Hamburg. Er war Top-Manager, zuletzt als Chef von RTL Deutschland: Sein Buch „25 letzte Sommer“ ist auch eine Warnung an andere Führungskräfte.
Er war der letzte Chef von Gruner + Jahr, wurde dann Vorstandsvorsitzender von RTL Deutschland – um vor anderthalb Jahren von heute auf morgen aus der Medienwelt zu verschwinden. Dort hatte man gedacht, dass Stephan Schäfer irgendwann bei einem anderen Verlag oder Sender wieder auftauchen würde; doch tatsächlich hat sich der Hamburger entschieden, etwas anderes zu tun.
Gerade ist sein erstes Buch „25 letzte Sommer“ erschienen, das sofort zu einem Bestseller wurde, und man braucht nicht viel Fantasie, in dem gehetzten Erzähler, der sein Leben als endlose To-do-Liste empfindet und der an der Schlei auf den in sich ruhenden Kartoffelbauern Karl trifft, Schäfer selbst zu erkennen. Oder doch nicht? In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der Autor über seine Rückbesinnung auf das Schreiben, den Neuanfang, nachdem man Chef von Tausenden Mitarbeitern war, und über die großen Fragen des Lebens, die das eigentliche Thema seines Romans sind.
Das sagt Stephan Schäfer (Jahrgang 1974) über …
… seinen Neuanfang nach der Zeit bei Gruner + Jahr und RTL Deutschland: „Eins vorweg: Ich habe die Arbeit geliebt, es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, ich habe die Inhalte geliebt, das alles war ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, sehr viele Jahre lang. Und ich bin sehr dankbar, dass ich das alles erleben durfte. Als ich dann vor dem Neuanfang stand, habe ich mich gefragt, womit ich mich nach dieser langen Zeit als Manager und Chefredakteur beschäftigen möchte. Irgendwann ist mir klar geworden, dass ich wieder dahin wollte, wo ich herkomme, nämlich zum Schreiben. Und ich hatte eigentlich nicht vor, als Erstes ein Buch zu schreiben. Aber ich trage den Titel ,25 letzte Sommer‘ schon seit vielen Jahren mit mir herum, weil ich ihn so schön finde, und außerdem war jetzt der ideale Zeitpunkt, die Geschichte zu erzählen, die ich in dem Roman erzähle. Die große Frage, wie ich mein Leben verbringen und was ich mit meinem Leben machen möchte, beschäftigt mich schon sehr, sehr lange.“
… seinen Wechsel vom Journalisten zum Manager bei Gruner + Jahr: „In dem Moment, als mir die unterschiedlichen Posten angeboten wurden, fand ich das immer interessant. Ich dachte: Das probiere ich aus, damit ich mir hinterher nicht vorwerfen muss, es nicht getan zu haben. Außerdem mochte ich es, als Verantwortlicher mit Journalistinnen und Journalisten zu arbeiten.“
… die Ähnlichkeiten des Erzählers im Buch mit seinem Leben: „Ein Roman bleibt Roman und damit Fiktion. Das gilt auch für meinen Ich-Erzähler. Aber natürlich steckt in jedem Buch sehr viel Erlebtes und selbst Erfahrenes, mir fällt es auch leichter, über etwas zu schreiben, das ich selbst erlebt habe. Deshalb erkenne ich ganz viele Situationen aus dem Buch wieder, vieles davon ist mir selbst widerfahren, über anderes habe ich lange nachgedacht. Deshalb ist es für mich auch ein sehr persönliches Buch. Aber den Roman durchzugehen und abzugleichen, was Stephan Schäfer passiert ist und was nicht, ist für mich nicht die interessante Frage. Der Ich-Erzähler ist, wer er ist, weil er bestimmte Dinge erlebt hat: Das Tennisspielen in seiner Jugend, den Tsunami, unschöne Ereignisse beim Skiunterricht – er ist rund um Leistung groß geworden, und das hat ihn geprägt. Im Kern geht es mir also nicht um Stephan Schäfer, sondern um zwei extrem unterschiedliche Lebensmodelle, die aufeinandertreffen: Der Kartoffelbauer Karl, der in der Ruhe und Ausgeglichenheit lebt, und der Erzähler, der zu den modernen Menschen gehört, zu denen ich auch gehörte, die immer erreichbar sind und immer etwas auf dem Zettel haben. Jeder kennt doch das Spiel: Man ist der, der man ist, und fragt sich gleichzeitig, ob man nicht anders sein könnte.“
… Top-Manager, die Ernährung und Sport zu einer Art Religion erheben und versuchen, so diszipliniert wie möglich zu leben: „Je intensiver die Arbeit wurde, desto mehr habe auch ich darauf geachtet, dass ich gesund und fit bleibe, dass ich dem ganzen Tempo gewachsen bin. Man steht immer in dem Spagat, dass man unglaublich viel arbeitet, und dem Wunsch, irgendwie noch einen Ausgleich dazu zu schaffen. Ich brauchte es, einmal am Tag an der frischen Luft zu sein, an der Alster zu laufen, ohne ging es nicht. Aber ich habe nie versucht, daraus auch noch eine Disziplin zu machen, in der ich mich oder andere besiegen muss.“
… die Botschaft seines Romans: „Ich möchte niemanden auffordern, sein Leben zur Seite zu kippen und alles ganz anders zu machen. Es gibt so viele Verpflichtungen, die man hat und die auch Spaß machen können. Mir geht es um Freundschaften und Beziehungen. In meinem neuen Leben habe ich mehr Zeit für meine Familie und für Freunde, und ich merke, dass mir das sehr viel bedeutet.“
… seine Art zu schreiben: „Ich schreibe vormittags drei, vier, maximal fünf Stunden, mehr schaffe ich nicht. Den Rest des Tages denke ich darüber nach, wie es weitergehen könnte. Mir ist es wichtig, mir die Freude am Schreiben zu erhalten und nicht darauf zu schielen, wie das, was ich gerade mache, ankommt. Ich will das Schreiben genießen, und bisher ist mir das zum Glück gelungen.“
Entscheider treffen Haider
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… seine Zeit als einer der besten Jugend-Tennisspieler Deutschlands, die dazu geführt hat, dass er heute keinen Tennisschläger mehr in die Hand nimmt: „Der heutige Daviscup-Coach Michael Kohlmann war mein Doppel-Partner, zusammen haben wir damals die Deutsche Meisterschaft gewonnen. In meiner Jugend hat mich der Sport sehr geprägt, ich hatte ein Talent für Tennis, irgendwie kam ich immer weiter und sah, dass das meinem Umfeld gefiel. Alle hatten Hoffnung in mich gesetzt, und deshalb habe ich mich nicht getraut zu sagen, dass mir diese Art von Tennis überhaupt keinen Spaß macht. Manchmal hat man Talent für eine Sache, ohne dabei Freude zu empfinden. Ich habe danach Handball gespielt und fand das so viel besser, weil ich nicht allein auf dem Feld stand. Ich habe vergangenes Jahr noch einmal Tennis gespielt, weil mich ein Freund gefragt hatte, und ich habe nach 30 Minuten gesagt: Lass uns aufhören, das ist nicht mein Sport.“
… seinen ersten Buchvertrag: „Ich habe den Entscheider-treffen-Haider-Podcast mit Sebastian Fitzek gehört, in dem er erzählt, dass er sein erstes Buch an 15 verschiedene Verlage geschickt hat, die entweder abgesagt oder sich gar nicht gemeldet haben. Ich habe das Gefühl, dass jeder erfolgreiche Autor die Geschichte erzählt, dass niemand ihn haben wollte. Ich würde jetzt auch wahnsinnig gern sagen, dass mein Buch ganz oft abgelehnt wurde und am Ende ein genialer Verlag seinen Wert erkannt hat – aber damit kann ich leider nicht dienen. Ich habe übrigens am Anfang gar nicht darüber nachgedacht, ob ich einen Verlag finde. Ich wollte schreiben, und ich wollte eine neue Struktur in mein Leben bringen. Alles andere hat sich erst später ergeben.“