Hamburg. Zahl der Gewalttaten steigt. Hamburger Behörden steuern dagegen. Was jetzt gilt, welche Ausnahmen es gibt, was noch geplant ist.
- Waffen dabei zu haben, ist seit dem 1. Oktober am Hauptbahnhof Hamburg verboten.
- Dort gilt nämlich fortan eine Verbotszone – im kommenden Jahr soll diese verschärft werden.
- Außerdem werden mehr Sicherheitskräfte für Recht und Ordnung sorgen.
Die Schilder sind enthüllt, seit Sonntagmorgen wird Ernst gemacht: Denn der Hamburger Hauptbahnhof und die angrenzenden Flächen in der Innenstadt sind fortan eine Waffenverbotszone. Dies ist eine von mehreren Maßnahmen im Rahmen der „Allianz sicherer Hauptbahnhof“. Zusätzlich werden die sogenannten Quattro-Streifen bestehend aus Polizei, Bundespolizei, DB-Sicherheit und Hochbahnwache verstärkt. Im kommenden Jahr wird darüber hinaus ein Alkoholkonsumverbot eingeführt und die Videoüberwachung ausgebaut. „Unser zentrales Ziel ist es, dass es am Hauptbahnhof sicherer werden soll“, sagt Innensenator Andy Grote (SPD) zu den Maßnahmen.
Er enthüllte am Freitag zusammen mit Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und dem Leiter der Bundespolizeiinspektion Hamburg, Jan Müller, ein erstes Hinweisschild auf. Im Bereich Reeperbahn und am Hansaplatz sind bereits seit Jahren Waffenverbotszonen eingerichtet.
Hauptbahnhof Hamburg: Eine halbe Million Menschen nutzen ihn täglich
Angesichts von einer halben Million Menschen, die durchschnittlich den Bahnhof täglich nutzen, dürfte es schwer werden durchzusetzen, dass wirklich niemand mehr mit einer Waffe den Hauptbahnhof oder seine Umgebung mit einer Waffe – dazu zählen Messer mit über vier Zentimeter Klingenlänge, Schlagwaffen oder ohnehin verbotene Waffen – betreten wird. Es gibt den Einsatzkräften aber die Möglichkeit, ohne echten Anlass Kontrollen von Personen durchzuführen.
Hier greift die Erfahrung der Beamten: Sie können gezielt Problemklientel unter die Lupe nehmen. Polizeipräsident Meyer bestätigt diese Erfahrungen mit Blick auf Gewalttaten: „Solche Straftaten werden überwiegend innerhalb der Szene verübt. Das Dritte betroffen sind, ist die Ausnahme“, so Meyer.
Polizei Hamburg: Erste Tendenzen, dass Straftaten zurückgehen
Dabei ist der Hauptbahnhof gut für ein Waffenverbot gewählt. Die Klientel, die man im Auge hat, bewegt sich oft mithilfe des öffentlichen Nahverkehrs. So ist der Hauptbahnhof ein guter Punkt, um solche Kontrollen durchzuführen, weil er wie ein Nadelöhr wirkt. Die Präsenz der „Quattrostreifen“ war zuletzt von 48 Stunden auf 90 Stunden pro Woche erhöht worden.
„Wir stellen fest, dass sich die Situation durch die Maßnahmen positiv verändert hat“, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. So habe sich die Zahl der Obdachlosen, die sich am Hauptbahnhof aufhalten, reduziert. Durch die Kontrollen sei die Zahl der sogenannten Kontrolldelikte – wie zum Beispiel Aufenthaltsverbote – gestiegen. Dagegen gebe es erste Tendenzen, dass andere Straftaten wie zum Beispiel Raub und Körperverletzungen, rückläufig sind.
Hauptbahnhof Hamburg: Wo das Waffenverbot genau gilt
Konkret gilt das Waffenverbot auch in allen öffentlichen Bahnanlagen, in den unterirdischen Verbindungen einschließlich des Mönckebergtunnels, sowie auf dem Heidi-Kabel-Platz, dem Hachmannplatz, am ZOB und im August-Bebel-Park, der als Vorplatz der Drogeneinrichtung Drob Inn Sammelpunkt der problematischen Szene gilt, die aus weit überwiegend Rauschgiftabhängigen und Randständigen besteht.
Der dritte Ansatz: Ein Verstoß wird als Ordnungswidrigkeit eingestuft, die eine Geldstrafe von mindestens 200 Euro nach sich zieht. Damit besteht kein Verfolgungszwang. Ohnehin gibt es Ausnahmen: Handwerker, die Pfadfindergruppe, deren Mitglieder Fahrtenmesser dabeihaben, will man ohnehin nicht „entwaffnen“. Es geht um potenzielle Gewalttäter.
Zahl der Gewaltdelikte am Hauptbahnhof steigt an
Diese sind ein echtes Problem. Aktuelle Zahlen zeigen, dass es wieder mehr Gewaltdelikte im Bereich des Hauptbahnhofs gibt. Die Zahl dieser Taten seit Jahresbeginn lag Ende August bei 503 Fällen. Im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt noch 453 Fälle gewesen. Das ist eine Steigerung von elf Prozent. Die Zahl aller Körperverletzungen stieg in dem Zeitraum um vier Prozent auf 240 Taten, die der gefährlichen Körperverletzungen um sechs Prozent auf 62 Taten. „Damit war jede dritte Körperverletzung eine Tat, bei der ein Gegenstand als Waffe eingesetzt wurde oder die gemeinschaftlich begangen wurde“, so ein Bundespolizist.
Bei der Ausweitung der Videoüberwachung im Bereich des Hamburger Hauptbahnhofs soll nach Worten von Innensenator Grote die bauliche Umsetzung im ersten Quartal 2024 beginnen. Zeitgleich bereitet die Innenbehörde ein Alkoholkonsumverbot auf dem Hachmannplatz und dem Heidi-Kabel-Platz vor, das ab Frühjahr des nächsten Jahres in Kraft treten soll.
Polizei Hamburg: Mehr Widerstand gegen Beamte
Nimmt man alle Straftaten, die in den ersten acht Monaten dieses Jahres im Hauptbahnhof passierten, kommt man auf 3814. Das bedeutet eine Steigerung von 29 Prozent. Fast die Hälfte der Taten waren Diebstähle. Auffallend ist der hohe Anteil von Ladendiebstählen mit 1185 Taten. Sie sind vorwiegend der Beschaffungskriminalität einzuordnen.
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Dass die verstärkte Präsenz auch Straftaten aufdeckt oder erst bewirkt, sieht man an Widerständen gegen Vollzugsbeamte. Ihre Zahl ist bis Ende August in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr überdurchschnittlich um 48 Prozent auf 62 Fälle angestiegen.
Dennis Thering, Fraktionschef der CDU im Hamburger Rathaus, sieht mit der Einführung des Waffenverbots die eigene Linie bestätigt. Seine Kritik: Der Senat habe die Zustände am Hauptbahnhof viel zu lange ignoriert. In seinen Augen ist es ohnehin eine „Waffenverbotszone light“. „Ausgerechnet der Steindamm wird ausgelassen, obwohl auch hier ein dringender Handlungsbedarf besteht“, meint Thering. Dirk Nockemann von der AfD nannte die Einführung der Waffenverbotszone ein „Armutszeugnis“, da die Maßnahme lediglich „Symptombekämpfung“ sei.