Hamburg. Initiative will verstorbenen Alfred Dreckmann ehren. Auch der Streit ums Archiv des Kommunisten und Nazi-Jägers scheint gelöst.

Alfred Dreckmann beschäftigt Bergedorfs Politik wieder – auch zwei Jahre nach seinem Tod: Der streitbare Museumschef (bis 2001), APO-Aktivist (1968–70) und überzeugte Kommunist soll nun mit einem Straßennamen geehrt werden. Fast 100 Unterschriften stehen schon unter dem Antrag, der am Sonnabend auf der coronabedingt um ein Jahr verspäteten Gedenkfeier im Kulturhaus SerrahnEins initiiert wurde.

Konkret wollen Dreckmanns alte und neue Mitstreiter den beliebten Wanderweg auf dem hohen Elbufer an der Sternwarte nach ihm benennen lassen. Stimmen Bezirksversammlung, Staatsarchiv und Senat zu, würde aus der Schorrhöhe die Alfred-Dreckmann-Höhe.

Alfred Dreckmann: Witwe freut sich über den Vorschlag

Gruppenbild mit Alfred Dreckmann. Von links: Sohn Matthias und Ehefrau Elke Dreckmann, Sabine Will. Ernst Heilmann, Christel Oldenburg und Prof. Walter Simon.
Gruppenbild mit Alfred Dreckmann. Von links: Sohn Matthias und Ehefrau Elke Dreckmann, Sabine Will. Ernst Heilmann, Christel Oldenburg und Prof. Walter Simon. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

„Da sind wir oben oft entlangspaziert, haben die Aussicht genossen und über seine ständig neuen Projekte diskutiert. Unsre Wohnung ist ja nicht weit entfernt“, freut sich Witwe Elke Dreckmann über die Initiative auf der Gedenkfeier.

Die Umbenennung könnte klappen, weil der bisherige Namensgeber Prof. Richard Schorr bereits seit 2019 aus dem Straßenbild getilgt werden soll: Der ehemalige Direktor der Sternwarte († 1951) gilt nach Recherche mehrerer Historiker als Unterstützer des NS-Regiems. Vor allem soll er Astrologen an die Gestapo verraten haben, was viele der Betroffenen als „Volksschädlinge“ ins KZ brachte. Das bestätigte nun auch die vom Senat eingesetzte Kommission.

Warum Bernhard Schmidt nicht als Namensgeber taugte

Der zwischenzeitlich von der Sternwarte und Bergedorfs Bezirkspolitik eingebrachte neue Name Bernhard-Schmidt-Höhe wurde Anfang Mai vom Staatsarchiv wieder verworfen: Der weltberühmte Optiker († 1935) , der am Bergedorfer Observatorium wirkte, sei zwar ein guter Aspirant. Allerdings gebe es mit dem Schmidtweg am Bethesda Krankenhaus bereits eine Straße, die nach ihm benannt sei.

Dass nun ausgerechnet Alfred Dreckmann Nachfolger von Richard Schorr werden könnte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Der Historiker und ausgebildete Volksschullehrer gilt als einer der wichtigsten Nazi-Jäger im Bezirk.

Alfred Dreckmann trug alle Infos über Nazis in Bergedorf in seinem Archiv zusammen

In seinem Buch „In Bergedorf war alles genauso“ nennt er fast lückenlos die Namen von Hitlers Bergedorfer Schergen, einschließlich ihrer Gräueltaten von der Verfolgung Andersdenkender über den Einsatz von Zwangsarbeitern bis zu Verbindungen zum KZ Neuengamme. Das Werk basiert auf Forschungen und Interviews, die Dreckmann über Jahrzehnte in seinem Archiv zusammentrug.

Dieses riesige Archiv bekommt eine neue Heimat. Sieben Monate nach dem Schock über das Veto der heutigen Chefin im Schloss, Schanett Riller, gegen den Aufkauf durch den Verein der Freunde des Museums steht jetzt fest: Der umfangreiche Fundus wird von Dreckmanns Wohnhaus in den kaum 100 Meter entfernten Ausstellungsraum auf dem Gojenberg gebracht, dort geordnet, digitalisiert und wissenschaftlich aufgearbeitet.

Eigentümer stellt Räume am Gojenberg kostenlos zur Verfügung

„Tobias Derndinger, Eigentümer der Räumlichkeiten, wird sie kostenfrei zur Verfügung stellen“, sagte Christel Oldenburg am Sonnabend bei der Gedenkfeier zu Dreckmanns zweitem Todestag im Kulturhaus SerrahnEins. Ziel sei es, die vielfältigen Unterlagen mit Schwerpunkten zu Bergedorfs Industriegeschichte, seiner Nazi-Vergangenheit samt Verfolgung und Widerstand sowie der von ihm selbst nach 1968 angeführten APO Bergedorf der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Finanziert durch Spenden wird am Gojenberg ein Büro eingerichtet, wo sich unter Leitung der Historiker Christel Oldenburg, Arne Andersen und Sabine Will eine ganze Truppe Ehrenamtlicher an die Arbeit machen will. Gut möglich, dass dort auch Originalmobiliar wie der Schreibtisch aus Dreckmanns Arbeitszimmer aufgestellt wird. In voraussichtlich zwei Jahren soll dann alles so weit sein, dass sogar Aufträge zur wissenschaftlichen Aufarbeitung einzelner Bereiche erteilt werden können.

„So hätte es Alfred auch gewollt, wenn das Museum bei seiner Ablehnung bleibt“

„Das fühlt sich alles sehr gut an. So hätte es Alfred auch gewollt, wenn das Museum bei seiner Ablehnung bleibt“, sagt Ehefrau Elke Dreckmann, die mit Sohn Matthias Dreckmann zur Gedenkfeier mehr als 80 Freunde und Weggefährten ihres Mannes begrüßen konnte.

Die Laudatio übernahm Prof. Walter Simon, einer der „Schüler“ Dreckmanns aus APO-Zeiten. Er empfahl dringend, neben einem längst überfälligen Wikipedia-Eintrag auch eine Alfred-Dreckmann-Biografie in Angriff zu nehmen: „Das hat er verdient. Sie könnte als Band 12 der von ihm initiierten Bergedorfer Schlosshefte erscheinen und sollte neben seinem Wirken als geistiger Vater der Bergedorfer APO und als ebenso streitbarer wie erfolgreicher Museumschef auch Kapitel enthalten über den Südsee-Abenteurer, den begnadeten Volksschullehrer und den überzeugten Kommunisten Alfred Dreckmann, dessen Markenzeichen die Kapitalismuskritik war.“

Alfred Dreckmann – bestimmend und streitbar, aber nie unfair

Dass dabei das Menschliche nie zu kurz kam, beschrieb Christel Oldenburg, die als Archivarin lange an seiner Seite im Museum gearbeitet hat: „Wenn er etwas anpackte, dann war er der Motor. Alfred war bestimmend und streitbar, aber nie unfair. Mit ihm konnte man herzlich lachen und Spaß haben. Das gehörte für ihn zum politischen Kampf für eine bessere Welt dazu.“

Dass die viel Engagement bedeutet, vor allem wenn es in Richtung Kommunismus gehen soll, machte er ihr schon am ersten Tag im Museum klar: „Hier steht viel Arbeit an. Du weißt, ich bin Kommunist. Und Kommunismus ist Leistung“, sagte sie bei der Gedenkfeier. „So hatte ich Karl Marx zwar nicht in Erinnerung – ich dachte eher an ,jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seine Möglichkeiten. Aber Alfred war eigentlich immer im Einsatz für das Museum, 60 Stunden die Woche ganz gewiss.“