große Vielfalt haben.“

Auch für das etwa vier Hektar große Schwarzenbeker Gelände der Hauni-Tochter Universelle an der Grabauer Straße sieht Bierschwall gute Vermarktungschancen: „Wir haben eine sehr starke Nachfrage nach Gewerbeflächen, die wir nicht bedienen können.“ Auch Lütjens geht davon aus, dass es keinen langen Leerstand geben wird. „Wir bedauern diese Entwicklung sehr, auch wegen der vielen Mitarbeiter, die in unserer Region leben.“ Natürlich fehle der Stadt die Gewerbesteuer. Der Ausfall sei jedoch nicht so groß, dass Schwarzenbeks geplante Großprojekte gefährdet seien. Lütjens setzt auf schnelle Neuansiedlungen.

Opposition aus CDU und Linken wirft dem Bezirksamt Versagen vor

In Bergedorf wird die Absage der Hauni gerade zum Politikum: Die Opposition aus CDU und Linken wirft dem Bezirksamt Versagen vor, weil es das Bebauungsplanverfahren für die Erweiterung des Forschungs- und Innovationsparks an der A-25-Anschlussstelle Bergedorf seit 2020 auf Eis gelegt hatte. Genau diese Fläche war der Hauni aber für den neuen „Körber Campus Hamburg“ angeboten worden.

Spätestens in der kommenden Woche wird sich das Bezirksamt kritischen Fragen der Politik stellen müssen: Zur Bezirksversammlung am Donnerstag, 29. September, haben Koalition wie Opposition für 18 Uhr eine aktuelle Stunde zur Abwanderung der Hauni Maschinenbau GmbH angemeldet. Wie berichtet, will der Körber Konzern sein wichtigstes Unternehmen, das 1946 in Bergedorf gegründet wurde und hier sowie in Schwarzenbek heute mehr als 2000 Menschen beschäftigt, 2025 nach Harburg oder Stapelfeld verlegen.

Wegzug der Hauni hat auch Auswirkungen auf Zulieferbetriebe und Familien

„Dieser Vorgang ist ein Skandal, der seine Ursachen in einem eklatanten Versagen der Bergedorfer Verwaltung hat“, sagt DGB-Chef Ernst Heilmann, der zur Fraktion der Linken gehört. „Die Erweiterungspläne der Hauni sind seit einem Jahr bekannt. Aber trotzdem bringt es unser Bezirksamt fertig, beim Bebauungsplanverfahren für die einzig in Frage kommende Fläche an der A 25-Anschlussstelle Bergedorf zu bummeln. Was kann es wichtigeres geben als Bergedorfs wichtigsten Industriebetrieb?“

So sieht es auch die CDU. „Ein Wegzug der Hauni wird Auswirkungen auf Zulieferbetriebe im Bezirk haben – und natürlich auf die Mitarbeiter und ihre Familien“, sagt Fraktionschef Julian Emrich. „Wie kann ein solches Desaster passieren, obwohl es angeblich immer einen engen Kontakt zwischen Bezirksamt und Hauni gegeben hat?“

CDU-Stadtentwicklungsexperte Sven Noetzel sieht die Ursachen in der Fixierung des Rathauses und der Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf die Wohnungsbau-Vorgaben des Senats: „Es wäre angebracht, sich auch die Sorgen und Nöte der Gewerbetreibenden anzuhören. Doch leider ist echte Standortentwicklung bei Bergedorfs Koalition in schlechtesten Händen.“

SPD will Bebauungsplanverfahren beschleunigen

Das sehen deren Mitglieder naturgemäß anders, erkennen aber die weitreichenden Folgen der Körber-Entscheidung – und setzen auf das Prinzip Hoffnung. „Wir werden jeden Strohhalm nutzen, um die Hauni doch noch in Bergedorf zu halten“, sagt Stephan Meyns (FDP). Und SPD-Fraktionschefin Katja Kramer ergänzt: „Es geht um die Beschleunigung des Bebauungsplanverfahrens, und genau das wird jetzt getan.“

Für beide gilt das auch unabhängig von der erhofften Änderung der Zukunftspläne der Hauni. „Was wir brauchen sind ausreichend Gewerbeflächen, die ansiedlungswilligen Betrieben sofort zur Verfügung stehen – und zudem eine personelle Aufstockung der Wirtschaftsförderung im Bezirksamt“, sagt Meyns.

Wirtschaftsverband gibt sich pessimistisch

Bergedorfs Wirtschaftsverband WSB sieht dagegen wohl keine Chance mehr, den Körber-Konzern noch umzustimmen. „Wir werden uns dafür einsetzen, diesen herben Verlust in Chancen und Potenziale für die Zukunft umzumünzen“, sagt Geschäftsführer Marc Wilken.

Auch der Bergedorfer Investor Rüdiger Gramkow empfiehlt, lieber ohne die Hauni zu planen: „Unter anderem sollte man einen Blick auf das Areal am Weidenbaumsweg 103 richten, wo die Hauni eine Schule für Maschinenbauingenieure betreibt. Eine ideale Alternative zum kaum umzusetzenden Grundschulstandort auf dem ehemaligen Opel-Dello-Gelände. Denn am Weidenbaumsweg gibt es bereits moderne Gebäude mit Klassenzimmern und Büros. Auch eine Kantine und große Hallenflächen für eine mögliche Sporthalle sind vorhanden.“