Hamburg. Weil sie durch die NS-Vergangenheit ihrer Namensgeber belastet sind, werden sie umbenannt. Eine andere Lösung für eine dritte Straße.
Die Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen empfiehlt die Umbenennung der Schorrhöhe und des Elingiusplatzes in Bergedorf. Zudem sollen neun weitere Straßen in Hamburg neue Namen bekommen. Das gab die von Kultursenator Carsten Brosda (SPD) eingesetzte Kommission am Donnerstag bei der Vorstellung ihres Abschlussberichts bekannt.
„Es ist unstrittig, dass die Frage, wie wir mit Straßen umgehen, die nach Personen benannt werden, die eine NS-belastete Vergangenheit haben, eine ist, die uns umtreiben sollte und die uns auch schon lange umtreibt“, sagte Brosda. So erhielten allein im Zeitraum von 1986 bis heute 17 Hamburger Straßen wegen des Nachweises einer schwerwiegenden NS-Belastung ihrer Namensgeber einen neuen Namen.
NS-Vergangenheit sollte nicht mit Straße „geehrt“ werden
In der Vergangenheit seien jedoch Einzelfallentscheidungen getroffen worden, die sich nur am Grundsatz orientierten, dass eine Ehrung in Form einer Straßenbenennung nicht haltbar sei, „wenn das Handeln der Person die heutigen Wertvorstellungen in eklatanter Weise verletzt“, so Brosda.
Aufgabe der Kommission, die 2020 berufen wurde, war es, Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg zu entwickeln und Empfehlungen auszusprechen.
In ihrem Abschlussbericht macht die Kommission nun deutlich, dass diejenigen Straßen umbenannt werden sollten, die nach einer Person benannt sind, „die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen oder wissentlich bei ihren Handlungen den Tod eines Menschen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Eugenik, einkalkuliert hat“.
Das gelte auch für Benennungen nach Personen, die durch die von ihnen vertretene NS-Ideologie aktiv anderen Menschen dauerhaft geschadet haben. Eine NSDAP-Mitgliedschaft allein sei aber kein Grund für eine Umbenennung, heißt es in dem Bericht.
Sieben weitere Hamburger Straßen im Gespräch
Prof. Richard Schorr, ehemaliger Direktor der Sternwarte, soll während des NS-Regimes Astrologen an die Gestapo verraten haben. Zu diesem Ergebnis war eine Bergedorfer Historikerkommission bereits vor mehreren Jahren gekommen und hatte eine Umbenennung der Straße auf dem Gojenberg angeregt.
Der Elingiusplatz in Nettelnburg war 1979 nach Carl Erich Elingius benannt worden. Der Architekt war Mitglied der NSDAP und baute unter anderem mehrere Gebäude für die Partei um. Laut Kommission nahm er „im großen Umfang Aufträge der NSDAP wahr und war Profiteur des NS-Staates“.
Die Kommission empfiehlt zudem die Umbenennung des Högerdamms in Hamburg-Mitte, der Julius-Brecht-Straße in Altona, der Straßen Walter-Bärsch-Weg, Heynemannstraße, Oehleckerring, Paul-Stritter-Brücke/Paul-Stritter-Weg und Strüverweg in Hamburg Nord, des Reinckewegs in Wandsbek und des Albert-Schäfer-Wegs in Harburg.
Bergedorfer rieten zur Umbenennung der Kurt-A.-Körber-Chaussee
„Es geht uns mit unseren Empfehlungen nicht um eine vergangenheitspolitische Flurbereinigung – keineswegs möchten wir mit dem revisionistischen Radiergummi durch die Geschichte der Stadtkarte ziehen“, sagte Kommissionsmitglied Prof. Miriam Rürup vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. „Dennoch müssen wir uns auch der Gegenwart unzeitgemäßer Ehrungen stellen.“
Eine Umbenennung hatte 2017 auch die Bergedorfer Expertenkommission für die Kurt-A.-Körber-Chaussee für „angeraten“ gehalten. Der 1992 verstorbene Bergedorfer Unternehmer und große Stifter war NSDAP-Mitglied. Er war Prokurist und Mitglied der Geschäftsführung der Dresdner Firma Universelle, die in ihrem Betrieb nicht nur 3000 Zwangsarbeiter eingesetzt hatte, sondern bei der auch ein Außenlager des KZ Flossenbürg errichtet wurde, in dem mindestens 700 weibliche KZ-Häftlinge arbeiten mussten.
Statt Umbenennung Erläuterung zum Namensgeber
Am Aufbau dieses Werkes war Kurt A. Körber beteiligt. Bei der Kurt-A.-Körber-Chaussee empfiehlt die von Brosda eingesetzte Kommission – wie bei zehn weiteren Straßen, die nach NS-belasteten Personen benannt sind – , den Straßennamen auf dem Schild näher zu erläutern, da die angewandten Kriterien eine Umbenennung nicht zwingend erforderten.
„Dies eröffnet die Möglichkeit, sich mit den Biografien und dem Geschehenen zu beschäftigen und aus der Geschichte zu lernen.“ Einen entsprechenden Beschluss hatte 2017 auch bereits die Bergedorfer Bezirksversammlung gefasst.
Auch Heidi Kabel hat die NS-Ideologie für sich genutzt
Mit weiterführenden, kritischen Informationen sollen auch die nach folgenden Personen benannten Straßen versehen werden: Elsa Bromeis, Felix Dahn, Theodor Fahr, Carsten Fock, Heidi Kabel, Rudolf Klophaus, Friedrich Köhne, Friedrich Lademann, Carl-Hans Lungershausen und Walter Schlenzig.
Die Hamburger Volksschauspielerin Heidi Kabel, viele Jahre Star des Ohnsorg-Theaters (Heidi-Kabel-Platz), sei – so die Historikerin Rürup – ein „wunderbares Beispiel“ dafür, wie man im opportunistischen Sinne versuchen kann, sich die NS-Ideologie für seine Karriere nutzbar zu machen, „aber nach 1945 dies auch bereuen kann, was sie in ihrer Autobiografie ausführlich und plausibel dargestellt“ habe.
Die Empfehlungen der Kommission sollen nun gemeinsam mit den Bezirken diskutiert werden, bevor diese dann die Umbenennungen zusammen mit neuen Namensvorschlägen beim Staatsarchiv einreichen. Zur abschließenden Entscheidung werden die Vorschläge schließlich der Senatskommission vorgelegt.