Hamburg. Der Sieg des Populisten ist für die gewachsene Weltordnung ein schwerer Schlag. Besonders ungemütlich wird es für die Bundesrepublik.
Das Heulen und Wehklagen fällt gerade in der Bundesrepublik besonders laut aus: Der zweite Wahlsieg von Donald Trump ist wahr geworden. Auch wenn sich die überwältigende Mehrheit der Deutschen einen anderen Ausgang gewünscht haben mag, gebietet der demokratische Anstand, Trump zu gratulieren.
Die Welt, Europa und Deutschland werden in den kommenden vier Jahren mit einem US-Präsidenten Donald Trump leben müssen. Einfach wird das nicht. Die Hoffnungen, die Größe des Amts würde den Unternehmer Donald Trump zähmen, haben sich schon zwischen 2017 und 2021 schnell zerschlagen. Nun ist zu erwarten, dass der Republikaner besser vorbereitet seine radikale Agenda im Weißen Haus durchsetzen wird. Der Wahltag hat alles verändert: Die Republikaner haben den Senat und vermutlich auch das Repräsentantenhaus gewonnen, Trump kann durchregieren.
US-Wahl: America first – das gilt nun radikaler und hemmungsloser
Seine Politik ist so schlicht wie klar: „Wir müssen unser Land an erste Stelle stellen.“ Das wird Trump ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen – in der Wirtschaft, in der Verteidigungspolitik, aber auch in der internationalen Weltordnung. Ab Januar 2025 gilt wohl das Recht des Stärkeren. Auch wenn zu bezweifeln steht, dass Trump Schiller gelesen hat, einen Satz hat der Präsident mit den deutschen Wurzeln verinnerlicht: Der Starke ist am mächtigsten allein.
So hat er schon in seiner ersten Amtszeit die Regeln des freien Welthandels mit Zöllen gebrochen und die Welthandelsorganisation WTO durch Nichtbesetzung der Richterstellen in den Schiedsgerichten handlungsunfähig gemacht. Diesen Kurs wird er fortsetzen, zum Schaden gerade der exportorientierten deutschen Wirtschaft.
Elon Musk freut sich, Deutschlands Autowerte schmieren ab
Während die Börsen jubilieren und etwa Tesla von Trump-Paladin Elon Musk feiern, stürzen deutschen Exportwerte ab. Nun gilt weltweit „America first“. Amerika ist nicht länger ein fairer und freundlicher Hegemon, sondern ein egoistischer.
Genau hierin liegt die Zeitenwende 2.0. Ausgerechnet die Mehrheit der US-Wähler stellt nun die bisherige Weltordnung infrage. Bei aller transatlantischen Freundschaft: Es drohen Wirtschafts- und Finanzkriege, ausgelöst von den USA.
Deutschland ist auf eine neue Amtszeit denkbar schlecht vorbereitet
Anders als 2017 trifft es Deutschland in einer Phase der Schwäche. Die Regierung ist überfordert und arbeitet weiter einen Koalitionsvertrag aus einer Zeit ab, die längst Geschichte ist. Eine fehlgeleitete Energie- und Abgabenpolitik und eine kafkaeske Bürokratie haben die deutsche Wirtschaft massiv beschädigt. Wie will sie einen drohenden Wirtschaftskrieg bestehen? Und die Reaktionen auf das diskussionswerte Lindner-Papier zur Wirtschaftswende verdeutlichen, dass Teile der SPD und der Grünen die Brisanz der Lage überhaupt nicht begriffen haben.
Auch Europa zeigt sich in einem besorgniserregenden Zustand. Deutschland hat sich geschwächt, Frankreich hat sich durch Macrons Neuwahl-Schnapsidee gelähmt, und vielen kleineren Länder genügt die Rolle der Rosinenpicker. Manche osteuropäische Staaten gefallen sich darin, eifrig EU-Subventionen einzustreichen und dann eine eigennützige Außenpolitik zu machen, die sich eng an China oder Trump anlehnt. Damit verliert Europa jede Schlagkraft.
Europa ist kein 51. Bundesstaat der USA
Donald Trump wird Europa nur ernst nehmen, wenn es ihm im Ernstfall gemeinsam die Stirn bietet. Auch wir haben Interessen und werden sie vertreten müssen – zur Not gegen Trumps Amerika oder als Deal. Europa ist nicht der 51. Bundesstaat der USA.
Der alte Kontinent ist nicht so schwach, wie er sich macht: Wenn Amerika unsere Firmen abwirbt, warum locken wir nicht Unternehmer aus dem Silicon Valley oder Forscher von den Spitzenuniversitäten hierher? Wer in diesen Tagen der Zeitenwende noch immer an der Schuldenbremse festhalten will, dem ist nicht mehr zu helfen. Da wird sich die Union dringend und schnell bewegen müssen.
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Bewegen muss sich auch Kanzler Olaf Scholz. Es ist höchste Zeit für eine neue Zeitenwende-Rede. Dabei sollte er sich an seinem alten Förderer Gerhard Schröder orientieren: Die Zeiten der schönen Versprechen, der ungebremsten Ansprüche, des Rundumsorglos-Lebens sind vorbei. „You‘ ll never walk alone“, versprach der Kanzler einst. Das bleibt richtig. Aber wir müssen loslaufen, endlich den Hintern hochbekommen. Der Weg wird nach diesem Wahlergebnis hart, anstrengend und steinig genug.