Allermöhe. Im Bezirk Bergedorf durften die Tiere außerhalb der Schonzeit erlegt werden. Jagd auf die Wildvögel hat deutlich zugenommen.

In Hamburg stehen Höckerschwäne unter besonderem Schutz. Eine Verordnung aus dem Jahr 1664 verbietet es, die Tiere zu beleidigen, zu verletzen oder gar zu töten – zumindest sofern es sich um die berühmten Alsterschwäne handelt. Doch abseits des bekannten Binnengewässers werden die Wildvögel regelmäßig bejagt.

In den Bezirken Bergedorf und Harburg dürfen die Tiere im November und Dezember zum Schutz der Landwirtschaft verfolgt werden. Laut Hamburger Senat wurden in diesem Zeitraum des vergangenen Jahres 23 Tiere geschossen. In Allermöhe wurden darüber hinaus 15 Höckerschwäne im Frühjahr – also außerhalb der Schonzeit – geschossen. Der Senat hatte dafür eine Sondergenehmigung erteilt.

Bergedorf: Jagd auf Höckerschwäne – Kritik von der Linken

Der Bergedorfer Bürgerschaftsabgeordnete Stephan Jersch (Die Linke) sieht in den Abschüssen eine „Ungleichbehandlung, die Fragen aufwirft“. Während die Wildvögel in Bergedorf abgeschossen werden, kommen die Alsterschwäne in ein Winterquartier am Eppendorfer Mühlenteich, um die kalte Jahreszeit, die für die Tiere eine große Bedrohung darstellt, zu überstehen.

„Ziel der Bejagung ist eine Vergrämung, nicht eine Bestandsreduzierung“, erklärt der Senat in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage vom 26. Juni. Bei einer Vergrämung werden Tiere wiederholt gestört, um sie aus einem Gebiet zu vertreiben. Wenn das nicht gelingt, könne auch von Schusswaffen Gebrauch gemacht werden. „Das geht nur unter der Voraussetzung, dass man die anderen Maßnahmen versucht hat“, sagt Peter Dose, Jägermeister für die Bezirke Bergedorf und Hamburg-Mitte.

Wildvögel halten sich vor allem auf Rapsfeldern auf

Warum aber lassen sich Höckerschwäne so schwer vertreiben? „Es sind intelligente Tiere“, beschreibt Dose. „Sie wissen genau, ob die Methoden Konsequenzen für sie haben oder nicht.“ Auf Feldern halten sich die Wildvögel im Verbund auf. Für die Erträge der Landwirte kann das schwere Einbußen zur Folge haben.

Kümmert sich um die Alsterschwäne: Schwanenvater Olaf Nieß.
Kümmert sich um die Alsterschwäne: Schwanenvater Olaf Nieß. © dpa | Jonas Walzberg

Diese Erfahrung hat auch Landwirt Martin Lüdecke gemacht. „Die Vögel sehen es vor allem auf Rapsfelder ab“, sagt der Präsident des Hamburger Bauernverbandes. „Im vergangenen Jahr hatten wir in Altengamme 20 Hektar Raps, wovon die Schwäne rund ein Viertel gefressen haben.“

Die großflächigen Felder haben für die Vögel zudem den Vorteil, dass sie dort genug Platz haben, um zum Fliegen anzusetzen. Die rund zehn Kilogramm schweren Tiere benötigen eine Distanz von circa 100 Metern, um sich in die Luft zu begeben.

Anbau auf Ackerflächen durch Fraß- und Kotschäden beeinträchtigt

Die Landwirtschaftskammer Hamburg (LWK) hatte im Januar den Schaden zweier Landwirte in Billwerder auf 16 Hektar großen Wintergetreide- und Grünlandflächen begutachtet. Das Ergebnis: Die Fraß- und Kotschäden hätten auf etwa fünf Prozent der Ackerfläche zu einem Totalausfall des Brotweizen-, Triticale- und Rapsanbaus geführt. Hinzu kämen Fraß- und Kotschäden auf Grünlandflächen, wodurch die Futtergrundlage für Rinder, Pferde, Schafe und Ziegen beeinträchtigt werde.

„Der angerichtete Schaden eines einzelnen Tieres lässt sich nicht feststellen“, teilte die Landwirtschaftskammer mit. „Die zu erwartenden zukünftigen Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen hängen vor allem von der Dauer und Intensität der Fraßaktivitäten sowie der Anzahl der Tiere ab.“

Stockenten, Rabenkrähen und Graugänse am häufigsten bejagt

In den Wintermonaten ist laut Senat seit mehreren Jahren eine „massive Zunahme“ von Wildvögeln zu verzeichnen. Grund dafür seien unter anderem die zunehmend milden Winter. Die sehr große Zahl der beobachteten Schwäne und Gänse lege den Schluss nahe, dass es sich „überwiegend nicht um in diesem Gebiet brütende Bestandsvögel handeln kann“, betonte der Senat.

Hat wegen des Abschusses von Schwänen Fragen an den Senat: Stephan Jersch von den Linken
Hat wegen des Abschusses von Schwänen Fragen an den Senat: Stephan Jersch von den Linken © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Im Vergleich zu anderen Tieren ist die Anzahl an getöteten Höckerschwänen jedoch gering. Im Hamburger Jagdgebiet wurden vom 1. April 2022 bis zum 31. März 2023 insgesamt 4313 Federwildarten erlegt. Die meistbejagten Arten waren Stockenten (1278), Rabenkrähen (1036) und Graugänse (679).

38 von 42 Höckerschwänen im Jagdkreis Bergedorf und Hamburg-Mitte getötet

Auffällig ist allerdings der Trend: In der Jagdsaison 2022/23 wurden in Hamburg insgesamt 42 Höckerschwäne – 38 davon im Jagdkreis Bergedorf und Hamburger Mitte – getötet. Das ist mehr als doppelt so viel wie in den vergangenen Jahren. Zum Vergleich: 2021/22 wurden in Hamburg 16 Tiere erlegt, 2012/13 war es noch kein einziges.

„Aufgrund der Vielzahl an Wildvögeln war eine Reduzierung der Erntemenge durch Fraß und Verkotung und daraus resultierende Ertragsausfälle zu erwarten“, teilte die Umweltbehörde auf Nachfrage mit. Den Antrag der Landwirtschaftskammer hatte die Behörde für den Zeitraum vom 23. Januar bis 19. Februar 2023 genehmigt. „Das führte zur erhöhten Zahl an Abschüssen“, erklärt Sprecherin Renate Pinzke.

Im November werden die Alsterschwäne wieder in ihr Winterquartier gebracht. Den Höckerschwänen in den Vier- und Marschlanden steht hingegen wieder ein Kampf ums Überleben bevor.