Hamburg. Pkw-Zahlen auch 2022 hoch. CO2 aus Verkehr sinkt seit 20 Jahren nicht. Senator stellt A26 infrage – und es gibt noch radikalere Ideen.
In Sachen Klimaschutz geht es jetzt auch für die Hamburgerinnen und Hamburger ans Eingemachte. In dieser Woche hat die Umweltbehörde den „Beteiligungsprozess“ für die deutliche Verschärfung des Klimaplans eröffnet. Sprich: Bürgerinnen und Bürger und Verbände können Vorschläge machen, wie es gelingen soll, den CO2-Ausstoß bis 2030 um mindestens 70 Prozent gegenüber 1990 zu verringern.
Das wird eine echte Herkulesaufgabe, denn bis 2022 ist in den 32 Jahren seit 1990 bisher lediglich eine Reduktion von etwa 36 Prozent gelungen. In den verbleibenden sieben Jahren muss also noch einmal fast dieselbe Menge des Klimakillergases eingespart werden.
Verkehr: Hamburg muss für den Klimaschutz umsteuern
Ein Bereich, in dem es dabei bisher kaum vorangeht, ist der Verkehr. Deswegen warnen Umweltverbände nun: Wenn Städte wie Hamburg den Pkw-Verkehr nicht massiv eindämmen, sind die Klimaziele nicht erreichbar. „Der Verkehrssektor ist der einzige, dessen CO2-Emissionen in Hamburg in den letzten 20 Jahren nicht gesunken sind“, sagte der Geschäftsführer Umweltverbandes BUND, Lucas Schäfer, dem Abendblatt.
Deswegen könnten hier schnell große Einsparungen erreicht werden. „Klar ist: Ohne massive Verhaltensänderungen und Verkehrsverlagerungen wird es nicht gehen“, so Schäfer. „Hamburg wird bereits in den nächsten fünf Jahren sein komplettes CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel aufgebraucht haben“, so Schäfer. „Deshalb benötigt Hamburg ab sofort ein viel konsequenteres Umsteuern auf Ebene von Politik und Behörden.“
„Es reicht nicht, auf Elektro zu setzen“
Der entscheidende Fehler sei, dass Hamburg bisher lediglich auf eine Antriebswende hin zu mehr E-Autos setze, nicht aber auf eine massive Reduzierung des Autoverkehrs, so Schäfer. Ein deutlicher Hinweis dafür seien die nach wie vor konstanten Pkw-Zahlen in der Stadt.
Tatsächlich ist die Zahl der zugelassenen Pkw 2022 in Hamburg nach Abendblatt-Informationen etwa so hoch wie im Vorjahr gewesen – sie lag zum Jahreswechsel bei etwa 806.000. Bundesweit ist die Zahl der Neuzulassungen 2022 nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes weiter gestiegen – um 1,1 Prozent gegenüber 2021.
Der BUND fordere deshalb, nicht nur Radfahren, Zu-Fuß-Gehen und die Nutzung von Bus und Bahn attraktiver zu machen, „sondern explizit das Autofahren unattraktiver“, so Schäfer. Dafür müsse auch der Straßenraum im Stadtgebiet reduziert werden. „Neue Autobahntrassen im Stadtgebiet wie der Neubau der A 26-Ost, sowie der achtspurige Ausbau der A 1 sind da ein absolutes Tabu.“
Stau: Hamburgs Umweltsenator stellt A26-Bau infrage
Mittlerweile stellt auch der grüne Umweltsenator Jens Kerstan den Bau der A 26 infrage. „Ich stehe voll und ganz hinter unserem rot-grünen Koalitionsvertrag, dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob die Planungen zur A 26-Ost noch zeitgemäß sind“, sagte Kerstan dem Abendblatt.
„Wir erleben eine sich dramatisch verschärfende Klima- und Biodiversitätskrise und arbeiten mit Hochdruck an der Mobilitätswende. Auch die Hafenentwicklung und die weltweiten Logistikketten haben sich seit der Ursprungsplanung der A 26 zum Teil deutlich verändert. Ich begrüße deshalb eine öffentliche Diskussion zur A 26-Ost, ob diese angesichts der enormen Investitionen und klimaschädlichen Auswirkungen in der heutigen Zeit wirklich noch die richtige Antwort auf die enormen Herausforderungen ist.“
- 10.000 fahrerlose Autos? ADFC warnt Hamburg vor Gefahren
- Neuer Klimaplan: „Sonst wird Hamburg in großen Teilen unbewohnbar“
- Klimaschützer fordern City-Maut und weniger Parkplätze
Der BUND sieht neben dem Verkehr zwei weitere Schwächen der städtischen Klimaplanung: die erneuerbaren Energie und die Gebäude. Beim Thema Energie hoffe Hamburg zu sehr auf die Bundesebene und habe es versäumt, seinen eigenen Anteil am Zubau erneuerbarer Energien nennenswert voranzubringen, so BUND-Chef Schäfer.
„Dafür braucht es deutlich mehr Personal und Finanzmittel für die Umweltbehörde. Vordringlich sind der Windenergieausbau außerhalb von Naturschutzgebieten, sowie parallel zur Installation von Solarthermieanlagen eine Fotovoltaikpflicht für jeglichen Um- und Neubau auf mindestens 30 Prozent der Dachflächen“, so Schäfer. „Bisher ist nur der Ausbau auf Neubauten verpflichtend und dieser nur auf ein bis zwei Quadratmetern pro Dach.“
BUND fordert Sanierungspflicht per Gesetz
Bei der Gebäudesanierung plädiert der BUND für eine Verpflichtung der Vermieter. Anreize würden nicht ausreichen. „Der BUND fordert klare ordnungsrechtliche Maßnahmen für die Sanierung sowie eine Finanzierung, die für Mieterinnen und Mieter keine Erhöhung der Warmmiete mit sich bringt“, so Schäfer.
„Der BUND erwartet von Bürgermeister Tschentscher, dass Hamburg seine Präsidentschaft im Bundesrat nutzt, um im Zuge der anstehenden Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes auf eine bundesweite Sanierungspflicht hinzuwirken.“
Hamburg brauche „einen ambitionierten Klimaplan und ein Klimaschutzgesetz, das die Umsetzung garantiert“, resümiert der BUND-Chef. „Das wird nicht ohne Widerstände gehen, und die neuen Pläne könnten für den Bürgermeister zur Mutprobe des Jahres werden. Doch ohne diesen Mut wird Hamburg seine Klimaziele nicht erreichen.“
Am Donnerstagabend lädt der BUND zum Klimagipfel: bund-hamburg.de/klimagipfel