Hamburg. Im Herbst 2022 sollen die Arbeiten im Bergedorfer Villengebiet beginnen. Zehn Millionen Euro werden investiert.

Es wirkt beim ersten Blick wie eine filigrane Arche – und beim Betreten wie ein kleines Hotel mit nur 16 Einzelzimmern. Nichts erinnert an das, was hier eigentlich passiert: Es ist der Ort für die letzten Tage mit geliebten Menschen und auch der, an dem für immer Abschied genommen wird.

Gleich hinter dem Haus im Park, auf dem Grundstück von der Lamprechtstraße Richtung Gräpelweg, werden voraussichtlich im Herbst 2022 die Bauarbeiten für Bergedorfs erstes Hospiz beginnen. Gut zehn Millionen Euro investiert die Infinitas Stiftung von Marianne und Hans-Michael Kay über die eigens gegründete gemeinnützige GmbH in das Projekt, wobei sie auf rund 60 Prozent als Spenden hofft.

Sterbebegleitung in Bergedorf: Im Villengebiet entsteht ein erstes Hospiz

Das Hospiz startet nach einem Jahr genehmigungsbedingter Pause jetzt in die heiße Phase: Am Donnerstag haben die Stifter zusammen mit dem Bezirksamt die Nachbarn im Villengebiet informiert. Bereits am Mittwoch präsentierte das Amt im Stadtentwicklungsausschuss das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung vom Mai und Juni. Dort sind laut Amt keine grundsätzlichen Bedenken vorgetragen worden. Mehr noch: „Vereinzelt wurde explizit die Ansiedlung eines Hospizes begrüßt.“

Nun warten die Stifter noch den Abschluss des Bebauungsplanverfahrens ab, bevor wohl im Sommer der Abriss des alten Schulpavillons beginnt, der zuletzt eine Tierarztpraxis beherbergt hatte. Zudem laufen nach Informationen unser Zeitung noch die Verhandlungen über den Grundstückskauf. Die Fläche gehört der Körber-Stiftung, die das Areal nun zunächst der Stadt Hamburg verkaufen muss, bevor die es dann in Erbpacht an die Gesellschaft der Stifter geben kann.

Erstes Hospiz in Bergedorf soll Ende 2024 fertig sein

Die Fertigstellung des markanten Baus mit viel Glas und einer 14 Meter hohen, Schiffsbauch-ähnlichen Dachkonstruktion („Zöllinger Dach“) ist für Ende 2024 geplant. Dann wird das Hospiz über maximal 16 Plätze verfügen, jeweils untergebracht in geräumigen 30-Quadratmeter-Appartements.

„Es sollen keine Krankenzimmer sondern echte Wohnbereiche sein. Mit Schlafcouch für Gäste, Bücherwand, Kuschelecke“, sagt Hans-Michael Kay (74). „Wir haben sie von einem Designer für die Kabinen von Kreuzfahrtschiffen einwickeln lassen. Es soll so schön sein, wie in einem Urlaub.“

Schallisoliertes Musikzimmer, Möglichkeiten zum Grillen unter freiem Himmel

Dass alles modern, hell und weitläufig ist, liegt auch an der besonderen Ausrichtung dieses Hospizes: Es ist in Zusammenarbeit mit der „Stiftung junge Erwachsene mit Krebs“ besonders ausgerichtet für die letzen Lebenswochen von Menschen im Alter von 21 bis 39 Jahren, wobei auch die Älteren natürlich aufgenommen werden. „Junge Erwachsene kommen in der Hospizlandschaft heute praktisch nicht vor“, sagt Marianne Kay. „Dabei gibt es leider auch hier todkranke Menschen, die oft auch kleine Kinder haben. Da braucht es eine ganz andere Abschiedskultur.“

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Im Bergedorfer Hospiz wird auf ihre Wünsche eingegangen. Dazu gehören ein schallisoliertes Musikzimmer, in dem es sehr laut werden darf, Möglichkeiten zum Grillen unter freiem Himmel, großzügige Terrassen, ein Kaminzimmer und auch ein kleiner Saal. Zudem gibt es einen Wellnessbereich, aber natürlich auch ein Abschiedszimmer.

Alle anderen Bezirke in Hamburg haben ein Hospiz

„Bergedorf ist der einzige Bezirk in Hamburg, der über kein Hospiz verfügt. Wir wollen dafür sorgen, dass es an zentraler Stelle endlich eines gibt – und zwar eines, das ganz besonders wird“, sagt Marianne Kay, die sich zusammen mit ihrem Mann seit fast 20 Jahren engagiert, um die Menschenwürde auch beim Sterben nicht zu vergessen.

Mit Marianne und Hans-Michael Kay, Initiatoren des geplanten Hospizes am Haus im Park, gewinnt Bergedorf zwei Kämpfer für würdiges Sterben. Das kinderlose Lokstedter Ehepaar, 73 und 74 Jahre alt, engagiert sich mit seiner Infinitas-Stiftung seit 2008 für dieses Tabu-Thema und machte sie mit dem Projekt „Ein letzter Wunsch“ deutschlandweit bekannt. Bergedorfs „Hospiz im Park“ wird nun der erste Bau sein, den die Stiftung vorantreibt.

Das Engagement der Kays wurde von einem sehr privaten Schlüsselerlebnis ausgelöst: „2001 lag mein Vater im Sterben. Völlig überraschend für uns alle “, erinnert sich Marianne Kay. „Wir sind aus dem Urlaub sofort an sein Krankenbett in die Klinik geeilt und fanden ihn in einem abgelegenen gekachelten Sterbezimmer – neben einem weiteren Mann, der auch im Sterben lag. Kein Arzt, keine Krankenschwester schaute nach ihnen. Es war die schrecklichste Nacht meines Lebens“, erzählt sie und ist dabei auch heute noch den Tränen nah.

Der andere Mann im Raum starb einsam und allein

Um 3.30 Uhr war ihr Vater erlöst. Der andere Mann lebte da noch. Und ihn hatte in dieser Nacht niemand besucht. Er blieb wohl bis zu seinem Tod allein. Für Marianne Kay steht seither fest: „So darf im 21. Jahrhundert niemand mehr sterben.“ Und: „Die letzten Schritte im Leben müssen genauso gut begleitet werden wie die ersten.“

Mit diesem Grundsatz gründeten sie und ihre Mann 2008 die Infinitas Marianne und Hans-Michael Kay Stiftung. Mit ihrem Geld unterstützte sie Hospize in ganz Norddeutschland, kaufte Betten, Lampen und andere Dinge, die dort von den Pflegesätzen nicht angeschafft werden konnten. „Aber das war mir zu weit weg von den Menschen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, sie persönlich und ihre Wünsche am Ende des Lebens zu erreichen“, sagt Marianne Kay.

Ehepaar auf zahlreichen Werbeplakaten abgedruckt

So entstand „Ein letzter Wunsch“ – das Projekt, das den Kays unter anderem die „Goldene Bild der Frau“ der gleichnamigen Zeitschrift der Funke Mediengruppe einbrachte. Das war 2014 und ließ Marianne und Hans-Michael Kay auf zahlreichen Werbeplakaten an Bushaltestellen und in Bahnhöfen erscheinen. Bereits im Jahr zuvor hatten sie ihr Projekt dem Bundespräsidenten vorgestellt, es folgten Nominierungen für den Hamburger Stiftungspreis, den Niedersachsenpreis für Bürgerengagement und der Gewinn des Sparda-Bank-Awards im Bereich Soziales Engagement.

„Ein letzter Wunsch“ erfüllt Menschen kurz vor ihrem Tod etwas, ohne das sie auf keinen Fall gehen wollen: Ein Familientreffen etwa, oder eine Reise zum Meer oder auch einfach nur eine Perücke. „Es sind so bewegende Erlebnisse und eine so wichtige Sache für jeden Menschen am Ende seines Lebens“, weiß Marianne Kay, die jede einzelne Aktion in einer kleinen Geschichte für die Angehörigen und die Stiftung festhält. „Mit dem Erfüllen des letzten Wunsches holen wir diese Menschen noch einmal aus ihrem Kokon heraus, der sie durch ihre Krankheit gefangen hält.“

Die Kays gründeten mehrere „Wunsch-Filialen“

Von Hamburg aus eroberte das Projekt viele Großstädte. Überall gründeten die Kays „Wunsch-Filialen“, die alle an ihre vor Ort aktiven Partner übergeben wurden. Darunter Vereine oder auch Institutionen wie die Awo oder die Malteser. Nur in Hamburg sind die Kays weiter als Wunscherfüller aktiv.

Entsprechend erfahren, aber eben auch motiviert für neue Projekte befassen sie sich seit 2017 mit Bergedorfs Hospiz-Projekt. „Wir sind auf Bergedorf gekommen, weil wir hier über die Jahre viele letzte Wünsche erfüllt haben. Und auch weil wir gute Kontakte zu den hiesigen Palliativ-Medizinern pflegen sowie dem Hospiz-Verein, der schon seit 20 Jahren erfolglos für ein Haus für das würdige Sterben kämpft“, sagt Hans-Michael Kay.

Projekt „Ein letzter Wunsch“ bundesweit etabliert

Seit 2018 plant die Stiftung nun den Hospiz-Bau auf dem hinteren Teil des Haus-im-Park-Geländes. Drei Jahre später scheint nun der Durchbruch gelungen. Das Zehn-Millionen-Euro-Projekt dürfte zu Weihnachten 2024 eingeweiht werden – sofern es gelingt, 60 Prozent der Kosten über Spenden einzuwerben. Infos dazu finden sich unter www.hospiz-im-park.de.

In den vergangenen drei Jahren wurden viele planerische Hürden genommen und auch manche Kritiker überzeugt. So steht jetzt fest, dass das historische Kutscher-Haus auf dem Parkplatz vom Haus im Park stehen bleibt. „Wir stellen uns vor, dass dort eine Arztpraxis einzieht, idealer Weise ein Palliativ-Mediziner“, sagt Hans-Michael Kay. Der alte Baumbestand soll weitestgehend erhalten und in den Park am Hospiz integriert werden.

Die Pflege soll im „Hospiz im Park“ die Elbdiakonie übernehmen

Zudem werde so gebaut, dass mit dem bereits in den Haus-im-Park-Räumen aktiven Begegnungszentrum im Park in vielen Bereichen kooperiert werden kann. Dazu gehört etwa eine Energie-Zentrale im Untergeschoss des Hospiz-Neubaus, die auch das Begegnungszentrums versorgt. Auch sollen die physikalische Therapie und das Schwimmbad vom Hospiz mitgenutzt werden.

Die Pflege soll im „Hospiz im Park“ die Elbdiakonie übernehmen. Zudem finden auf den 2100 Quadratmetern des Neubaus der Hospizverein Bergedorf Platz, ferner die hauptamtliche Koordination der geplanten ehrenamtlichen Arbeit. „Wir wollen hier etwas schaffen, das Qualität und vor allem Zukunft hat“, sagt Hans-Michael Kay. „Auch wenn es um das Finale des Lebens geht: Gerade das sollte nicht die schlechteste Zeit sein. Eher das genaue Gegenteil.“