Hamburg. Einen Monat nach der Sperrung sind dort noch viele Privatwagen unterwegs. Für die Polizei eine Zusatzbelastung. Eine Stichprobe.
Der Mann im dunklen VW-SUV ist sich keiner Schuld bewusst. „Ich bin nur meinem Navi gefolgt“, sagt der Fahrer des Autos mit dem Kennzeichen aus dem Landkreis Rotenburg (Wümme). Der Oberkommissar, der den Wagen mit gestikulierenden Armen angehalten hat, lässt es bei einer mündlichen Verwarnung.
Der Fahrer des SUV ist nur einer von 112 Autofahrern, die während einer Stichprobe des Abendblattes am Sonnabend zwischen 14.10 Uhr und 14.40 Uhr bei schmuddeligem Wetter das Durchfahrtsverbot für den Jungfernstieg missachtet oder übersehen haben. Auch einen Monat nach dem Start werden die neuen Regeln längst nicht eingehalten.
Autofreier Jungfernstieg: Verbot verwirrt viele Fahrer
Vor Ort ist stattdessen die Verwirrung groß. Die einladenden Abbiegestreifen, die geschaltete Ampel suggerieren den Autofahrern, dass es hier weiter auf den Jungfernstieg geht. Nur die provisorisch aufgestellten Schilder weisen auf das Durchfahrtsverbot hin.
Wie unsicher Autofahrer sind, sieht man an den wilden Fahrmanövern an der Ecke Neuer Jungfernstieg oder vor der Europa Passage, von wo die meisten Autos kommen. Oft halten die Fahrer und studieren die Verkehrszeichen, um dann im letzten Moment doch noch in Form eines „U-Turns“ vor dem Durchfahrtsverbotsschild die Biege zu machen. Andere fahren weiter.
Auch aus dem Neuen Wall kommen immer wieder Fahrzeuge. Besonders auffällig: Oft sind es mehrere Autos im Pulk, die über den Jungfernstieg fahren. Fährt der vorderste Wagen an einer der auf Grün springenden Ampeln an den Stellen mit den Durchfahrtsverbotsschildern los, folgen andere Fahrer offenbar „blind“. Ebenso deutlich wird bei der Stichprobe, dass vor allem Autos mit auswärtigen Kennzeichen noch oft über die Boulevardstraße fahren.
Polizei führt viele Kontrollen am Jungfernstieg durch
Für die Polizei ist der Jungfernstieg seit dem Durchfahrtsverbot, das Mitte Oktober in Kraft gesetzt wurde, ein „Dauerbrenner“. Am Donnerstag war eine der mittlerweile zahlreichen Schwerpunktkontrollen durchgeführt worden. Während des zweieinhalbstündigen Einsatzes fuhren 146 Fahrzeuge in die beiden Kontrollstellen, die in Höhe Große Bleichen aufgebaut waren. In 119 Fällen wurden Bußgelder verteilt.
„Viele Autofahrer gaben an, dass sie nichts von dem Durchfahrtsverbot gewusst und die Schilder übersehen haben“, sagt Polizeisprecherin Evi Theodoridou. Andere wiederum sagten, dass sie einfach nicht gewusst hätten, wie sie sonst zu ihrem Ziel kommen würden. Trotzdem gab es in der Regel eine Strafe. Die beiden Oberkommissare, die am Sonnabend einige Fahrzeuge stoppten, verzichteten dagegen auf Knöllchen. Vermutlich hätte das deutlich den Rahmen ihrer Fußstreife gesprengt.
Der Straßenverkehr auf dem Jungfernstieg bleibt
Verantwortlich für das Durchfahrtsverbot ist die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. Deren Vorstellung vom Jungfernstieg bis zum Umbau wird in einer bunten Illustration verbreitet, die viele entspannte Menschen mit Sonnenbrillen und einen schnittigen Rennradfahrer zeigt. Davon ist der Jungfernstieg an diesem Sonnabend weit entfernt.
Lesen Sie mehr zum Thema:
- Jungfernstieg-Kontrolle: Behörde kontert GdP-Kritik
- Warum 55 Wärmebildkameras Radfahrer in Hamburg zählen
- Handwerkskammer kritisiert Verkehrspolitik des Senats
Und das nicht nur wegen des miesen Wetters, das schon jedes Fünkchen Aufenthaltsqualität im Regen erlöschen lässt. Es fahren einfach zu viele Busse und Taxis, die beide von dem Durchfahrtsverbot ausgenommen sind, über den Jungfernstieg. Dazu ist zwischen 21 Uhr und 11 Uhr Lieferverkehr zugelassen. Vereinzelt wird es, beispielsweise für Handwerkerfahrzeuge, Ausnahmegenehmigungen geben.
Polizeiwache wegen des Verbots besonders belastet
Für die Überwachung ist die Polizei zuständig, insbesondere das Innenstadtrevier 14 mit Sitz an der Caffamacherreihe. „Für die Wache ist das natürlich eine zusätzliche Belastung“, so Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).
„Wir haben hier genau die gleiche Situation wie an der Max-Brauer-Allee, wo es eine Durchfahrtsbeschränkung für Dieselfahrzeuge gibt. Am Anfang wird oft kontrolliert, dann passt man es den Kapazitäten an. Eine Priorität der Polizeiarbeit sind die Überwachungen dieser Durchfahrtsverbote meines Wissen nicht.“
Thomas Jungfer geht davon aus, dass die Problematik am Jungfernstieg in den kommenden Monaten fortbestehen wird. Die Behörde plant, dass im Frühjahr 2022 der endgültige Umbau des Jungfernstiegs zur privatautofreien Zone erfolgt.