Hamburg. 30 Jahre nach dem Tod des Bergedorfer Mäzens und Unternehmers steht sein Wohnhaus neugierigen Gästen offen. Was sie dort erwartet.

Gemälde auf holzgetäfelten Wänden, braune Sessel vor einem lodernden Kamin: Das Wohnzimmer am Pfingstberg 10 strahlt eine gemütliche Atmosphäre aus. Hier wohnte der Bergedorfer Mäzen und Unternehmer Kurt A. Körber bis zu seinem Tod am 10. August 1992. Viele Bergedorfer, längst nicht nur die Hauni-Mitarbeiter, verbinden mit diesem sozial engagierten Bergedorfer eine ganz besondere Aura.

Allein, weil er 1959 mit einem Zuschuss von 6,6 Millionen Mark die Kurt A.-Körber-Stiftung gründete, als Grundlage zur Eröffnung der Lohbrügger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die in Deutschland erstmalig Bio-Ingenieure ausbildete. Auch die Gründung der Hauni-Stiftung 1969 war eine Besonderheit, sollten Unternehmensgewinne doch für gesellschaftliche Projekte gestiftet werden.

In Bergedorf gibt es jetzt einen digitalen Einblick in das Leben von Körber

Das einstige Wohnhaus von Kurt A. Körber am Pfingstberg 10.
Das einstige Wohnhaus von Kurt A. Körber am Pfingstberg 10. © Christina Rückert | Christina Rückert

Körber habe sich durch einen „unglaublichen Ideenreichtum und große Begeisterungsfähigkeit“ ausgezeichnet, erinnert Ulrich Voswinckel, der aus einem goldenen Bilderrahmen spricht. Auf Nachfrage erzählt der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Körber-Stiftung, wie er ein Jahr vor Körbers Tod mit ihm einen Flug im Motorsegler machte. Wie das alles möglich ist? Durch einen digitalen 360-Grad-Rundgang, den der Körber-Konzern zum 75-jährigen Bestehen des Unternehmens verwirklichte – mit zahlreichen Möglichkeiten, auf Hinweise zu klicken, auf Gegenstände mit Info-Tafeln, auf Menschen, die Körber nahe standen (wer neugierig auf einen Brief von seinem Freund, dem Bundeskanzler Helmut Schmidt klickt, wird indes auf das Briefgeheimnis verwiesen).

Wir konnten im Juli 2021 wegen Corona das Jubiläum nicht sehr groß feiern, aber mit dieser Körber Xperience, die komplett ohne Schauspieler auskommt, erfährt man persönliche Anekdoten und etwas über die Lieblingsgegenstände unseres Gründers“, sagt Moritz Strobel, der Manager History Communications vom Körber-Konzern am Anckelmannsplatz.

Was hätte Körber wohl auf „Kurts Social Media Profil“ gepostet?

Wenn das Privathaus auch nicht öffentlich zugänglich ist, hier bloß ab und an Tagungen und Gremiensitzungen stattfinden, können alle Interessierten dennoch auf Entdeckungstour durch die Räume schlendern – virtuell, mit deutschen Untertiteln. Wer dem Link xperience.koerber.com folgt, steht schnell im Wohnzimmer, wo ein Memory-Spiel liegt und sämtliche Auszeichnungen verwahrt werden – vom Ehren-Schleusenwärter bis zur 1965 verliehenen Rudolf-Diesel-Medaille für seine mehr als 200 eingereichten Patente. Dass dazu auch Geldschränke mit Zeitschaltuhren zählen, erfahren jene Besucher, die alle vier Quartettkarten einsammeln. Eine davon verrät zum Beispiel, dass Kurt A. Körber im Jahr 1948 ein Patent einreichte, nach dem Zellstoffflocken als Einlage von Damenbinden dienen mögen – ähnlich wie zerrissene Tabakblätter.

Unternehmer Kurt A. Körber (1909-1992)
Unternehmer Kurt A. Körber (1909-1992) © nn | Körber-Stiftung

Ebenfalls eine schöne Idee auf der Zeitreise ist das herumliegende Handy, auf dem „Kurts Social Media Profil“ erfunden wurde: Da postete er etwa 1969 ein Foto, das ihn bei der Porträtmalerei von Bundespräsident Gustav Heinemann zeigt. Oder die Erinnerung an seine goldene Hochzeit mit Anna-Katherina Körber, zu der Loki Schmidt gratuliert: „Ihr seid ein solch süßes Paar!“ Auch seine Begegnung mit Papst Johannes Paul II. im Jahr 1986 hätte er bestimmt gern gepostet.

„Er hatte Humor und konnte wunderschöne Geschichten über sich selbst erzählen“, erinnert (als Zeitzeugin aus einem Bilderrahmen heraus) Dr. Maren Neumann, die von 1980 bis 2000 Betriebsärztin bei der Hauni war. Sie ist übrigens ebenso eine Kunstliebhaberin wie es Körber war. Wer mag, folgt dem virtuellen Rundgang in dessen Garten, wo eine Bronze-Skulptur von Georg Ernst steht. Oder schaut sich im Atelier um, in dem Porträts und Blumengemälde hängen, das „Radio Körber FM“ mit seinen Lieblingsliedern zu hören ist.

Die Körber Xperience bietet weitere Einblicke in den Konzern

Nicht zuletzt gibt der Rundgang einen Einblick in Körbers Büro, samt Bücherwand, Visitenkarten und der Mitarbeiterzeitschrift „Hauni-Glocken“, die auf dem Schreibtisch liegt. Zudem gibt es ein „historisches Kino“.

Einblick in Körbers Büro samt Bücherwand, Visitenkarten und der Mitarbeiterzeitschrift „Hauni-Glocken“.
Einblick in Körbers Büro samt Bücherwand, Visitenkarten und der Mitarbeiterzeitschrift „Hauni-Glocken“. © BGZ | Körber AG

Das alles ist aber nur der Blick auf eine „Zeitzone“. Neben dem vergangenen Once (also früher) können sich digitale Besucher auch in die Zeitzonen Now oder Next bewegen. In der Gegenwart (Now) etwa stellt sich der internationale Technologiekonzern mit seinen rund 12.000 Mitarbeitern an weltweit 100 Standorten vor. Die digitale Plattform zeigt eine „Innovationswand“ und führt etwa nach Richmond (USA), Pécs (Ungarn), Shanghai (China) – und natürlich auch nach Bergedorf. Wer hier auf einen Maschinenknopf drückt, erfährt, wie 20.0000 Zigaretten in nur einer Minute produziert werden können.

Der nächste Zeitsprung in die Zukunft (Next) erläutert, dass der Konzern bis 2025 klimaneutral sein will, erläutert Werkzeuge der künstlichen Intelligenz und zielt auf ein künftiger Arbeiten, das orts- und zeitabhängig, aber auch internationaler und anonymer sein könnte. Da führt die Online-Expedition etwa in eine spacigen Unternehmerraum, in dem Zukunftstechnologien angedacht werden. „Wir nutzen den virtuellen Rundgang auch auf Kundenmessen und im Recruiting von potenziell neuen Mitarbeitern“, sagt Moritz Strobel und betont, dass die Inhalte fortwährend ausgebaut werden.