Hamburg. Elbkapitäne müssen wegen Corona in Kurzarbeit. Wie sich die Pandemie sonst noch auf Abicht, Barkassen-Meyer & Co. auswirkt.

Sie heißen „Helga“, „Gerda“, „Sabine“ oder „Seute Deern“. Und sie sind wie ihre Dutzenden schwimmenden Kolleginnen zuverlässige und schmucke Begleiterinnen im Hafen. Wenn man sie denn lässt. Denn die Barkassen und die Fahrgastschiffe sind zur Zeit zum Nichtstun verdonnert. Ebenso wie ihre Kapitäne.

Die heißen heute Schiffsführer, früher wurden sie auch oft „He lücht“ genannt. „Er lügt.“ Weil so ein uriger Typ eben manchmal Seemannsgarn vertellt oder einfach amüsant daherschnackt. Frei nach dem Motto: „Vom Turm des Michel aus kann man drei Meere sehen: tagsüber das Häusermeer, abends das Lichtermeer und wenn Nebel ist, gar nichts mehr.“

Der Corona-Lockdown legt die Branche in Hamburg still

So etwas fehlt. Die Anekdoten der Kapitäne über Hafen und Fluss, der Wind um die Nase der Gäste, das leichte Schaukeln auf dem kabbeligen Elbstrom, die Möwen, die elegant die Schiffe aus der Luft begleiten. Der Blick aus der ungewohnten Perspektive vom Wasser aus auf die Elbphilharmonie, auf die historische Speicherstadt, auf die Kräne der Containerterminals. Und die Ansicht von schräg unten auf die riesigen Pötte aus China und der großen weiten Welt, neben denen die Barkassen und Fahrgastschiffe sich winzig ausnehmen.

Zurzeit geht nichts von diesen Genüssen. Hafenrundfahrten, dieses Vergnügen, das so mancher zu den schönsten Touristenattraktionen zählt, die Hamburg zu bieten hat, dürfen im Spätherbst nicht stattfinden. Der Corona-Lockdown legt die Branche still, den ganzen November und wohl auch noch bis Jahresende – wieder einmal. So wie schon im Frühjahr alles auf null heruntergefahren wurde. Wenn man Knut Heykena, Geschäftsführer des Hafenschiffahrtverbandes Hamburg, fragt, wie es den etwa zwei Dutzend Unternehmern mit ihren rund 90 Schiffen geht, dann spricht er von „einem ganzen Jahr, das schlecht gelaufen ist. Die Corona-Krise mit dem jetzt schon zweiten Verbot von Gästefahrten hat der gesamten Branche große Einbußen beschert.“

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Der erste Lockdown Mitte März kam just zu der Zeit, als alle zum Ende des Winters ihre Schiffe „hübsch gemacht“ hatten und richtig in die Saison starten wollten. Das Verbot, Hafenrundfahrten anzubieten, habe die Branche heftig erwischt. „Nicht nur, dass wichtige Umsatzbringer wie Ostern oder der Hafengeburtstag ausgefallen sind. Auch nach der schrittweisen Lockerung der Vorschriften im Sommer war die Nachfrage gering.“ Eigentlich müsse das Sommergeschäft die wenig rentable Zeit im Winter kompensieren. Das habe nicht geklappt. Und durch den zweiten Lockdown jetzt im November wird die Branche erneut gebeutelt.

Elbreederei Abicht verfügt über 28 Barkassen und Fahrgastschiffe

Ähnlich sieht das auch Roman Cybulski, einer der drei Geschäftsführer der Rainer Abicht Elbreederei, zu der insgesamt 28 Barkassen und Fahrgastschiffe und fast 100 Mitarbeiter gehören. „Mit dem Verbot, Hafenrundfahrten anzubieten, wird uns die gesamte Unternehmensgrundlage genommen“, sagt Cybulski. Anstatt wie üblich mit dem Ende der Skiferien im Frühjahr in eine viel versprechende Saison zu starten, durfte der Betrieb nach dem ersten Lockdown erst am 13. Mai aufgenommen werden. „Den ganzen Mai über, sonst auch wegen des Hafengeburtstages einer der besten Monate für unsere Branche, war das Geschäft sehr verhalten.“

Im Sommer konnten die Anbieter der Hafenrundfahrten „nicht das Geld verdienen, was wir hätten verdienen müssen, um über die touristisch eher schwachen Wintermonate zu kommen“. Die finanziellen Hilfen vom Bund, nach denen für betroffene Unternehmen 75 Prozent der Einnahmen des entsprechenden Vorjahresmonats gezahlt werden, „ist nicht das Allheilmittel“, sagt Cybulski. „Denn der November ist für unsere Branche leider immer ein eher schwacher Monat.“ Die nächste Saison sei aber „noch nicht abgeschrieben“.

Insgesamt hofft der Reederei-Chef für alle das Beste: „Wir müssen darauf setzen, dass der Sommer wieder gut wird. Ich gehe davon aus, dass jeder Mitbürger darauf hofft, dass alle die Herausforderung Corona gemeinsam meistern.“ So sind viele der Schiffe einstweilen sicher vertäut in einem Hafenbecken an den Landungsbrücken – und nicht als mobile, farbenfrohe Aussichtsplattformen unterwegs auf der Elbe.

Barkassenkapitän: Viele Gäste hatten Angst, Fahrten wurden abgesagt

Es fehlt etwas: das quirlige Treiben, die Menschen, die die Touren genießen könnten. Stattdessen herrscht eine Stille, bei der keine Besinnlichkeit mitschwingt, sondern Melancholie. Von einer „sehr holprigen Saison“ spricht Barkassenkapitän Gregor Mogi von der Maritime Circle Line. Auch nachdem der erste Lockdown vom Frühjahr beendet war, seien die Gästezahlen verhalten geblieben. „Viele hatten Angst. Familienfeiern wurden abgesagt, Firmenfeiern ebenso.“ Im Mai habe er dramatischen Umsatzausfall gehabt, auch die Monate Juni und Juli seien „eher mau“ gewesen, so Mogi. „Der August lief gut, bevor sich das Gästeaufkommen zum Herbst wieder abschwächte. Wir hatten kaum einen Tag, wo wir etwas verdient haben. Das ist schon eine brutale Situation.“

Das sei „schade, denn ich denke, viele Gäste waren so glücklich bei ihren Fahrten, die haben sich sehr wohl gefühlt“. Zudem werde alles Notwendige für einen sicheren Infektionsschutz getan. „Und natürlich können wir immer lüften und das Dach öffnen. Das geht auch im Winter.“ So sei es auch möglich, beispielsweise Familienfeiern auf den Barkassen sicher auszurichten, betont Mogi. „Wir sind professionell. Und der Hafen ist so schön. Wir haben viele positive Reaktionen von Menschen, die sagten: ,Endlich haben wir mal wieder Wind um die Nase.“

Die Schiffe der Reederei Abicht liegen an den St. Pauli Landungsbrücken.
Die Schiffe der Reederei Abicht liegen an den St. Pauli Landungsbrücken. © Unbekannt | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

„Wir haben acht Monate mit sehr viel Hochs und Tiefs hinter uns“, sagt Hubert Neubacher, Inhaber von Barkassen-Meyer. Es seien „große Einbußen zu verarbeiten“. Wegen Kurzarbeit und der möglichen Unterstützung durch den Staat sei das Unternehmen aber „auf kleiner Flamme auf einem guten Weg. Letztlich haben wir ein tolles Produkt, und das ist Hamburg. Das wird wieder laufen. Das gibt mir große Zuversicht.“

Frische Brise, Wellen, das Wasser – und eben Hamburg: Das ist es auch, was Hafenschiffahrtsverband-Chef Knut Heykena an seiner Branche begeistert: „Eine Hafenrundfahrt ist das Beste, was man machen kann!“ Und Roman Cybulski von Rainer Abicht Elbreederei sagt: „Bei uns nimmt der Kunde den Charme des Hafens mit und das Gefühl der Freiheit. Selbst ein Hamburger kann bei einer Hafenrundfahrt seine Stadt wieder neu entdecken: mit Wind und Wetter – und ein bisschen Seemannsgarn.“

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