Hamburg. Autoverkehr belaste das Klima in der Stadt immer stärker, das zeigten von Google erhobene Daten – die der Senat aber nicht auswertet.
Allen Bemühungen zum Trotz, die Menschen zum Umsteigen zu bewegen: Der Autoverkehr in Hamburg belastet das Klima nach wie vor stark. Sein Anteil am CO2-Ausstoß des Verkehrssektors ist zuletzt sogar weiter gestiegen. Das jedenfalls legen vom US-Unternehmen Google erhobene Daten nahe, die die deutsche Klimaschutzorganisation GermanZero ausgewertet hat.
Danach ist der Straßenverkehr im Jahr 2021 für 88,7 Prozent aller CO2-Emissionen des Verkehrssektors verantwortlich gewesen, zu dem auch Schiffs-, Luft- und Schienenverkehr gehören. Damit ist der ohnedies hohe Anteil des Autoverkehrs in den vergangenen Jahren sogar noch leicht angestiegen.
Verkehr Hamburg: Klimaschützer fordern City-Maut
Obwohl 2021 nur 40 Prozent der Fahrten in Hamburg mit dem Auto erfolgten, machten die Autofahrten laut GermanZero 68 Prozent aller zurückgelegten Streckenkilometer aus. Zum Vergleich: In Berlin wurden lediglich 55 Prozent der Streckenkilometer in Kfz zurückgelegt.
„Deshalb brauchen wir schnellstens Maßnahmen, die Autofahrten in die Stadt oder in der Stadt unattraktiv machen“, sagte Mark Roach, Sprecher von GermanZero in Hamburg, dem Abendblatt. „Dazu gehören eine City-Maut, zusätzliche Fahrradwege und die Verknappung der Parkplätze. Stattdessen muss der ÖPNV gestärkt werden.“
Google erhebt Mobilitätsdaten aus Tausenden Städten
Erhoben wurden die von den Klimaschützern verarbeiteten Daten von Google im Rahmen des 2018 gestarteten weltweiten Projekts „Environmental Insights Explorer“ (EIE). Für Tausende Städte erhebt das Digitalunternehmen dabei Daten zu CO2-Emissionen aus dem Verkehr und aus Gebäuden – und analysiert das Potenzial der jeweiligen Städte für die Installation von Solaranlagen auf Dächern.
Die Zahlen zur Mobilität stammen aus aggregierten Verkehrsdaten. Dazu nutze das Unternehmen „Google- und Benutzerstandortdaten, die überwiegend aus historischen Google-Maps- und Mobiltelefoninformationen stammen“, sagte ein Google-Sprecher dem Abendblatt. Dabei würden „Datenschutzfilter“ und „Anonymisierungstechniken“ eingesetzt.
Hamburg hält Google-Daten nicht für relevant
„Google ist hierdurch in der Lage, jährliche Fahrten nach Art und zurückgelegter Entfernung innerhalb der Grenzen einer Stadt zu modellieren“, so der Sprecher. Kombiniert würden damit Daten über den regionalen Fahrzeugmix, Kraftstoffe etc. Grob zusammengefasst: Wer ein Android-Handy oder Google-Anwendungen nutzt und die Standortweitergabe nicht abgeschaltet hat, dessen Daten werden für den EIE genutzt. Aus der Art und Geschwindigkeit der Fortbewegung lässt sich auf das genutzte Verkehrsmittel schließen.
Google bietet Städten die kostenfreie Nutzung der Daten an, um Potenziale für eine Stärkung des Klimaschutzes schnell zu identifizieren. Wenn die städtischen Verantwortlichen zustimmen, werden die Daten laut Google auch öffentlich für alle zugänglich gemacht. In Hamburg allerdings ist dies bisher nicht der Fall. Das bestätigte die Umweltbehörde. Man nutze die Daten nicht, denn mit ihnen lasse sich „die Wirksamkeit von verkehrlichen Einzelmaßnahmen im Rahmen des CO2-Monitoring nicht nachweisen“, so ein Behördensprecher. Kürzlich hatte der Senat auch auf eine Kleine Anfrage des CDU-Umweltpolitikers Sandro Kappe geantwortet, es gebe bisher lediglich einige Testzugänge, um die Datenqualität zu prüfen.
Senat nutzt veraltete Daten – die Kritik daran wächst
Stattdessen greift der Senat bisher stets auf veraltete, jeweils zwei Jahre zuvor erhobene Daten zurück – kürzlich wurden die Werte für den CO2-Ausstoß 2020 präsentiert, die wegen der Pandemie stark gegenüber 2019 gesunken waren. Die deutlich aktuelleren Zahlen des Bundes zeigen für 2021 bereits wieder einen deutlichen Anstieg. Zuletzt hatte es vermehrt Kritik daran gegeben, dass der Senat angesichts der sich verschärfenden Klimakrise keine aktuelleren Daten erhebt.
Anders als die Umweltbehörde von Senator Jens Kerstan (Grüne) halten nicht nur Klimaschützer, sondern auch Bürgerschaftsabgeordnete die Google-Daten für durchaus nützlich. Die CDU will den Senat im Januar in einem Bürgerschaftsantrag auffordern, sich bei Google dafür einzusetzen, die Daten auch den Fraktionen zur Verfügung zu stellen – und sucht dafür den Schulterschluss mit SPD und Grünen.
Verkehrsbehörde sieht Schwächen bei der Google-Datenerhebung
„Eine Nutzung der Daten wird zu einer effektiveren Umsetzung der Energie- und Verkehrswende sowie zu einer optimierten Umweltpolitik beitragen“, hofft CDU-Umweltpolitiker Kappe. „Behörden, Politik und auch Medien benötigen diese Daten.“ Es sei ihm unverständlich, warum der Senat diese nicht nutze und zugänglich mache, so Kappe. „Der Antrag liegt nun bei Rot-Grün. Ich hoffe auf eine baldige Rückmeldung.“
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Verkehrsbehördensprecher Dennis Krämer sagte, die Google-Daten könnten zwar eine Ergänzung zu städtischen Erhebungen seien. „Sie haben aus unserer Sicht aber auch ein paar Unschärfen, was etwa an der Erhebungsmethode liegt.“ So würden Menschen ohne Handy nicht gezählt, Touristen wie Einheimische bewertet und Radfahrer und Fußgänger bisweilen nicht richtig auseinandergehalten.
Verkehr Hamburg: Weiter weniger Autos auf den Straßen als vor Corona
„Die Verkehrszählungen der Stadt für 2021 zeigen, dass die Mobilität in Hamburg immer noch unterhalb des Vor-Corona-Niveaus liegt, was den Kfz-Verkehr und auch den ÖPNV betrifft“, so der Sprecher des grünen Verkehrssenators Anjes Tjarks weiter. „Der Kfz-Verkehr ist in bisher keiner Woche so hoch gewesen, wie in der Zeit vor Corona. Einzig der Radverkehr liegt nach wie vor auf einem hohen Niveau.“ Die Stadt tue viel für den Ausbau des ÖPNV, von Rad- und Fußverkehr, so Krämer. „Dieses Bestreben spiegelt sich auch stark im Haushalt für die kommenden Jahre wider: Bis 2026 sollen insgesamt 3,2 Milliarden Euro aus dem Etat in die Verbesserung nachhaltiger Mobilität gehen. Dies bedeutet eine klare Steigerung gegenüber den Werten aus den vergangenen Jahren und ist ein deutliches Signal für die Mobilitätswende.“
In anderen Bereichen tauscht sich die Stadt übrigens bereits intensiv mit Google aus – etwa zu den Themen Ampel-Optimierung oder der Messung der Luftqualität. Hierzu hat Google zusammen mit der HCU vor einem Jahr das Pilotprojekt Air View gestartet. Dafür fährt ein Google-Spezialfahrzeug durch Hamburg und wertet Daten zur Luftqualität aus.