Leipzig/Hamburg. Das Bundesverwaltungsgericht gibt Umweltschützern vom BUND recht – und macht den Weg für weitere Beschränkungen frei.

Es ist eine Entscheidung, die den Senat unter Druck setzt: Wie das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig am Freitag entschieden hat, muss Hamburg zügig einen neuen Plan vorlegen, damit die Luft in der Stadt sauberer wird.

In dem Revisionsverfahren bestätigte das Gericht ein entsprechendes Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) weitgehend. Mit der höchstrichterlichen Entscheidung rücken auch weitere Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in Hamburg wieder verstärkt in den Fokus.

Luftreinhaltepolitik in Hamburg – auch BVG gibt BUND Recht

Der Umweltschutzverband BUND kritisiert die aus seiner Sicht mangelnde Luftqualität bereits seit knapp einem Jahrzehnt – und hatte die Stadt im Jahr 2019 bereits zum zweiten Mal deswegen verklagt. Deren noch aus dem Jahr 2017 stammender aktueller Luftreinhalteplan sieht vor, die gültigen Stickstoff-Grenzwerte bis spätestens 2025 einzuhalten. Das sei zu spät und die Anstrengungen der Stadt nicht ausreichend, argumentierte der BUND. Hierbei gab nun nach dem OVG auch das BVG den Umweltschützern größtenteils Recht.

Entsprechend zufrieden kommentierte die BUND-Vorsitzende Christiane Blömeke am Freitag die Entscheidung. „Das Urteil ist eine sehr gute Entscheidung für die Gesundheit der Menschen und ihre Lebensqualität in unserer Stadt. Die Belastung mit Luftschadstoffen ist in Hamburg immer noch zu hoch, auch wenn die Messwerte vor allem Corona bedingt zurück gegangen sind“, so Blömeke. Es brauche eine ambitionierte Luftreinhaltepolitik. „Genau das hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht einmal mehr dem Hamburger Senat ins Stammbuch geschrieben.“

Weitere Dieselfahrverbote möglich, um Grenzwerte einzuhalten

Die Umweltbehörde äußerte sich dagegen zurückhaltend zu möglichen Folgen des Urteils. „Die Entscheidung aus Leipzig werden wir jetzt sorgfältig bewerten und dann prüfen, welche Maßnahmen wir daraus für die Luftreinhaltung in Hamburg ableiten“, so der Sprecher Jan Dube.  „Wichtige Detailhinweise zur Umsetzung werden erst in der schriftlichen Urteilsbegründung zu finden sein.“ Die Stadt hatte zwar Revision gegen das OVG-Urteil beantragt, aber trotzdem bereits im Jahr 2020 damit begonnen, einen neuen Luftreinhalteplan zu erarbeiten.

Dieser könnte durch das neue Urteil nun mit höherer Wahrscheinlichkeit auch weitere Dieselfahrverbote beinhalten, um die Grenzwerte einzuhalten. So bestätigte das BVG die Einschätzung der Vorinstanz, dass Hamburg neue Verbotszonen für Diesel „mit unzureichender Begründung als unverhältnismäßig abgelehnt“ habe. Aktuell gilt nur an der Max-Brauer-Allee für Autos und LKW mit zu hohem Schadstoffausstoß, sowie an der Stresemannstraße nur für solche LKW ein Durchfahrverbot.

Maßnahmen hängen von komplizierten Rechenmodellen ab

Ebenfalls diskutiert wird seit längerem aber darüber, ältere Diesel auch auf der Habichtstraße in Barmbek und auf den Straßenzügen Högerdamm-Spaldingstraße-Nordkanalstraße zu verbieten. Das BVG bekräftigte noch einmal seine Einschätzung, dass Dieselfahrverbote grundsätzlich ein Mittel für die Verbesserung der Luftqualität sein können.

Wo genau weitere Maßnahmen erfolgen könnten, hängt aber von komplizierten Rechenmodellen ab, die derzeit noch in der Umweltbehörde erstellt werden. Darin fließen unter anderem Verkehrszählungen, aber auch Emissionsdaten von Schiffen und Fahrzeugflotten und weitere Faktoren ein. Aus der Umweltbehörde heißt es dazu, nach den bisher bekannten Daten würden die Stickstoff-Grenzwerte  im weit überwiegenden Teil der Stadt erfüllt: „Es handelt sich um wenige Straßenzüge mit Handlungsbedarf.“

Auch Aufhebung einer Diesel-Verbotszone ist denkbar

Auf der anderen Seite ist nach Abendblatt-Informationen auch denkbar, dass die derzeit bestehenden Diesel-Verbotszonen aufgehoben werden. So wird nach Angaben der Umweltbehörde der Grenzwert an der Stresemannstraße inzwischen deutlich unterschritten. Dies hängt mutmaßlich zwar auch wesentlich mit dem deutlich gesunkenen Verkehrsaufkommen während in der Corona-Pandemie zusammen – sobald die Werte aber absehbar auch ohne Verbot nicht wieder in den roten Bereich steigen würden, soll die Maßnahme enden.

Zu der Frage, wie zügig der neue Luftreinhalteplan nun fertiggestellt sein muss, gibt es noch unterschiedliche Einschätzungen. Vom BUND heißt es, bis „spätestens September“ müsse die Stadt nun eigentlich ein neues Konzept vorlegen. Schließlich habe man bereits während des Revisionsverfahrens auch mit dem Prozess begonnen. In Senatskreisen ist dagegen davon die Rede, dass die Modellierung eben aufwändig und die aktuelle Datenbasis durch das „Ausnahmejahr“ 2020 nicht eindeutig sei.

Gerichtskosten: Zwei Drittel muss Stadt zahlen, ein Drittel BUND

Zur Bewertung der Lage an einzelnen Straßen machte das BVG dem Senat dabei nun eine klare Vorgabe: Die Stickstoffbelastung muss künftig in 1,5 Meter und nicht in vier Metern Höhe – wo sich wegen der Luftverwirbelung in der Regel niedrigere Werte ergeben. Dies hatte ebenfalls der BUND gefordert.

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„Das macht auch einfach deshalb Sinn, weil es am Ende ja um die Gesundheit der Menschen geht“, heißt es dazu aus dem Umweltschutzverband. Die Umweltbehörde argumentierte dagegen, dass die Betroffenen etwa an der Habichtstraße tatsächlich eher in vier Meter Höhe lebten. Im Senatsumfeld ist auch zu hören, dass es sich bei dem Urteil keineswegs um einen „Sieg auf ganzer Linie“ für den BUND handele. Das zeige auch die Verteilung der Gerichtskosten: Zwei Drittel müsse die Stadt zahlen, aber eben ein Drittel der BUND.

Für einen „Überläufer“ war es dennoch der möglicherweise letzte Erfolg in bisheriger Funktion: BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch wechselt im Juli in die Umweltbehörde. Er hatte sich selbst seit 2013 im Streit um die Luftqualität engagiert. Braasch äußerte sich am Freitag nicht zu der Entscheidung.