Hamburg. Der Freundeskreis des Museums wollte die Sammlung ankaufen. Doch die heutige Museumschefin sieht das anders.
Eigentlich war alles geregelt: Im Sommer sollte das Archiv des ehemaligen Museumsleiters Alfred Dreckmann († 2020) ins Bergedorfer Schloss kommen. Für den Ankauf der fünf Umzugskartons füllenden Sammlung mit diversen Unikaten zu Bergedorfs Arbeiterbewegung, zu Verfolgung und Widerstand im Dritten Reich sowie der Industriegeschichte hatte der Verein der Museumsfreunde bereits 2000 Euro bereitgelegt. Doch dann legte Dr. Schanett Riller ihr Veto ein.
Die amtierende Museumschefin bescheinigte Dreckmanns Erbe eine „mangelnde Eignung und Relevanz“ für die Aufnahme in die Sammlung ihres Hauses. Ihr entsprechendes Schreiben an den Museumsbeirat vom 30. September liegt unser Zeitung ebenso vor wie das Protokoll des Gremiums vom 6. September. Demnach hatte sich der Beirat bereits da in nicht öffentlicher Sitzung einstimmig hinter Rillers Veto gestellt. Ferner wird die Existenz eines Archivs des Museumsleiters außerhalb seiner Arbeitsstelle als „suspekt“ bezeichnet – und schließlich der Freundeskreis kritisiert für „seine mangelnde Rücksprache“ in Sachen des Ankauf-Angebots.
Archiv von Alfred Dreckmann soll nicht ins Bergedorfer Museum
Dabei kannte Schanett Riller das Dreckmann-Archiv am 6. September noch gar nicht. Obwohl von der Witwe seit April darum gebeten, nahm sie es erst drei Wochen später zusammen mit einem Museumspädagogen bei Elke Dreckmann für eine Stunde in Augenschein.
„Ein anschließendes Gespräch mit ihr und unserem befreundeten Historiker Dr. Arne Andersen lehnte sie ab“, sagt ihr Sohn Matthias Dreckmann, der für die Familie spricht: „Wir sind zutiefst betroffen. Hier wird ein Teil des Lebenswerks meines Vaters herabgewürdigt. Wir erwarten von Dr. Riller und der ihr vorgesetzten Bezirksamtsleiterin eine öffentliche Erklärung zu diesem Vorfall. Von der Bezirksversammlung wünschen wir uns einen politischen Diskurs über die Aufgaben dieses Museums.“
Für Historiker Andersen sind die Argumente seiner Bergedorfer Kollegin auch fachlich nicht nachvollziehbar: „Alfred Dreckmanns Nachlass umfasst unter anderem ganze Jahrgänge des Bergedorf-Sander Volksblatts, das die Nazis 1933 verboten und von dem es sonst kaum noch Originale gibt. Zudem die gesamte Mitgliederkartei der SPD Lohbrügge von 1945 bis in die 60er-Jahre mit Hinweisen, wie es diesen Menschen im Dritten Reich erging. Oder eine komplette Liste der Bergedorfer SA mit Funktion, Adresse, Alter und Beruf der Mitglieder des Nazi-Schläger-Trupps.“
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Historiker will sich bei Kultursenator Carsten Brosda beschweren
Für Andersen ist klar: Solche Dokumente sind sehr gut im Museum untergebracht, eine Ablehnung aus Gründen mangelnder Relevanz sei nicht nachvollziehbar. Er vermutet eine grundsätzliche Aversion bei Schanett Riller, sich mit Themen linker politischer Strömungen zu befassen.
„Als Historiker fordere ich Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann und Kultursenator Carsten Brosda auf, dem Treiben der Bergedorfer Museumsleiterin Einhalt zu gebieten. Denn schließlich geht es auch um die Ursprünge und die Geschichte ihrer Partei, der SPD.“ Ein Brief an den Senator sei auf dem Weg.
Vize-Bezirksamtschef: Dreckmann-Erbe gehört in ein Archiv
Eine Stellungnahme von Dr. Schanett Riller zu den Vorwürfen gibt es bisher nicht. Auf Nachfrage äußerte sich Vize-Bezirksamtschef Ulf von Krenski. Er bleibt dabei, dass der Großteil des Dreckmann-Erbes („über 90 Prozent“) aus nicht ausstellbaren Objekten bestehe, also nicht ins Bergedorf-Museum, sondern in ein Archiv gehöre.
Und weiter: „Mit der fachlichen Einschätzung der Museumsleitung und des Beirats ist keine Herabwürdigung der Person Alfred Dreckmanns oder seines Lebenswerks beabsichtigt. Wenn ein gegenteiliger Eindruck entstanden sein sollte, bedauert das Bezirksamt dies.“