Hamburg. Gewalt gegen Kinder in Bergedorf ist gestiegen. Das belegen Zahlen vom Jugendamt und der Polizei. Wo es Hilfe gibt.

Während der vergangenen zwei Pandemiejahre sorgten sich viele Grundschullehrer um das Wohl ihrer Schüler, die plötzlich nicht mehr zur Schule kamen. Auch die Bergedorfer Polizei registrierte besonders viele Meldungen zu einer möglichen Kindeswohlgefährdung: „Wir haben einen Anstieg von zehn Prozent im Bezirk. Waren es im Jahr 2020 noch 1279 Verdachtsmeldungen auf Kindeswohlgefährdung, zählten wir im vergangenen Jahr schon 1451 Fälle“, so Christine Busch, die seit 2007 im Bergedorfer Jugendamt die Koordinatorin für den Kinderschutz ist.

Weitere Zahlen enthalten Altersangaben: Die Meldungen betrafen zuletzt 170 Sechs- bis Neunjährige (im Vorjahr waren es 146), dazu 243 Neun- bis Zwölfjährige (161) und 328 Zwölf- bis 15-jährige Bergedorfer (238). Die meisten Verdachtsmeldungen, genau 346, bezogen sich indes auf die 15- bis 18-Jährigen (im Vorjahr lag die Zahl bei ähnlichen 365 Fällen).

Jugendamt Bergedorf veranlasst deutlich mehr Inobhutnahmen

„Mehr als 100 Menschen meldeten sich anonym bei uns“, schilderte Busch jetzt dem Jugendhilfeausschuss, und tatsächlich bestätigte sich mancher Verdacht, mussten Kinder von ihren Familien getrennt werden: Gab es im ersten Pandemiejahr noch 58 Inobhutnahmen, waren es 2021 bereits 80 – eine Steigerung von acht Prozent.

Da liegt es nahe, dass viele Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, einen großen Beratungsbedarf haben: Schulen und Kitas, aber auch Ärzte, Amtsvormünder und soziale Einrichtungen fragen nach, wünschen eine anonymisierte Gefährdungseinschätzung, wollen die weitere Vorgehensweise erörtern. „Unsere Fachberatung hat sich im Jahr 2021 verdoppelt“, so die Kinderschutz-Koordinatorin, die den Fachkräften auch eine Krisenmoderation anbieten kann: „Wir sind Ansprechpartner, die gefragt werden können, ohne dass man sofort handeln muss. Wir haben keine Fallzuständigkeit“, betont die Expertin.

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Kindeswohl­gefährdung: Beratung und Aufklärung von Fachkräften

Die Themen der angebotenen Fortbildungen sind vielschichtig: Bei Verdacht auf Kindeswohl­gefährdung kooperieren Schule und Jugendhilfe mit Schutzkonzepten, gibt es im Netzwerk Kinderschutz eine einjährige Fortbildung für Lehrer.

Christine Busch organisierte eine Fachtagung zur sexualisierten Gewalt, zählte 100 Teilnehmer beim Fachtag zum kultursensiblen Kinderschutz, klärte über selbstverletzendes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen auf und über die digitale, sexualisierte Gewalt an Kindern: „Die Welt verändert sich, es gibt ganz andere Möglichkeiten, Kinder zu missbrauchen. Es ist manchmal schwer auszuhalten“, sagt Christine Busch und verzichtet bewusst auf eine detaillierte Beschreibung.

Wohl aber erwähnt sie noch eine Besonderheit: „Wir beraten auch in Fällen, die über die Staatsanwaltschaft eingehen – angenommen, wenn ein Vater straffällig wurde und das Jugendamt das wissen sollte. Dann bekommen wir die LKA-Ermittlungsakten zur Kenntnis, führen Vieraugenfachgespräche.“