Hamburg. Trump-Wahl, Ampel-Chaos, Krieg – man möchte schwermütig werden. Aber besser ist es, trotz allem optimistisch zu bleiben.

Ich bin ein Kind des Weltuntergangs. Als ich jung war, stellte sich kaum die Frage, ob wir alle sterben werden. Das galt angesichts der Bedrohungen und Katastrophen als ausgemachte Sache. Die Frage lautete bloß, woran wir denn alsbald zugrunde gehen. Am wahrscheinlichsten schien uns die Apokalypse. Der Atom-Tod. Der nukleare Winter. Dahingerafft am Day After, als Kollateralschaden eines irren Wettrüstens.

Alles machte uns Angst: Der mittelmäßige US-Schauspieler Ronald Reagan, der als Mikrofonprobe schon mal die Sowjetunion angreifen wollte. Oder der militärisch-industrielle-Komplex in der Sowjetunion mit alten, weißen Greisen an der Spitze. Zumindest wussten wir, dass allein der Slogan „Lieber rot als tot“ jede Familienfeier gründlich sprengen konnte.

Hamburger Kritiken: Fast hätten die Apokalyptiker recht behalten

Heute wissen wir, wie knapp es war und dass unser Lebensretter der russische Offizier Stanislaw Petrow war: Er deutete am 26. September 1983 den Alarm in der sowjetischen Raketenabwehrzentrale als Fehler – und beantwortete den vermeintlichen US-Atomangriff nicht.

Eigentlich seltsam, dass in der Hansestadt 8600 Straßen mitunter seltsame Namen tragen, aber nicht eine einzige hierzulande an einen Kalten Krieger erinnert, der kühl blieb. Ein Weltraumsatellit hatte damals Reflexionen von Sonnenstrahlen an der amerikanischen Raketenbasis in Montana für den Schweif einer startenden Rakete gehalten. Dank Petrow wurde daraus kein Atomkrieg.

Wir fürchteten Wettrüsten, den Nord-Süd-Konflikt und Umweltzerstörung

Unsere Uhr stand damals seit Jahren auf fünf vor zwölf, ganz falsch ging sie nicht. Aber eben auch nicht richtig. Denn für den Fall, dass die Militärs wider Erwarten den atomaren Overkill vermeiden würden, sahen wir noch viele andere tödliche Krisen. Das Rororo-Sachbuch mit dem knackigen Titel „Überlebenslesebuch“ von 1983, das wir als Pennäler verschlangen, hatte den Nord-Süd-Konflikt auf Platz 2 der tödlichen Krisen gesetzt – die ungerechte Weltwirtschaft, die Ausbeutung der Armen, die Wut der Revolutionäre.

Schon mit 14 Jahren war ich etwas enttäuscht, dass es die Umweltzerstörung damals nur auf Platz 3 geschafft hatte. Ich persönlich hätte im Wettbewerb der Weltuntergangsszenarien dem Waldsterben, verseuchter Luft, vergiftetem Wasser und dem Ozonloch statt Bronze Gold gegeben. Aber was wusste ich schon? Die Klimakatastrophe hatte uns damals erst in Ausläufern erreicht, ob Treibhauseffekt oder eine neue Eiszeit war damals noch nicht abschließend geklärt. Klar war nur: Beides tödlich!

Warum ich das alles erzähle? Es soll Menschen geben, die derzeit wieder ein Weltuntergangsgefühl beschleicht. Zu Klimakatastrophe und Flüchtlingswelle haben sich nun noch Kriege, Donald Trump, Ampel-Aus und eine veritable Wirtschaftskrise gesellt, Populismus und Radikalisierung. Wer dann noch aus dem Fenster schaut, kommt auch nicht besser drauf. Novembergrauer Himmel, aschgraues Gemüt.

Der Weltuntergang ist ausgefallen

Aber wie die Episode aus den Achtzigerjahren zeigt: Der Weltuntergang ist ausgefallen. Das ständige Schwarzmalen bringt keinen weiter. Ja, wir haben ernste Probleme – und das lange Leugnen etwa der Wirtschaftskrise oder der Mi­gra­tionsprobleme hat die Lage nicht einfacher gemacht. Aber zwischen Herausforderungen und Weltuntergang liegen doch noch Welten.

Auch wenn es gerade abwärts geht, sind wir noch auf verdammt hohem Niveau unterwegs: Wir leben in schönen Städten, mit einem nie gesehenen Wohlstand, mit einem trotz mancher Probleme bewunderten Gesundheitssystem.

Demokratie ist keine Netflix-Serie, sondern eine Mitmachveranstaltung

Der Niedergang ist kein Naturgesetz, sondern die Folge des Unterlassens. Wir sind faul, träge, und scheuen die Verantwortung. Schuld sind immer die anderen, im Zweifelsfall die Politiker, wir kennen nur unsere Rechte, nicht die Pflichten, wir schauen auf die Demokratie, als sei sie eine Netflix-Soap. Sie ist aber eine Mitmachveranstaltung. Trump mag ein Ärgernis sein, eine Ausrede ist er nicht. Und wer kann ausschließen, dass Trump nicht am Ende ein Mephisto ist, ein Teil „von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“? Vielleicht gelingt dem Präsidenten ein Waffenstillstand in der Ukraine? Zudem könnte Trump Europa einen.

Bei allem Ärger über das Ampel-Aus erleben wir gerade eine große Eintrittswelle junger Menschen in die Parteien. Und aller Klimaangst zum Trotz, wissen wir seit Friedrich Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

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Was mich so zuversichtlich stimmt? Ich bin ein Kind des Weltuntergangs. Langsam werde ich alt.