Hamburg. Soheil Dastayri gehörte zu den Topmanagern bei Gruner + Jahr. Heute leitet er den größten deutschen Publikumsverlag im Buchbereich.
Er arbeitete bei Gruner + Jahr für Marken wie den „Stern“ und „Capital“, gründete die Agentur Territory – und schrieb nach seinem Ausscheiden aus dem Verlag ein Buch über Menschen und Marken. Inzwischen leitet Soheil Dastyari selbst mit Bastei Lübbe einen Buchverlag. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht er über die Unterschiede zwischen der Zeitschriften- und der Buchbranche, über junge Leute, die wieder richtig viel lesen und das Geheimnis des Papiers. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider.
Das sagt Soheil Dastyari (Jahrgang 1972) über …
… die ewige Frage, wann ein Buch ein Erfolg ist: Das kommt darauf an, wen man fragt. Fragt man den Verlag, dann ist ein Buch erfolgreich, das sich rechnet und von vielen Menschen gelesen wird. Den Autoren geht es dagegen oft darum, dass sie etwas zu sagen haben und deshalb ein Buch veröffentlichen. Beide freuen sich darüber, wenn über das Buch gesprochen wird und es tatsächlich etwas bewegt. Das ist noch wichtiger als die Verkaufszahlen. Es gibt Bücher, von denen nur eine dreistellige Zahl von Exemplaren verkauft wird, und solche, bei denen es um sechsstellige Zahlen geht. Dazwischen die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist das Ziel eines jeden Verlages.
… sein Weg von einem Zeitschriften- zu einem Buchverlag: Nach meinem Ausscheiden bei Gruner + Jahr wollte ich eigentlich eine Weltreise machen. Aber das ging nicht, weil Corona ausbrach. Also habe ich erst einmal ein Buch begonnen, das ich schon länger über Menschen und Marken schreiben wollte. Außerdem gab es Anfragen verschiedener Zeitungs- und Buchverlage, ob ich sie beraten könne. Irgendwann kam dann der Anruf von Bastei Lübbe, ob ich an deren Unternehmensstrategie mitarbeiten könnte. Das hat dann anscheinend so gut funktioniert, dass man mich am Ende gefragt hat, ob ich den Posten des CEO übernehmen will. Ich fand die Buchbranche schon immer spannend, weil jedes neue Buch wie eine kleine Geburt ist, und man zu Beginn nie so genau weiß, was daraus wird. Das fand ich schön und auch, dass es einen klaren Markt und eine klare Leserschaft gibt. Und Buchhändlerinnen, die sich mit ihren Produkten wirklich auskennen. All diese Aspekte haben mich gereizt.
… den Buchmarkt, der etwas Besonderes ist: Wir werden dieses Jahr etwa 110 Millionen Euro Umsatz machen. Damit sind wir unter den unabhängigen Publikumsverlagen die Nummer eins. Der Buchmarkt ist völlig anders als der Magazinmarkt. Es gibt unglaublich viele kleine Verlage, es geht eher um thematische Schwerpunkte als um Größe. Daher erklärt sich auch das Überangebot an Büchern in Deutschland. Es sind einfach sehr, sehr viele Akteure am Markt. Das sind lauter Überzeugungstäter, was mich beeindruckt. Verglichen mit anderen Branchen, gerade mit dem Journalismus, ist der Buchmarkt nahezu arroganzbefreit. Das mag vielleicht daran liegen, dass nicht alle um die eine große, exklusive Geschichte kämpfen. Dadurch, dass es so viele Bücher und Geschichten gibt, ist jeder mal erfolgreich, kann jeder im Scheinwerferlicht stehen. Das finde ich so charmant am Buchgeschäft.
… gedruckte Bücher, die anders als gedruckte Zeitungen und Magazine fast so beliebt sind wie vor der Erfindung des Internets: Bücher haben eine andere Wertigkeit als beispielsweise Magazine. Bei ihnen geht es auch darum, sie zu besitzen, irgendwo hinzustellen, auf den Nachttisch zu legen, mit auf Reisen zu nehmen. Das Verhältnis der Menschen zu Büchern ist zeitlos, freundschaftlich und sehr stabil, die Haptik und das Handwerkliche daran wird sehr geschätzt. Und das ist keine Frage des Alters. Wir erleben gerade, dass sehr viele junge Menschen Bücher kaufen, auch und vor allem diejenigen, die man gern die Generation Tiktok nennt.
… das digitale Geschäft: Bei Bastei Lübbe machen wir etwa ein Drittel unserer Umsätze im Digitalen, also mit E-Books und Audio-Büchern, das ist für einen Buchverlag sehr viel. Die Dynamik kommt dabei im Moment stark aus dem Audiobereich, wir sind besonders im Streaming erfolgreich.
… Booktok, das neue Phänomen: Junge Frauen haben auf Tiktok die Themengruppe Booktok gegründet und sprechen dort über die Bücher, die sie gerade gelesen haben. Das hat für eine neue Dynamik auf dem Buchmarkt gesorgt, von der wir zum Glück sehr profitieren. Unter anderem mit unserer jungen Marke Lyx. Inzwischen gibt es in Buchhandlungen Booktok-Tische und in der Fachpresse die Booktok-Bestsellerliste analog zur „Spiegel“-Bestsellerliste. Es kommt hinzu, dass auch Influencerinnen das Buch als wertige Ergänzung ihrer Arbeit entdecken. Auch das hilft uns, jüngere Zielgruppen in einem Umfang für Bücher zu interessieren, wie man es vor Kurzem noch nicht für möglich gehalten hat.
Entscheider treffen Haider
- Angelika Bachmann: „Ich war nie in der Grundschule“
- Rhea Harder: Was Notruf Hafenkante und TKKG gemeinsam haben
- Ingo C. Peters: „Ich muss keinen Tag arbeiten“
… Drogerie-Unternehmer Dirk Rossmann, der sowohl Autor als auch Aktionär bei Bastei Lübbe ist: Dirk Rossmann war bei uns Autor, bevor er in die Bastei Lübbe AG investiert und Anteile gekauft hat. Die Themen seiner Bücher, etwa der Kampf gegen den Klimawandel, sind ihm Herzensanliegen. Er investiert auch eigenes Geld und eigene Zeit in das Marketing dafür. Aber das ist nicht der Grund, warum sich seine Bücher so gut verkaufen. Entscheidend dafür ist, dass man merkt, wie ihn die Geschichten bewegen, die er erzählt. Und dass er ein wirklich guter Erzähler ist.
… die Anfänge von Bastei Lübbe, die von Groschenromanen wie Jerry Cotton geprägt waren: Wir sind mit Groschenromanen, die bei uns Romanhefte heißen, groß geworden. Sie gehören zu unserer DNA. Das Geschäft mit Romanheften ist erstaunlich stabil. Wir verbergen unsere Wurzeln nicht, sondern freuen uns, dass das Prinzip weiterhin funktioniert. Mehr noch: Es gibt nicht wenige Romanautoren, die ihre Karriere damit begonnen haben, für unsere Romanreihen zu arbeiten.