Allermöhe. Mit 6000 Gästen war Wutzrock am Freitag besonders gut besucht. Wie es um die Finanzierung des 200.000 Euro teuren Festes bestellt ist.
Endlich wieder ein Wutzrock-Festival, wie es alle kennen und lieben: Allein am Freitag vergnügten sich bei herrlichem Wetter etwa 6000 Menschen auf dem weitläufigen Gelände am Eichbaumsee. An allen drei Festival-Tagen waren nach Schätzung der Organisatoren rund 13.000 Besucher auf den Beinen, die keinen Eintritt zahlen mussten, ausgelassen „umsonst & draußen“ feierten.
„Wir sind mit der Resonanz sehr zufrieden, es war wie vor dem Beginn der Pandemie. Danach haben sich viele gesehnt“, sagt Wutzrock-Sprecherin Sabine Vielhaben (64). Dem kann Katharina Benzlin, die mit ihrem Partner Sven Wiedermann (43) aus Altona anreiste, nur zustimmen: „Wir waren das letzte Mal vor fünf Jahren hier, wir lieben die coole Atmosphäre, den Mix der Generationen und Typen und natürlich die absolut geile Livemusik“, sagt die 38-Jährige.
13.000 Menschen feiern an drei Tagen Wutzrock
Das Pärchen wollte im eigenen Kombi übernachten, um den Sonntagmorgen ebenfalls auf dem Gelände zu verbringen. Verpflegung und Sanitäranlagen waren schließlich dank der perfekten Organisation ausreichend vorhanden.
Das Programm sei laut Sabine Vielhaben wie geplant über die beiden Bühnen gegangen. Vielseitiger hätte es kaum sein können: Auf der See- und Elbbühne gab es die unterschiedlichsten Musikstile zu hören. Hanna Noir aus Hamburg, gekleidet mit weißer Häkelmaske, erreichte ihr Publikum mit emotionalen deutschen Texten. Selbst die Kleinsten, ausgestattet mit Lärmschutz-Kopfhörern, tanzten vor der kleineren See-Bühne. Die Mischung aus Drum&Bass mit Garagen-Punk ließ niemanden ruhig vor der Bühne stehen. Ihre Fans sangen zum Teil die Texte mit.
Auf der großen Elb-Bühne wirbelte die vierköpfige Frauenpunkband Messed Up. Mit Texten gegen Rassismus, Homophobie und Ignoranz brachten die im Exil in Warschau lebende Sängerin Anastasiya „Nastya“ Kapytok, Gitarristin Lizaveta „Liza“ Skiba, Bassgitarristin Maryia „Masha“ Yatsevskaya und Drummerin Aleksandra Schwung in das Festival. Die Band erinnerte zwischen den Songs immer wieder an die verheerende Situation in ihrer Heimat, Belarus und Ukraine, und mahnte, in der Unterstützung nicht nachzulassen.
Den Schlamm einfach abgeduscht
Vor der großen Bühne hatte sich die Wiese wegen des Regens am Sonnabendnachmittag in eine Schlammwiese verwandelt. Aber das störte scheinbar niemanden, viele reinigten sich die nackten Füße oder Gummistiefel an einer der frei stehenden Duschen am Rande des Geländes. Während noch die lauten Bässe von Messed Up über das weite Gelände hallten, spielte sich im Hintergrund die selbst ernannte „Dorfkapelle“ Banda Comunale mit Trompete, Posaune und Saxofon warm. Auch das Dutzend junger Musiker aus der Dresdner Neustadt hat sich den Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus auf die Fahnen geschrieben.
Größere Zwischenfälle gab es laut Wutzrock-Organisatoren nicht. „Unsere Security verzeichnete keine Schlägereien. Sie sagt, Wutzrock sei so friedlich wie selten zuvor gefeiert worden“, so Sabine Vielhaben. Sie bedankte sich im Namen der Organisatoren bei dem „tollen Publikum“: Die Besucher hätten friedlich gefeiert, geduldig gewartet, wenn es am Getränkestand einmal etwas länger dauerte, und sehr wenig Müll hinterlassen. „Scheinbar hat sich das Umweltbewusstsein positiv verändert“, sagt die Sprecherin.
Vermutlich hat Wutzrock kein Minus gemacht
Die etwa 400 ehrenamtlichen Helfer vor Ort hatten alles im Blick. Im Rucksack transportierte Bierflaschen wurden an den Zugängen zum Hauptgelände einkassiert. Das Festival kostet fast 200.000 Euro, rund ein Drittel mehr als vor Corona und dem Krieg in der Ukraine. Deshalb wurden bereits am Eröffnungstag Spenden auf dem Parkplatz gesammelt.
Insgesamt spendeten die Besucher am Freitag, an dem das Festival laut Sabine Vielhaben wegen des traumhaften Wetters und nach einer mehrjährigen, coronabedingten Zwangspause überdurchschnittlich viele Besucher hatte, „etwa doppelt so viel wie bisher an Freitagen“. Etwa 4000 Euro kamen zusammen. Die Spendeneingänge vom Sonnabend und Sonntag wurden noch nicht ausgewertet.
Botschaften gegen Antisemitismus, Ausgrenzung und für Toleranz
„Wir mussten die Bierpreise leider etwas erhöhen“, so Sabine Vielhaben. Für 4,50 Euro statt bisher 3,50 Euro gab es 0,4 Liter gezapftes Bier statt der bisherigen 0,3 Liter. „Das störte offenbar niemanden, denn bereits am frühen Sonnabend mussten wir für Nachschub sorgen“, so die Sprecherin. Sie geht davon aus, dass das Festival mit plus/minus null über die Bühne gegangen ist. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor. Am Sonnabend sollen 4000 Besucher am Eichbaumsee gewesen sein, „am heutigen Sonntag werden es vermutlich um die 3000 sein“, sagte Sabine Vielhaben. Das sei im Vergleich der Jahrzehnte guter Durchschnitt.
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Seit 25 Jahren ist Sabine Vielhaben bei Wutzrock als Helferin dabei. „Das Besondere hier ist, dass alles ehrenamtlich läuft, das hat mich von Anfang an fasziniert. Und es sind drei Generationen, die hier gemeinsam feiern“, sagt sie. Der Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft macht das unkommerzielle Festival mit seinen Botschaften gegen Antisemitismus, Ausgrenzung und für Toleranz besonders wichtig, betont die Wutzrockerin. „Wir setzen einen Punkt gegen rechts. Und während wir vor 44 Jahren eher die Schmuddelkinder waren, sind wir heute akzeptiert.“