Hamburg. Die Lohbrüggerin Barbara Gonnermann (69) kritisiert Visualisierungen des Zukunftsstadtteils: Er werden kaum alte Menschen gezeigt.
So richtig gut zu sprechen ist Barbara Gonnermann nicht auf Oberbillwerder. Trotzdem verfolgt die 69-jährige ehemalige Karstadt-Mitarbeiterin aus Lohbrügge aufmerksam die Planungen für den 15. Bergedorfer Stadtteil: „Ich finde es schade, dass dafür die weitläufigen Wiesen auf der Nordseite der S-Bahn-Station Allermöhe geopfert werden. Und dass auch dort die Häuser so extrem dicht aneinander gebaut werden sollen, wie es heutzutage offenbar Mode ist.“
Trotzdem sei es spannend zu verfolgen, mit welchen neuen Ideen die Planer und Architekten diese Stadt der Zukunft entwerfen. „Wenig private Pkw, viel Platz für Fahrräder und Elektromobilität, dazu begrünte Dächer und nicht zuletzt etliche Sport- und Bewegungsmöglichkeiten. Das klingt gut“, sagt Barbara Gonnermann. „Aber ich habe den Eindruck, dass das alles nur für junge Menschen geplant wird. Senioren soll es in Oberbillwerder offenbar so gut wie keine geben.“
Stadtplanung: Senioren in Oberbillwerder nicht eingeplant?
Ein Eindruck, den die Lohbrüggerin von den vielen Visualisierungen des künftigen Lebens in Hamburgs 105. Stadtteil hat, die Projektentwickler der städtischen IBA in Broschüren, Filmen sowie Internet-Auftritten verwenden – und die auch in unserer Zeitung regelmäßig gezeigt werden. „Dort kommen Senioren praktisch nicht vor. Nur wer ganz genau hinschaut, findet mal einen Menschen mit grauen Haaren. Personen mit Rollator, mit Gehhilfe oder gar im Rollstuhl kommen praktisch nicht vor. Und das in Zeiten unserer alternden Gesellschaft. Sieht so ein Zukunftsstadtteil aus?“
IBA-Sprecher Arne von Maydell mag der Kritik aus Lohbrügge an den gezeichneten Zukunftsvisionen von Oberbillwerder gar nicht grundsätzlich widersprechen: „Es ist tatsächlich so: Auf städtebaulichen Visualisierungen sind Senioren und Seniorinnen unterrepräsentiert.“ Das habe in der Vergangenheit für Oberbillwerder genauso gegolten wie bis heute für nahezu jedes andere Bauprojekt. Doch die IBA habe nachgebessert: „An unseren Infoständen auf den Wochenmärkten im Bezirk Bergedorf werden wir auf die unterrepräsentierten Senioren immer mal wieder hingewiesen. Das Thema ist uns bewusst und überaus wichtig.“
IBA-Sprecher bestätigt Eindruck, will für Verbesserungen sorgen
Aus von Maydells Sicht wurde für Oberbillwerder mittlerweile nachgebessert: „Auf den meisten Visualisierungen ist die ältere Generation jetzt gut vertreten.“ Barbara Gonnermann hat davon noch nichts mitbekommen: „Ich finde, da besteht weiter großer Nachholbedarf.“ Sie würde sich wünschen, „mal einen realistischen Eindruck zu bekommen, welches Bild die heute überall diskutierten Mehrgenerationenhäuser oder gleich ganze Mehrgenerationen-Quartiere auf den Straßen und Wegen von Oberbillwerder abgeben“.
Genau daran arbeite die IBA, unterstreicht ihr Sprecher – nicht bloß als Visualisierung, sondern in der konkreten Planung: „Senioren und Seniorinnen sollen in Oberbillwerder eine aktive Rolle spielen“, sagt Arne von Maydell. „Unter anderem werden barrierefreie Wege und Infrastrukturen geschaffen, von möglichst kurzen Wegen ganz zu schweigen.“ Darüber wache die bereits 2019 vom Bezirksamt Bergedorf ins Leben gerufene AG Soziales Oberbillwerder, in deren Zuständigkeit ausdrücklich auch das Thema Generationengerechtigkeit falle.
Generationengerechtigkeit großes Thema für Oberbillwerder
Denkbar seien Baugemeinschaften mit älteren Menschen, Wohnangebote in Verknüpfung mit Nachbarschaftshilfe und Treffs mit seniorengerechten Angeboten. Aber auch verschiedene Formen der Seniorenberatung seien denkbar, bis hin zu Lesepatenschaften für Schüler der beiden Grundschulen oder das Nutzen von Räumlichkeiten der verschiedenen Bildungseinrichtungen im Stadtteil durch Seniorengruppen.
Konkrete Planungen gebe bisher allerdings noch nicht, so Arne von Maydell. „Wir von der IBA sind noch in einer sehr frühen Phase der Planung der einzelnen Quartiere Oberbillwerders. Daher gibt es bisher kein zielgruppenorientiertes Vermarktungskonzept.“
Tatsächlich soll nach dem offiziellen Zeitplan erst ab 2024 das Werben um die künftigen Bewohner beginnen. Als frühester Einzugstermin gilt das Jahr 2028.
Stufenweises Vermarktungskonzept wird entwickelt
Für die Zeit bis dahin kündigt von Maydell den stufenweisen Aufbau eines sehr differenzierten Vermarktungskonzeptes an – auch mit Blick auf das weite Feld der Senioren: „Sie sind heute eine extrem heterogene Gruppe – von mobil bis pflegebedürftig, von engagiert bis zurückgezogen lebend.“ Konkrete Inhalte und Strategien würden aber erst noch entwickelt.
Barbara Gonnermann bleibt skeptisch: „Schon in Neuallermöhe haben wir in den 80er- und 90er-Jahren gesehen, dass während der Realisierung viel von den Plänen im sozialen Bereich eingespart wurde. Ich bin gespannt, ob Oberbillwerder dieses Schicksal erspart bleibt.“