Hamburg. Zahl der Verspätungen und Ausfälle deutlich gestiegen. Auch U-Bahnen weniger pünktlich. Senat nennt wesentliche Gründe.

Nein, eine Stadtbahn wollte Olaf Scholz auf keinen Fall bauen lassen, nachdem er im Jahr 2011 zum Hamburger SPD-Bürgermeister gewählt worden war. Stattdessen versprach er den Hamburgern das „modernste Bussystem Europas“ und legte ein „Busbeschleunigungsprogramm“ auf. Mittlerweile hat die Stadt zwar bereits 184 Millionen Euro in dieses Scholz-Projekt investiert. Schneller sind die Busse in Hamburg allerdings heute nicht unterwegs. Im Gegenteil: Sie werden zuletzt sogar immer unpünktlicher. Das zeigen die Antworten des Senats auf CDU-Anfragen, die dem Abendblatt vorliegen.

So ist der Anteil der Busse, die pünktlich kommen, im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand der vergangenen Jahre gesunken: Nur noch 93,1 Prozent der Hochbahn-Busse kamen 2023 zur angekündigten Zeit – wobei Verspätungen bis maximal fünf Minuten sogar noch als pünktlich gelten. Zum Vergleich: Zu Beginn der aktuellen Wahlperiode im Jahr 2020 lag die Pünktlichkeit der Hochbahn-Busse noch bei 96,2 Prozent. Die in Hamburg verkehrenden VHH-Busse erreichten im vergangenen Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 87,6 Prozent. Beim VHH gilt ein Bus allerdings auch schon bei einer Verspätung von drei Minuten als unpünktlich.

Verkehr Hamburg: Busse so unpünktlich wie seit vielen Jahren nicht

Im laufenden Jahr hat sich die Situation weiter verschlechtert. Im ersten Quartal 2023 wiesen von den rund 1,3 Millionen Fahrten im Busverkehr der Hochbahn noch 5,3 Prozent oder knapp 70.000 Fahrten eine Verspätung von fünf Minuten oder mehr aus. 1,6 Prozent der Fahrten fielen ganz oder teilweise aus. Im ersten Quartal 2024 dagegen waren von den 1,4 Millionen Fahrten bereits 5,9 Prozent oder knapp 80.000 Fahrten verspätet; 20.000 Fahrten davon waren sogar mehr als zehn Minuten zu spät. 3,7 Prozent der Fahrten sind teilweise oder komplett ausgefallen.

Bei den VHH-Bussen war die Entwicklung nicht besser: Von den im ersten Quartal 2023 durch die VHH geleisteten 416.856 Fahrten waren laut Senat durchschnittlich rund 4,4 Prozent mehr als drei Minuten verspätet, dies entspricht rund 18.300 Fahrten. Es gab rund 0,91 Prozent Fahrtausfälle. Im ersten Quartal 2024 waren von den 451.517 VHH-Fahrten dann bereits durchschnittlich rund 7,2 Prozent mehr als drei Minuten verspätet, dies entspricht rund 32.500 Fahrten. Es gab rund 11,13 Prozent Fahrtausfälle.

Einer der Hauptgründe für die zuletzt hohe Steigerung der Fahrtausfälle liege „in der hohen Anzahl an Streiktagen im ersten Quartal 2024 begründet“, schreibt der Senat zur Erläuterung. Auch die negative Entwicklung bei den Hochbahn-Bussen habe teils mit Streiks zu tun. Zudem verzerre die Corona-Pandemie Vergleiche mit den Jahren, in der die Pandemie für deutlich weniger Verkehr sorgte.

Verkehr Hamburg: Busse kommen in der Stadt immer langsamer voran

Neben der abnehmenden Pünktlichkeit deutet aber auch ein anderer Indikator darauf hin, dass der Busverkehr womöglich nicht die optimale Lösung für die Anforderungen an moderne Mobilität in einer Metropole ist. So ist die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der sich Busse durch Hamburg bewegen, seit der Verkündung der scholzschen Busbeschleunigung sogar deutlich zurückgegangen. Waren die Busse 2011 noch mit durchschnittlich 19,2 Kilometern pro Stunde in Hamburg unterwegs, so kamen sie im Jahr 2023 nur noch mit 18,7 Kilometern pro Stunde voran.

Auch bei der U-Bahn hat die Pünktlichkeit zuletzt abgenommen. Kamen laut HVV-Qualitätsmonitor im Jahr 2021 noch 98,7 aller U-Bahnen pünktlich (also weniger als drei Minuten verspätet), so waren es im vergangenen Jahr nur noch 97,1 Prozent. Die S-Bahn ist deutlich unzuverlässiger. Ihre Pünktlichkeitsquote (Richtwert ebenfalls drei Minuten) lag im vergangenen Jahr bei nur 94,5 Prozent; 2021 waren es 94,6 Prozent.

CDU: „Rot-grüne Busbeschleunigung ist komplett gescheitert“

Für die CDU entlarven die aktuellen Zahlen das scholzsche Busbeschleunigungsprogramm als Flop. „Unsere Anfragen an den Senat zeigen: Die rot-grüne Busbeschleunigung ist komplett gescheitert“, sagt CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker. „Auch Hamburgs Busse stehen im Stau und leiden unter der desolaten Situation auf Hamburgs Straßen.“ Hamburgs Busse seien „heute langsamer, unpünktlicher und unzuverlässiger als 2011“, so der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete.

„Die Pünktlichkeitsquote aller Busse in Hamburg ist in dieser Legislatur bisher um knapp drei Prozent gesunken. Die Anzahl der verspäteten Busse in Hamburg ist insgesamt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 27 Prozent gestiegen, wahnsinnige 315 Prozent mehr Busse sind ausgefallen. Knapp 215.000 Fahrten waren alleine im ersten Quartal 2024 zu spät oder sind ausgefallen.“ Der Senat rede sich „mit Streikvorgängen beim HVV aus der Verantwortung“, so Seelmaecker. Dies sei aber „eine faule Ausrede“.

„Busbeschleunigung für 184 Millionen Euro war Verschwendung von Steuergeld“

Die 184 Millionen Euro, die der Senat in die Busbeschleunigung gesteckt habe, seien angesichts der dürftigen Ergebnisse „eine massive Verschwendung von Steuergeld“, so Seelmaecker. „Der grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks muss die Realitäten auf Hamburgs Straßen endlich anerkennen und dafür Sorge tragen, dass Hamburgs Busse pünktlicher und verlässlicher werden.“

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In der Verkehrsbehörde des angesprochenen Senators bewertet man die aktuelle Situation erwartungsgemäß etwas anders als in der CDU. So weist Tjarks-Sprecher Dennis Heinert zum einen darauf hin, dass „das Hamburger Busangebot so beliebt ist wie nie zuvor“. In einer Umfrage zur Kundenzufriedenheit sei 2023 mit einer Durchschnittsnote von 1,68 „der beste je gemessene Wert“ ermittelt worden. 2011 habe dieser noch bei 1,81 gelegen. Die Bewertungsskala reiche dabei von 1 = vollkommen zufrieden bis 5 = vollkommen unzufrieden.

Verkehr Hamburg: Verkehrsbehörde verweist auf massiv gestiegene Nachfrage

Zudem habe es einen massiven Anstieg der Fahrgastzahlen in den Bussen gegeben. Diese seien 2023 gegenüber dem Vorjahr um satte 15 Prozent gegenüber 2022 gestiegen. „Im ersten Quartal 2024 fuhr eine halbe Million mehr Menschen in Hamburg Bus als im ersten Quartal 2023“, so Heinert. „Dies ist ein extrem hoher Anstieg im Jahresvergleich, zu dem neben dem Ende der Corona-Pandemie vor allem der große Erfolg des Deutschlandtickets ab Mai 2023 in Hamburg beigetragen hat. Dieser sehr erfreuliche Fahrgastanstieg hat allerdings auch zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Haltezeiten bei den Bussen geführt, was wiederum einen nachvollziehbaren Einfluss auf die Pünktlichkeitsquoten im Vorjahresvergleich hatte.“

So könnte man wohl konstatieren, dass Olaf Scholz 2011 mit der „Busbeschleunigung“ einen falschen Begriff gewählt hat. Beschleunigt wurde der Busverkehr in Hamburg nämlich nicht. Er hat allerdings seine Kapazitäten deutlich ausgeweitet, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden. Dass diese so wächst, dürfte aber vor allem einen Grund haben: Es gibt auf vielen Strecken keine Alternative zum Bus. Eine Stadtbahn fährt ja nicht in Hamburg.