Hamburg. Senat investiert klug in die Infrastruktur – aber für die kommenden Jahrzehnte bedarf es eines großen Verkehrsfriedens.

Dieser Tage lässt sich wieder einmal besonders beeindruckend besichtigen, wohin es führt, wenn man die öffentliche ­Infrastruktur vernachlässigt. Derzeit reiben sich Hunderttausende Fußballfans aus dem europäischen Ausland verwundert die Augen, was denn aus Deutschland und der Deutschen Bahn geworden ist. Drei Jahrzehnte des Wegschauens, eine kurzsichtige Renditeoptimierung und ein Übermaß an Schlendrian haben die ehemalige Vorzeigebahn Europas in einen tragischen ­Sanierungsfall verwandelt. Im Drama auf der Schiene konzentriert sich vieles von dem, was hierzulande zuletzt schiefgelaufen ist. Und was nun mühsam repariert werden muss.

Da ist es deutlich klüger, die Infrastrukturpolitik mit weitem Horizont und nicht nach Kassenlage zu betreiben. Wohin eine andere Politik führt, wissen auch viele Hamburger etwa am Osdorfer Born oder in Steilshoop aus eigener Erfahrung. Hier warten die Menschen weiter auf ihren U-Bahn-Anschluss. 1974 nach dem Ölpreisschock hatte der damalige Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) alle Schnellbahn­planungen gestoppt. Nun kommt bald der Zug – mit mehr als einem halben Jahrhundert Verspätung.

Verkehr Hamburg: Fünf Milliarden Euro für die Infrastruktur

Allein in den Jahren 2025 bis 2028 will der rot-grüne Senat rund fünf Milliarden Euro vor allem in umweltfreundliche Verkehrsträger investieren. Angesichts des beschränkten Straßenraums in einer wachsenden Stadt ist diese Schwerpunktsetzung zweifelsohne richtig. Zudem werden die großen Schnellbahnprojekte U4, U5 und S4 viele Menschen besser ans Nahverkehrssystem anbinden.

Wirklich konkurrenzfähig zum Auto sind nur Schnellbahnen und die Stadtbahn, die allerdings in Hamburg seit Jahren erst versprochen und dann wieder verworfen wurde. Es gehört auch zur Wahrheit, dass das 259 Millionen Euro teure Busbeschleunigungsprogramm des früheren Bürgermeisters Olaf Scholz viel gekostet, aber wenig bewirkt hat.

Dem Schulfrieden sollte der Verkehrsfrieden folgen

Die neuen Investitionen in die Schnellbahnen sind politisch weniger umstritten – sie sind zwar ebenfalls teuer, aber effiziente Verkehrsträger. Und ein Beispiel dafür, dass große Infrastrukturprogramme in der Stadt künftig parteiübergreifend erdacht und beschlossen werden sollten.

Wie der Schulfrieden, der die unseligen Strukturdebatten beendete und eine Konzentration auf das Wesentliche brachte, hätte ein Verkehrsfrieden Charme. In Zeiten knapperer Kassen wird sich die Stadt genau überlegen müssen, was wünschenswert, nötig und möglich ist.

Verkehr Hamburg: Am Ende führt an der Stadtbahn kaum ein Weg vorbei

Themen gibt es reichlich: Der Umzug des Bahnhofs Altona nach Diebsteich war eine gute Idee für die Stadtentwicklung, aber eine Schnapsidee für die Verkehrswende. Ob ein Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) angesichts einer ewigen Dauerbaustelle in der Stadt vernünftig und realisierbar ist, steht noch dahin. Ebenfalls im Konsens sollte man klären. ob eine Stadt im 21. Jahrhundert wirklich in den Außenbezirken ohne Stadtbahn funktionieren kann.

Längst stellt sich jedoch die Frage, wie man in Zeiten des demografischen Wandels älteren oder eingeschränkten Menschen den Zugang zum städtischen Leben – auch mit dem eigenen Auto – ermöglicht.

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Bei aller Begeisterung für die notwendige Hamburger Mobilitätswende, dieses Projekt wird nur dann ein Erfolg werden, wenn es nicht nur hippe Meinungsführer in den Szenevierteln beklatschen, sondern ebenso Senioren in städtischen Randgebieten. Und wenn wir endlich allesamt begreifen, dass eine funktionierende Infrastruktur die zentrale Zukunftsfrage ist.